Kronberg (pu) – In der in diesen Tagen gestarteten ersten Sitzungsrunde des Jahres steht hinter verschlossenen Türen die Beratung über die Beilegung eines Rechtsstreits für ein Bauvorhaben in der Schlossstraße auf der Agenda. Wie Erster Stadtrat Jürgen Odszuck (parteilos) nach telefonischer Rückfrage bestätigte, läuft in dieser äußerst komplexen Angelegenheit ein Normenkontrollverfahren gegen die Stadt Kronberg.
Der Klägerin, Dr. Andrea Marlière, seit November 2005 Eigentümerin des Hauses Schlossstraße 15, geht es nach vorliegenden Informationen um die Rechtsmäßigkeit des seit Januar 2011 rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 152 „Schlossstraße“. Für zusätzliche Brisanz sorgte in diesem Fall darüber hinaus eine fehlerhafte Zustellung eines ablehnenden Bescheids für eine Bauvoranfrage durch den Hochtaunuskreis.
Bauland-Bestätigung lag vor
Doch der Reihe nach: Im Mittelpunkt der Streitigkeiten steht nicht etwa das Gebäude selbst, sondern zwei ebenfalls zum Anwesen zählende Grundstücke (432 und 416 Quadratmeter groß). Während eines Interviews in ihrem Haus im Beisein ihres Rechtsbeistandes Ingo Renner zeigt die 49-jährige Grundstückseigentümerin die für sie relevante wörtliche Passage in dem notariell abgesicherten Kaufvertrag, der zwischen ihr und der damals das Anwesen veräußernden Carl und Erika Neubronner Stiftung geschlossen wurde. „Beide Seiten gehen davon aus, dass es sich um Bauland handelt“. Gefußt habe dieser Passus auf entsprechende Bestätigungen der Stadt Kronberg – auch dem Notar gegenüber – , nachdem im Grundbuch kein entsprechender Hinweis gefunden worden war. „Aus meiner Sicht habe ich alles Menschenmögliche getan, mich abzusichern“, so Marlières Argumentation.
Als langjährige Altstadtbewohnerin mit dem expliziten Anliegen für sich und ihren heranwachsenden Sohn dieses Haus, „in das ich mich sofort bei der Besichtigung verliebt hatte“ herzurichten und zusätzlich ihren bisher in Hannover wohnenden Eltern auf ihrem Grundstück einen Altersruhesitz zu bauen, habe daher kein Grund bestanden, an der Realisierbarkeit ihrer Pläne zu zweifeln.
In der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Kauf, im ersten Halbjahr 2006, hätten jedoch mit der Kernsanierung des alten Hauses zunächst andere Prioritäten im Vordergrund gestanden. Mitten im Renovierungs- und Einzugssstress sei sie im Herbst 2006 von der Nachricht über den von der Stadtverordnetenversammlung am 21. September abgesegneten Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans „Schlossstraße“ überrascht worden. „Ich habe sofort meinen Anwalt eingeschaltet und in der Folge nach und nach einige, größtenteils unausgereifte, Bauvoranfragen gestellt, lediglich um meinen Bauwillen zu manifestieren“, erinnert sie sich zurück.
Sicht der Stadt Kronberg
Für die Stadt Kronberg stellte sich hingegen im Herbst 2006 der Fall ganz anders dar. Ein Blick in die Begründung des Bebauungsplans Nr. 152 „Schlossstraße“ bringt auch für Außenstehende Klarheit über die damals und nach wie vor im Raum stehenden Befürchtungen. Wörtlich heißt es dort: „Die bestehende Baustruktur zwischen Doppesstraße und Oberer Höllgasse ist recht dicht und kompakt, im oberen Teil der Schlossstraße dagegen insgesamt deutlich weniger dicht, geprägt durch einige große Grünräume und Gärten, auch auf den Flurstücken 126/1 (Obere Höllgasse) und 126/2 (Schlossstraße). Diese Grünbereiche sind gemäß Rahmenplan von Bebauung freizuhalten, die Durch- und Ausblicke zur Burg und deren Rahmung durch Bäume sollen nicht beeinträchtigt sein“. Einen Absatz später wird man noch deutlicher: „Auf den genannten Grundstücken eine verträgliche Neubebauung in die Struktur der Altstadt einzupassen, wird als äußerst schwierig bis unmöglich angesehen. Sowohl die recht unterschiedlichen Geländeniveaus, als auch die Höhenentwicklung in unmittelbarer und weiterer Umgebung sind zu beachten, die Frontbreiten, Dachformen, Firstrichtungen genau wie die historischen denkmalgeschützten Bruchstein-Stützmauern, die sich in etwa Hang-parallel hinauf staffeln zur Burg“.
Der Bebauungsplan sollte demzufolge dafür sorgen, diesen sensiblen Bereich direkt unterhalb des Kronberger Wahrzeichens vor einem ortsbildentfremdenden Schaden zu schützen. Während der Veränderungssperre infolge des Aufstellungsverfahrens des B-Plans wurden, so berichtet es Grundstückseigentümerin Dr. Andrea Marlière, sämtliche eingereichten Bauvoranfragen abgelehnt. Weder Gespräche mit dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Kreß, in deren Verlauf, laut Marlière, sie ihre Bedenken gegen den Bebauungsplan darlegte und Kompromissbereitschaft signalisierte, noch ein Anhörungsverfahren beim Kreis hätten einen Durchbruch gebracht.
Formfehler des Hochtaunuskreises
Im Oktober 2009 habe sich schließlich ein Vorfall ereignet, der der ganzen Angelegenheit im späteren Verlauf eine entscheidende Wende geben sollte. Es handelt sich dabei um den Ablehnungsbescheid für eine jener genannten Bauvoranfragen. Dabei unterlief dem Hochtaunuskreis, wie Pressesprecherin Andrea Nagell auf entsprechende telefonische Nachfrage einräumt, ein entscheidender und aus Sicht der Stadt Kronberg mehr als ärgerlicher Fehler: „Im vorliegenden Fall wurde leider aus Versehen eine falsche Adresse in die Postzustellungsurkunde eingetragen, sodass der Bauherrin und nicht dem Anwalt das Schreiben zugestellt wurde.“ Damit hatte der Hochtaunuskreis automatisch faktisch Baurecht geschaffen, da nach gültiger Rechtslage Bescheide über Bauvoranfragen innerhalb von drei Monaten schriftlich Bevollmächtigten, in diesem Fall dem Anwalt, vorliegen müssen.
Weder der Formfehler noch dessen Tragweite fielen Schilderungen Marlières in diesem Moment auf. In der sicheren Annahme, ihr Anwalt hätte ihr den ablehnenden Bescheid zur Kenntnis geschickt, landete das Schreiben abgeheftet in einem Ordner. Das Bebauungsplanverfahren nahm seinen Lauf, mangels rechtlicher Handhabe sah sie vorerst keine weiteren Handlungsmöglichkeiten. Das änderte sich mit der Rechtskräftigkeit des Bebauungsplans Anfang Januar 2011, der Ende desselben Jahres beim Hessischen Verwaltungsgerichthof gestellte Antrag auf Normenkontrollklage sei zugelassen worden. Am 15. Mai des letzten Jahres sorgte schließlich eine Vorentscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt zugunsten der Klägerin mit dem begleitenden Hinweis, die Stadt möge sich mit ihr einigen, für völlig neue Voraussetzungen.
Konstruktive Gespräche
Seitdem versuchen nach vorliegenden Informationen alle Beteiligten, die Vorkommnisse der Vergangenheit samt ehemals verhärteter Fronten möglichst auszublenden, um in konstruktiven Gesprächen eine außergerichtliche gütliche Einigung voranzubringen. „Die Problematik wurde bereits intensiv mit der Stadt Kronberg besprochen und es laufen weitere Gespräche zwischen der Stadt Kronberg, der Bauherrin und dem Kreis, um an einer Lösung zu arbeiten“, so die vorliegende Aussage dazu von HTK-Pressesprecherin Andrea Nagell. Baudezernent Jürgen Odszuck zufolge hat der Magistrat bereits im Januar über den vorliegenden Entwurf, der sich den öffentlich-rechtlich zu berücksichtigen Belangen entsprechend verträglich in die Umgebung einfügen soll, befunden. Nun sei die Politik gefordert.
Die Gründe, warum diese Beratungen über die inzwischen einige Aktenordner füllende komplexe Angelegenheit hinter verschlossenen Türen erfolgen, sind naheliegend: Für alle steht einiges auf dem Spiel und ganz offenbar soll nach Abwägung aller Risiken und Nebenwirkungen weiterer Zeitaufwand, finanzielle Belastungen und die Gewissheit, dass der Gang vor Gericht immer mit weiteren Unwägbarkeiten verbunden ist, vermieden werden.
In der Vorlage 5179/2014, die aus genannten Gründen zur Zeit nicht auf der Internetseite der Stadt Kronberg eingesehen werden kann, dürften die auf die Stadt zukommenden Kosten durch eine möglicherweise drohende Prozessniederlage ebenso aufgelistet sein wie finanzielle Auswirkungen des dann zu allem Überfluss auch noch nichtigen Bebauungsplans. Alles in allem sicherlich genügend Beweggründe, um mit der gebotenen Sorgfalt zeitnah eine Entscheidung herbeizuführen.