Dieter Kaiser: Mit 70 ruhelos und engagiert und kein bisschen leise

Sein 70. Geburtstag war am 3. Juli, doch gefeiert wird am 15. Juli im Recepturkeller. Dann widmet sich Dieter Kaiser zusammen mit einigen Musikerkollegen neben Rock- und Bluessongs auch so manchen „eigenen Sachen“, wie zum Beispiel dem „Kakerlakenrock“ oder „Ich seh das Land, ich seh die Stadt…“. Foto: Pfeifer

Kronberg (pit) – Immer aktiv und auf Achse – bei manchen wird das auch im etwas höheren Alter nicht besser. Dieter Kaiser ist ein gutes Beispiel dafür. „Ich muss immer draußen sein“, sagt der nunmehr 70-Jährige, wenn er auf sein bisheriges Leben zurückblickt. Das war schon damals so, als er Sozialarbeit in der Fachhochschule studierte oder als es um das Studium der Heil- und Sonderpädagogik ging, das er mit Staatsexamen abschloss: „Alle Studiengänge habe ich durch das Musikmachen finanziert.“ Als Liedermacher ist er durch die Lande gezogen, drei Jahre hat er sogar ausschließlich Musik gemacht.

1976 war es seine damalige Freundin, die den gebürtigen Offenbacher nach Kronberg zog. Diese Beziehung blieb zwar nicht bestehen, doch eine andere Leidenschaft nahm ihren Anfang: die Belange rund um den Recepturkeller. Ab dem 1. März 1985 begann sein Pachtvertrag und damit verbesserte sich auch ein wenig seine ganz persönliche Komfortzone: „Ich konnte dort meine Musik machen und musste nicht mehr ständig rumfahren.“ Fast drei Jahre dauerte diese Zeit, in der Dieter Kaiser ausschließlich als Musiker wirkte.

Ende der 80er-Jahre kam dann sein großes Interesse für die Computertechnik hinzu. 1989 legte sich Dieter Kaiser seinen ersten PC zu: „Da habe ich mich über fünf Jahre reingekniet und mit der Netzwerktechnik beschäftigt.“ Damit hatte er quasi das Ohr am Puls der Zeit, denn Anfang der 90er-Jahre suchte dann die Stadt einen Mitarbeiter für die Datenverarbeitung. Es war am 1. April 1994, als der gebürtige Offenbacher dort mit viel Elan seine Stellung antrat: „Ich habe die dort vorhandene Technik schnell auf ein höheres Niveau gebracht und das Intranet aufgebaut.“ Verbesserungswürdig war in seinen Augen irgendwann auch die Übertragungsrate beim Kommunikationssystem IT: „Da habe ich dann Glasfaserkabel für die städtischen Anbindungen verlegt.“

Bis zur Rente blieb Dieter Kaiser der Stadtverwaltung als IT-Spezialist erhalten. 2012 begann sein nächster Lebensabschnitt: Sich tatsächlich zur Ruhe zu setzen, war für ihn nicht drin – lediglich zwei Jahre gönnte er sich. Als dann die ersten Flüchtlinge Kronberg erreichten, kam ihm sein Studium zupass und er begann in der Villa Winter auf der Basis eines 450-Euro-Jobs bis 2015 seine Arbeit. Danach war erst einmal wieder Pause angesagt – bis das ehemalige Ausbildungszentrum der Deutschen Bank im Jahr 2016 zu einem Erstaufnahmelager unter der Trägerschaft der Johanniter wurde. „Hier bin ich“, rief der damals 69-Jährige den dort Arbeitenden zu und überreichte kurzerhand seine Unterlagen. Lange währte aber auch diese Station nicht, die im Oktober des gleichen Jahres wieder geschlossen wurde. „Dann war ich wieder mal arbeitsloser Rentner“, schmunzelt Dieter Kaiser. Aber er wäre nicht der, der er ist, wenn er sich nicht gleich wieder umgeschaut hätte.

In Rödelheim fand er die nächste Unterkunft für Flüchtlinge, zu der er regelmäßig hinfuhr. Nun ist er seit dem 1. März wieder bei den Johannitern angestellt und wirkt als Sozialarbeiter in Bockenheim. „Es ist schlussendlich doch das Studium, das mich geprägt hat“, sagt Dieter Kaiser während er genüsslich an seiner Pfeife schmaucht, die in seinem Leben heuer auch ein kleines Jubiläum feiert: „Die Pfeife ist seit 45 Jahren meine ständige Begleiterin und seit 20 Jahren rauche ich den Vanille-Tabak.“

Überhaupt gibt es noch so einiges zu berichten. Zum Beispiel, dass er 2003 die Online-Redaktion „ffm-rock.de“ ins Leben gerufen hat, bei der heute 15 Menschen aus aller Welt mitwirken. Oder dass ihn eine ganze Zeit früher, und zwar Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre, das Schicksal des Bockenheimer Depots am Herzen lag und er einer von denen war, die sich für dessen Erhalt engagierten. Gerne erinnert er sich aber auch an sein Dasein als fahrender Musikus, das ihn zu so einigen Erlebnissen führte. Zum Beispiel zum Bardentreffen nach Nürnberg oder zu Folkfestivals wie dem auf der Ronneburg. Auch ein Auftritt anlässlich der Brüsseler Buchmesse für das Goethe-Institut ist unvergessen.

Und immer wieder fällt zwischendurch der Titel seines vermutlich meistgespielten Songs: „Kakerlakenrock“. „Der ist wahrscheinlich so gut angekommen, weil er der lustigste von allen ist“, sinniert Kaiser und nimmt einen weiteren Zug seiner Pfeife.

Den 70. Geburtstag hat er nicht weiter gefeiert. Doch wie zu seinem 60. und 65. Wiegenfest wird es ein Konzert mit einigen Musikerkollegen im Recepturkeller geben. Es beginnt kommenden Samstag, 15. Juli um 20 Uhr und die Prognose lautet: „Es wird wohl verdammt voll.“



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