Europäisches Künstlerfest ohne Feier-Stimmung

Kronberg (mw) – Die Stadt Kronberg hatte dieses Jahr die Ehre, gemeinsam mit der Museumsgesellschaft Kronberg die euroArt-Jahrestagung ausrichten zu dürfen. Zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung, die 1994 in Brüssel auf Initiative von Barbizon (Frankreich), Tervuren (Belgien) unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlamentes und der Europäischen Kommission gegründet wurde, gehört, neben Worpswede und Ahrenshoop, auch die Museumsgesellschaft Kronberg. Kronberg ist die fünfte deutsche Künstlerkolonie neben Prien, Darmstadt, Willingshausen und Worpswede bei insgesamt 41 Künstlerkolonien in 14 europäischen Ländern. Die Tagung, zu der von Donnerstag bis Sonntag rund 70 EuroArt-Teilnehmer teilweise von weither nach Kronberg angereist waren, so aus Litauen, Ungarn, Norwegen, Belgien und den Niederlanden, nahm die Stadt Kronberg das ganze Jahr über schon zum Anlass, die Kronberger Künstlerkolonie als Kulturerbe in das Bewusstsein der Bürger zur rücken. Die Stadt hatte über das Fachreferat Kultur & Stadtgeschichte Fahnen entwerfen lassen, die Werbung für das Museum Kronberger Malerkolonie machen, weiter kurz vor der Tagung eine Tafel auf dem Friedhof Frankfurter Straße eingeweiht, die den Weg zu den Gräbern der in Kronberg gestorbenen Künstlern aus der Kronberger Malerkolonie weist. Druckfrisch ist weiter ein handliches Heftchen „Auf den Spuren der Kronberger Maler“, das einen Malerrundweg durch die Stadt anbietet. Es zeigt, wo diese gearbeitet und gewohnt haben und ist extra für Touristen in Englisch und Deutsch verfasst. Das Tagungsprogramm vom städtischen Kulturreferat in Zusammenarbeit mit der Museumsgesellschaft entwickelt, blieb den europäischen Tagungsgästen vorbehalten. Wie Marion Bohn-Eltzholtz und Susanna Kauffels informierten, trafen sich die euroArt-Gäste Donnerstag zum „Get-together“ im Gewölbekeller des „Restaurant zum Adler“, lernten Freitag die Stadt mit Burg Museen und Schlosshotel kennen, inklusive Führungen und Essen im Schlosshotel und genossen einen Fachvortrag des Leiters des Museums Giersch, Dr. Manfred Großkinsky über die Kunst- und Kulturgeschichte in der Rhein-Main-Region, der speziell auch auf einige Kronberger Künstler einging.

„Es war eine wunderbare Generalversammlung, gut organisiert und in einer wunderschönen Stadt“, richtete der Präsident von euroArt, der Worpsweder Bürgermeister Stefan Schwenke sein Wort zu Beginn der Abschlussveranstaltung, einem Künstlerfest in der Stadthalle, dass die euroArt-Teilnehmer mit kunstinteressierten Bürgern Kronbergs zusammenbringen sollte, an Bürgermeister Klaus Temmen. Kronberg sei ein wichtiger Partner der Vereinigung. Die Vereinigung versteht sich als kulturelles Netzwerk, dessen Mitglieder das gemeinsame kulturelle Erbe in Ausstellungsprojekten, Tagungen und Publikationen einer breiten Öffentlichkeit in ganz Europa anschaulich machen will. Die Künstlerkolonien in ihrer internationalen Vielfalt stehen zugleich für europäische Gemeinsamkeit. EuroArt leistet mit ihren Aktivitäten auch einen Beitrag zur Förderung der europäischen Identität. In Zeiten, wo Europa in „alten Nationalismus und Populismus“ zurückzufallen drohe, sei der Gedanke von euroArt, sich über Kunst und Kultur europaweit zu verbinden, wichtiger, denn je, sagte er.

Die Kronberger Malerkolonie zählt übrigens zu den frühesten deutschen Künstlerkolonien. Seit den 1840er-Jahren arbeiteten im Laufe der Zeit nachweislich über 100 Künstler in Kronberg, darunter so bekannte Namen wie Jakob Fürchtegott Dielmann, Wilhelm Trübner, Hans Thoma oder Carl Morgenstern.

Nachdem Bürgermeister Klaus Temmen noch Stiftungen und Sponsoren, unter anderem die Rheinberger-Stiftung, Ann-Katrin Linsenhoff und die Mainova AG als Unterstützer der Tagung dankend erwähnt hatte, sollte als fulminanter Abschluss das Künstlerfest folgen. Die Organisation hierfür lag bei Jutta Dieing vom Kronberger Kulturkreis, die es zwischenzeitlich beruflich schon nach Bregenz verschlagen hat, und der Stadt Kronberg. Der Einladung dazu allerdings waren Kronbergs Bürger glücklicherweise eher spärlich gefolgt, denn was sie und die euroArt-Teilnehmer erwartete, sollte kein inspirierendes Künstlerfest werden. Wohl kam das Ensemble „Coloris“, das angelehnt an Oskar Schlemmers Bauhaus-Ästetik mit Farben und Formen spielte, bei den Gästen in der Stadthalle, gut an. Die Figurenspieler stolzierten in ihren skurrilen Kostümen in Schwarz und Weiß, Grün, Blau und Gelb (wo steckte eigentlich das Rot als Primärfarbe?) stolz, elegant oder kindlich neugierig durch das Publikum und ließen sich vom Raum und den Gästen zu immer neuen verrückten Improvisationen leiten. Inklusive dem aufgelockertem Charakter in der Stadthalle mit Lounge-Mobiliar, eigentlich der passende Rahmen, um den Kontakt unter den Kunstinteressierten, Kunstförderern und Kunstkennern aus aller Herren Ländern und Bürgern der Stadt Kronberg zu fördern. Das Programm sah an zweiter Stelle eine literarisch-musikalische Collage zur Kronberger Künstlerkolonie vor, rezitiert vom Schauspieler Rainer Appel, begleitet vom Jazz-Saxofonisten Dirk Rumig. Doch was eigentlich eine spannende literarische Rückschau hätte werden können – Rumig hatte bei seinen Ausführungen aus den Regenbriefen des Kronberger Malers Philipp Franck geschöpft und um Aufzeichnungen der Malergattin Norbert Schrödls ergänzt – ging leider in dem Bedürfnis der euroArt-Mitglieder und der Kronberger Gäste unter, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es mag daran gelegen haben, dass die literarische Collage erstens sehr speziell und nicht für alle europäischen Gäste verständlich war, zweitens das Mikrofon viel zu leise eingestellt war oder einfach daran, dass zu einem Künstlerfest zu später Stunde fetzige Musik gepasst hätte. Jedenfalls waren nach zehn Minuten selbst in der ersten Reihe nur noch Bruchstücke des Beitrags zu verstehen. Das bewog einen Teil der Tagungsgäste, sich früh ins Hotel zu verabschieden. Die Stimmung war dahin, auch wenn ein älteres Pärchen die kurzen Saxofoneinlagen wohl noch versuchte, für ein Tänzchen zu nutzen. Die Künstler beendeten zerknirscht den ersten Teil ihres literarischen Programms, bei dem es dann auch bleiben sollte. Die Kronberger Bürger, die Eintritt gezahlt hatten, wirkten ebenso zerknirscht. Sie vermissten zu Recht ein kultur-verbindendes zur Feier inspirierendes Programm, wie es das Wort „Künstlerfest“ vermittelt, inklusive prickelndem Begrüßungsgetränk.

Die euroArt-Mitglieder, die geblieben waren, nahmen‘s nach den durchweg gelungenen Tagen in Kronberg bei einem Glas guten Rotwein vom Partyservice Weigand gelassen. Margit und Dr. Friedrich von Daumiller, Tagungsgäste aus Prien am Chiemsee und Yvonne Kupfer aus Murnau hatten sogar noch genügend Energie, die Presse über die verschiedenen Typen von Künstlerkolonien aufzuklären. Vor allem aber von ihrem Ziel, für das sie „brennen“, wie Friedrich von Daumiller sich ausdrückte, zu berichten, die Künstlerkolonien in ihrer internationalen Vielfalt und als Nationen verbindendes Element nicht nur zu bewahren, sondern dieses europäische Phänomen des 19. Jahrhunderts als Idee weiterzuführen.

Das Ensemble „Colori“ begrüßte seine Gäste mit einem poetischen Reigen aus Form und Farbe (links und rechts). Freude am Singen hatten später auch noch zwei euroArt-Tagungsgäste: Bürgermeister Klaus Temmen (links) und Günter aus Worpswede, auf Russisch sang.

Fotos: Westenberger

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