Kronberg (pu) – „Kronberg ist die Hochburg der Narren – nicht nur an Fassenacht“, rief das einzige aktive Mitglied des Karnevalvereins Jupp Koob (KVJK) scharfzüngig sowohl den Anwesenden im Saal in der Narhalla Kronberger Hof als auch den „Millionen und Aber-Millionen Fernseh-Zuschauern in 80 Ländern der Welt “ zu, die an Fastnacht-Sonntag intellektuelles Programm gewählt hatten.
Bei der Unterhaltung seines Publikums überlässt der ehemalige Lehrer der Altkönigschule nichts dem Zufall: „Wenn etwas schief läuft, ist das voll eingeplant in dieser originellen 28. Prunksitzung.“ Selbstredend übernimmt der Chef dieser einzigartigen Ich-AG sämtliche Parts ob Sitzungspräsident, Hofballett, Protokoller, Stimmungssänger, Prof. Brösel, goldisch Mädche, Sex-Beauftragter der Bundesregierung, Schlabbeschorsch, Owerprimaner und Kronberscher Treppesänger in Personalunion und erwartet auch von seinen Zuschauern ganz nach dem Motto der Musketiere „Einer für alle, alle für einen“ ein gewisses Maß an Einsatzbereitschaft: „Freie mündige Narren sind aufgefordert, mitzusingen, zu schunkeln, selbst aufzupassen wenn es etwas zu lachen gibt, damit sie mangels Band spontan den Narrhalla-Marsch anstimmen.“
Während des zweieinhalbstündigen Fastnachts-Koobaretts „Kronbersch is nu mal Kronbersch“, geht der kritisch-närrische Protokoller-Blick über die Lokalpolitik und heimischen Ereignisse hinaus zu alle Welt bewegende Grundsatzfragen wie beispielsweise den Niedergang der FDP: „Im Jahre 2009 schwamm die FDP auf ihrer ganz großen Welle, am Ende blieb ihr nicht mal Westerwelle.“ Die nach der Fukushima-Katastrophe kurzzeitig in enormen Aufwind befindlichen Grünen hätten sich selbst um die Früchte ihrer Arbeit gebracht, weil „statt Klartext zu verbreiten, reden sie geschwollen und sagen nicht, was sie mit ihrem Veggie-Day wirklich wollen.“
Das Ergebnis dieser mangelhaften Kommunikationspolitik sei daher wenig überraschend, bisher folgten lediglich konservative Katholiken, die sich eh freitags am kostspieligen Fisch laben, der Veggie-Day-Aufforderung – sicher nicht die ursprünglich beabsichtigte neu zu erschließende Wählerschicht der Grünen. CDU, SPD, ADAC kamen angesichts der jüngsten Vorkommnisse ebenso wenig ungeschoren davon wie die prominenten Steuerhinterzieher, wobei Koob bei Letzterem vor allzu großer Schadenfreude warnte, schließlich sei Steuerhinterziehung längst ein Volkssport.
Einmal in Fahrt gekommen, setzte der KVJK-Gründer und Fahnen-Hochhalter als Prof. Brösel noch einen obendrauf. Als Thema hatte er sich „SOS – Wohltat oder Fluch?“ ausgesucht. In diesem Fall handelt es sich nicht etwa um das bekannte Notsignal, sondern frei übersetzt nach Brösel heißt SOS „Sexuelle Orientierung und Selbstbestimmung“. Inspiriert vom durch Fußballer Thomas Hitzlspergers Outing „Ich bin schwul“ ausgelösten Medienhype – Koobs Beobachtungen zufolge wäre angesichts dieser „revolutionären visionären Nachricht“ sogar der Ausbruch des Dritten Weltkriegs zur Randnotiz degradiert worden –, spielte der Professor die ganze Klaviatur der Ironie und überschüttete das Publikum nach allen Regeln der Kunst mit den Auswirkungen dieses Outings. Früher habe noch die Hebamme entschieden, ob Junge oder Mädchen, heute „muss man selbst entscheiden, was man sein will“. Laut „Bild“-Zeitung vom 25. Januar 2014 stünden mittlerweile 16 Geschlechter-Grundtypen zur Auswahl angefangen vom „Herkömmlichen Mann“ und der „Herkömmlichen Frau“ über weibliche und männliche Lesben und Schwule bis zu Asexuellen und Transsexuellen.
Als logische Konsequenz und zur Unterstützung des Prozedere sei demnächst ein von der Bundesregierung in jeden Haushalt versendetes Ankreuzformular zu erwarten und natürlich müsse man sich Gedanken über allen 16 Geschlechter-Typen gerecht werdende Toilettenanlagen machen. Als geschlechter-neutrales „öffentliches Scheißhaus“ bietet sich laut Prof. Brösel geradezu das gute alte französische Steh-Klo wieder an, es kräftige dazu noch die Oberschenkel-Muskulatur.
Doch damit längst nicht genug der nachhaltigen Entscheidungen durch geschlechterbestimmende Selbstinitiative. Künftig müsse sich sogar jeder Mann, der gerne bügelt, kocht oder einkaufen geht die bange Frage stellen, ob er gar zu viel weibliche Hormone besitze, dabei liege, Hormone hin, Hormone her, der Fall doch ganz klar auf der Hand: „Der Haushalt ist viel zu wichtig, als dass man ihn der Frau überlassen könnte…“.
Als frisch berufener Sex-Beauftragter der Bundesregierung hinterfragte Koob die Vorbildfunktion der Politprominenz und Royals im In- und Ausland. Ein einziges Desaster für Deutschland, das im internationalen Vergleich mit anderen Staats- und Regierungschefs beim Thema Sex noch schlechter abschneidet als bei der Pisa-Studie. Allein Italiens Silvio Berlusconi habe mehr Punkte gesammelt als die komplette deutsche Regierung zusammen, daran könnten auch Ex-Kanzler Gerhard Schröders vier Ehen und Ex-Außenminister Joschka Fischers fünf Ehen wenig ändern. Vorbildlich dagegen der frühere US-Präsident Bill Clinton. „Volkstümlich, ein Präsident zum Anfassen, bei Frauen in aller Munde und sie schwärmen daher noch heute vom Oral Office.“ Spaniens Großwildjäger König Juan Carlos, sämtliche französische Staatspräsidenten der letzten Jahre sowie der in wilder Ehe lebende Bundespräsident Joachim Gauck zählten ebenfalls zur Promi-Riege, die kräftig ihr Fett abbekamen.
Kurz vor dem Finale warf Jupp Koob als Schlabbeschorsch noch einen Blick auf seine „liebe“ Nachbarschaft „die Dollbohrer kapieren einfach nicht, dass ich ihnen das Leben schwer machen muss, um sie vor dem Verderben zu retten“ und gab ganz nebenbei Tipps für ein gut funktionierendes Eheleben und die Erziehung der Kinder.
Seinem Anspruch, in der närrischen Zeit ganz bewusst einen Kontrastpunkt zu üblichen locker-flockigen Programm zu setzen, ist Jupp Koob einmal mehr beeindruckend gerecht geworden. Hier eingestreute Zitate von Schopenhauer und Kant, dort bissige Wortspielereien, die zum Denken und Nachsinnen anregen und damit die Entspannung nicht zu kurz kommt, altbekannte Stimmungs- und Schunkellieder, das Hofballett in Person von „Änne-hoch-das-Bein“ sowie Sängerin Kädche, das „Goldisch Mädche“, das auch mit 87 Jahren trotz Fremdsprachenkenntnissen noch immer nicht unter die Haube gebracht werden konnte – ein stimmiger Mix!