Kronber
g (mw) – Gemeinsam sitzen sie in ihrem Wohnzimmer in Oberhöchstadt und erzählen aus den 50 Jahren, die sie Seite an Seite durchlebt haben: Am Dienstag, den 8. Mai war ihr Goldener Hochzeitstag, den sie am Wochenende mit ihrer Familie im Haus Altkönig noch gebührend nachfeiern wollen. Die 85-jährige Irma Fogut und ihr 95-jähriger Ehemann, Alfred Fogut, haben wohl mit den Tücken des Alters zu kämpfen, ihrer Freude am Leben mit der Familie und den Enkelkindern tut das jedoch keinen Abbruch. Sie haben ein gemeinsames „Hobby“, dem sie seit 19 Jahre nachgehen – für die Enkeltochter Martina Diehl macht das einen großen Teil ihrer Zufriedenheit aus, die ihre Großeltern für sie ausstrahlen. „Tja, wir fahren, sobald es draußen wärmer wird, seit Jahren auf unseren Campingplatz in Bayern, direkt am Main gelegen“, verrät die alteingesessene Oberhöchstädterin, Irma Fogut. Die Sommermonate, die sie dort gemeinsam draußen verbringen, machen ihnen beiden Freude, auch wenn es ihr Mann ist, der die Freiheit, größtenteils unter freiem Himmel zu sein, am meisten genießt. „Mir mangelt es dort an nichts, ich habe meine komplette Küche im Vorzelt“, verrrät sie, sogar mit Spülmaschine. Die Familie hält zusammen, das heißt, trotz körperliche Einschränkungen können die beiden in Oberhöchstadt noch gut in ihren eigenen vier Wänden leben und auch auf dem Campingplatz bekommen sie am Wochenende Unterstützung von Irmas Sohn, der sie dort regelmäßig besucht. Auch die Enkelkinder kamen früher regelmäßig nach Bayern und genossen das Campingleben. Inzwischen freuen sich Irma und Alfred Fogut bereits über sechs Urenkel. Irma war und ist immer die gute Seele zuhause gewesen, die sich um die Kinder kümmert und wunderbar kochen kann, wie Martina verrät, und gestrickt hat sie auch gern. „Ihr Kartoffelgemüse und ihre Hefeklöße mit Vanillesoße sind einfach spitze!“ schwärmt sie. Alfred Fogut meint, alles, was seine Frau kocht, schmeckt. Aber dann nennt er doch noch seinen Favoriten: „Schweinshaxe mit Kraut!“. Irma kennt es eigentlich gar nicht anders, als sich um die Familie zu kümmern. „Es war damals keine Zeit dafür da, dass ich hätte eine Ausbildung machen können“, erzählt sie. „Mein Vater ist früh gestorben und ich hatte sechs Geschwister.“ Während ihre Mutter im Hohenwald in der Küche aushalf, übernahm sie als Zwölfjährige bereits Verantwortung für ihre Geschwister.
Beide, Alfred und Irma, waren bereits einmal verheiratet und wieder geschieden, als sie sich kennenlernten. Alfred war nach dem Krieg – er war als 18-Jähriger Soldat in Afrika, wurde schwer verwundet in englischer Kriegsgefangenschaft – ist als Heimatvertriebener (aus Landsberg an der Warte) ohne Eltern in Stierstadt gelandet und arbeitete als gelernter Stahlbauschlosser in einer Glasfabrik in Oberursel. Auch Irma arbeitete in einer Fabrik und war in demselben Betriebswohnhaus wie Alfred untergebracht. Später entschloss sie sich für fünf Jahre, eine Gaststätte zu übernehmen. „Ja, und da habe ich ihn wieder getroffen, denn er kam ab und zu als Gast dorthin.“
Daraus sollten fünfzig Jahre werden, in denen sie nicht nur Irmas Sohn Horst Kirchner großzogen, sondern auch die Pflegeeltern von Rudolf Diehl wurden. „Meine Schwester starb sehr früh, da haben wir ihn in unserer Familie aufgenommen und großgezogen“, erklärt Irma. Doch der Schicksalsschläge nicht genug, wurde Alfred Fogut durch einen Betriebsunfall im Sägewerk in Königstein, wo er zwischenzeitlich arbeitete, mit 55 Jahren arbeitslos. Die Säge hatte ihm Hand und Arm beinahe durchtrennt, danach konnte er dort seiner Arbeit nicht mehr zu 100 Prozent nachkommen und fand keine neue. Das waren wohl die dunkleren Zeiten in der Familie Fogut. So ging die patente Irma Fogut bis zu ihrer Pensionierung zur Braun AG zur Arbeit. Doch Müßiggang kannte ihr Mann Alfred dennoch nicht. „Wenn ich um 6 Uhr frühmorgens schon aus dem Haus bin, ist er gleich mit hinaus in unseren Garten in Oberhöchstadt, den wir damals noch hatten.“ Dort wurde, wie heute noch im kleineren Garten auf dem Campingplatz, Unkraut gejätet und allerei angepflanzt, auch Blümchen, und später im Jahr nach vollbrachter Arbeit, geerntet. Opa Alfred war dort meistens nicht lange allein, sondern am Nachmittag Babysitter für sein Enkelkind – denn beide Eltern waren am Arbeiten und dankbar für die Kinderbetreuung durch den Opa. Für Irma war klar – das ganze Jahr in der Wohnung – das ist für ihren Alfred nichts und so machen sie sich bis heute auf den Weg nach Bayern, wo Alfred wieder Unkraut jätet – früher hat er auch gerne geangelt – während Irma sich ums Mittagessen kümmert.
So richtig streiten, was das Zeug hält, das hätten sie glücklicherweise beide nicht gebraucht, und wenn es doch mal Ärger gab, dann hat man sich ausgesprochen oder sich eben einfach in Ruhe gelassen. Für den Humor ist jedenfalls Alfred Fogut zuständig, immer scheint er den passenden Spruch parat zu haben, selbst wenn ihm ein Teil des Gesprächs entgeht, weil er inzwischen sehr schlecht hört. „Was er nicht hören soll, hört er aber immer“, witzelt seine Frau und fügt, in der Hoffnung, er hat es gerade nicht gehört hinzu: „Ja, witzig ist er schon, er teilt gern aus, aber einstecken kann er nicht so gut, da ist er schnell beleidigt.“
Beleidigt, war an diesem Tag, an dem sich die beiden an ihre vielen gemeinsamen Jahr gerne zurückerinnerten und auch daran, dass sie sich zur Silbernen Hochzeit nach standesamtlicher Hochzeit damals noch hatten kirchlich trauen lassen, niemand. Um so mehr freuen sie sich nun, dass es ihnen vergönnt ist, im Kreise ihrer Familie am Wochenende ihre Goldene Hochzeit feiern zu können. Zu der haben sie auch einen evangelischen Pfarrer eingeladen. „Er wird eine Rede halten und uns noch einmal segnen“, freut sich Irma Fogut.