Die Burg ist um eine Attraktion reicher: den „Hessen-Champion“

Im Frühling verwandelt sich die imposante Baumkrone dieses Weißdorns, des „Hessen-Champion“, dessen Alter noch nicht ermittelt werden konnte, aber auf etwa 100 Jahre geschätzt wird, in eine Blütenpracht und Bienenweide. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Es ist keine Weißdornhecke oder ein kleines Bäumchen: Es ist ein stattlicher Baum, der an zentraler Stelle die Besucher der Oberburg begrüßt, stattlich und mit einer ausgedehnten Baumkrone, die sich im Frühling in ein weißes prächtiges Blütenkleid verwandelt, im Herbst unzählige kleine Früchtchen trägt. „Crataegus Monogyna“ heißt der Baum unter Botanikern und ist nun vom schlichten deutschen Weißdorn aufgestiegen zum „Hessen-Champion“. Manfred Wessel, technischer Leiter des Botanischen Gartens in Frankfurt hatte ihn bei seinem ersten Besuch auf der Kronberger Burg auf Einladung der Sprecherin des Burgvereins und der Burgstiftung, Martha Ried, entdeckt. Diese weltweit verbreitete Pflanze gehört zur großen Familie der Rosengewächse und ist eingeordnet in die Unterfamilie der „Apfelähnlichen“, klärt er die Gäste auf der Oberburg zur feierlichen Einweihung einer kleinen Auszeichunungstafel für den besonderen Weißdorn auf. Wessel hatte nämlich nachgeforscht und herausgefunden, dass der Baum hessenweit der größte erfasste Weißdorn ist, deutschlandweit immerhin der zehntgrößte. Seit 2009 vergibt die Deutsche Dendrologogische Gesellschaft gemeinsam mit der Gesellschaft Deutsches Arboretum für besonders monumentale Bäume die Auszeichnung „Champion Tree“, damit die Bäume dokumentiert, geschützt und langfristig erhalten werden. „Herr Wessel hat die Vermessung des Baumes und auch die Anmeldeprozedur als Champion bei der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft als Champion übernommen“, berichtete Ried. „Dank Ihrer Entdeckung haben wir jetzt nach dem Wappensaal und der Flügelspende noch eine Attraktion mehr auf der Burg: den größten Eingriffeligen Weißdornbaum in Hessen.“ Bevor Wessel die Tafel enthüllte und die Botaniker-Freunde mit „Weißdorn-Kir“, einer Eigenkreation des Burgvereins, auf die Auszeichnung anstießen, gab Marlies Lendzian-Coane vom Arbeitskreis Außengelände der Burg einen gleichermaßen umfassenden wie spannenden Einblick zum Weißdorn. Wessel und andere Botanik-Kenner, die vor Ort waren, wie die Präsidentin der Gesellschaft Deutsches Arboretum, Barbara Vogt, und der Vorsitzende des Kronberger Obst- und Gartenbauvereins, Heiko Fischer, hatten dem nicht mehr viel hinzuzufügen. Sie berichtete, dass der Weißdorn, weltweit verbreitet, von alters her von großer Bedeutung für die Menschen war und unter bis zu 50 verschiedenen Namen bekannt ist wie Christdorn, Hagdorn oder Doornbusch. Blätter, Blüten und Früchte eignen sich als Tee oder alkoholischer Auszug bei Herz- und Kreislaufstörungen. Die Früchte sind roh essbar, schmecken säuerlich-süß und sind sehr mehlig, verriet sie und in Notzeiten wurden sie äußerst vielseitig verwendet: Beispielsweise das getrocknete Fruchtfleisch als Mehlersatz zum Brotbacken und die Kerne als Kaffeeersatz. Das Holz des Weißdorns ist ähnlich dem Eichenholz hart und fest und wurde dementsprechend gerne als Werkzeugstiele genutzt. Für Vögel bietet der Baum idealste Bedingungen: Seine Früchte dienen noch im Winter als Nahrungsquelle, durch seine dichte Krone und die zusätzlichen Dornen ist der Baum schwer zugänglich und deshalb ein idealer Brutplatz. Allerdings soll der Neuntöter genug Dornen finden, um seine Beute aufzuhängen, wusste Lendzian-Coane zu berichten, von der Pflanze, die auch in der Mystik von altersher eine große Bedeutung hatte: „Er sollte böse Geister abwehren, war in der römischen Antike heilig“, erzählte sie. Ins Fenster gestellte Zweige sollten Kinder vor nächtlichen Geistern schützen, ja sogar Kinderwiegen wurden aus dem Holz geschnitzt, um zu verhindern, dass die Kinder von bösen Feen ausgetauscht wurden. Nach einem Blick in die Literatur, in der Marcel Proust den Weißdorn als prägende Kindheitserinnerung in seiner Blütenpracht immer wieder heraufbeschwört, nahm Wessel die Besucher wieder in die Wirklichkeit mit, indem er ihnen die beiden Baumstämme aus nächster Nähe zeigte und das Prozedere erklärte, nach denen die Bäume zu vermessen sind. Der beeindruckende Weißdorn auf der Burg wurde als zweikerniger Weißdorn ermittelt, auch wenn er wie ein aus einem Kern gewachsener Baum wirkt, da er im unteren Bereich ganz zusammengewachsen ist und dann erst zweistämmig wird. So gilt nach offizieller Messung der 1,30 Meter dicke Umfang des stärkeren Stammes, statt seines weiter unten messbaren 1,95 Meter Umfanges. Astrid Vohwinkel vom Burgverein und alle Burgfreunde können das verschmerzen: „Unser Weißdorn ist sowieso schon der heimliche Champion“, meint sie augenzwinkernd.

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