In Kronberg bezahlbar und lebenswert wohnen: So kann es gehen

Oberhöchstadt. – Kronbergs Erster Stadtrat Robert Siedler, Kelsterbachs Bürgermeister Manfred Ockel, Michael Henninger, einer der Macher der Ökosiedlung Friedrichsdorf, und Birgit Welter von der Oberurseler Wohngenossenschaft boten im gut gefüllten Dallessaal auf Einladung der Kronberger SPD spannende Einblicke in die Möglichkeiten, heute bezahlbaren Wohnraum herzustellen.

Für wen fehlt in Kronberg bezahlbarer Wohnraum? Wo kann gebaut werden?

Im gesamten Rhein-Main-Gebiet sind die Boden- und Wohnpreise so hoch, dass es sehr schwer ist, kostengünstigen Wohnraum zu bauen und zu vermieten. Es fehlt kostengünstiger Wohnraum für Normalverdiener: Mit einem durchschnittlichen Einkommen sind die Mietpreise in und um Frankfurt nicht mehr zu bezahlen, ohne an anderen Ausgaben massiv zu sparen.

Der Demografiebericht der Bertelsmann Stiftung zeigt: Am notwendigsten ist bezahlbarer Wohnraum in Kronberg: 30- bis 45-Jährige in ihrer beruflichen und familiären Findungsphase. Die meisten Zuzüge nach Kronberg sind Menschen dieser Gruppe, für 70-Jährige, die betreute Wohnformen brauchen, für 18- bis 28-Jährige, die von zu Hause ausziehen oder nach Kronberg ziehen, um hier eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten, sie brauchen kleine Wohnungen.

Kronberg ist gekennzeichnet von sehr vielen Grünflächen, die nicht bebaut werden dürfen und sollen. Es bleiben die städtischen Flächen: Bahnhof Baufeld V, „Altkönigblick“, das derzeitige SGO-Gelände (2 Hektar), der Grüne Weg mit 12 Hektar, von denen es für 8 Hektar bereits einen Bebauungsplan gibt. Hier ist die Stadt nur zu 25 Prozent Eigentümerin. Die Stadt sei also nicht Herrin des Verfahrens, übe aber das Vorkaufsrecht aus. „In der Priorität der Bebauung steht der Grüne Weg weiter hinten, hier wird in der nächsten Zeit noch nicht gebaut“, so der Tenor in der SPD-Veranstaltung.

„Bezahlbarer Wohnraum setzt auch ein gewisses Volumen voraus, sonst ist er nicht wirtschaftlich. Wir müssen Mut haben, größer zu planen, mit mehr Dichte und mehr Ausnutzung von Fläche. Wir brauchen langfristige Bindungen beim Sozialwohnbau, damit die Wohnungen nicht nach 20 Jahren wieder dem Kapitalmarkt zufallen. Die etwa 200 Wohnungen, die der Stadt Kronberg gehören, werden wir behalten“, betonte Erster Stadtrat Robert Siedler (parteilos), und besonders wichtig ist ihm, dass beim Bauen Qualität, städtebauliche und soziale Zielsetzungen vor Rendite kommen.

Konzeptvergabe öffentlicher Grundstücke

Stadt, Politik und Bürger geben die Ziele vor, der Investor muss sie erfüllen. Grundlage hierfür ist der Leitfaden für „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten“, der im Auftrag des hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für das Bundesland Hessen in Zusammenarbeit der Architektenkammer Hessen mit dem Deuschen Städtetag Mitte 2017 erschienen ist. Dieses Steuerungselement für eine sozialgerechte Stadtentwicklung wird in Baden-Württemberg und Hamburg seit Jahren erfolgreich umgesetzt.

Manfred Ockel (SPD), seit zehn Jahren Bürgermeister von Kelsterbach, stellte die Konzeptvergabe beziehungsweise das wettbewerbliche Dialogverfahren vor. Die Konzeptvergabe ist eine vorweggenommene Verhandlung vom Entwurf bis zur Realisierung, bei der die planerisch beste Lösung umgesetzt wird. Von der öffentlichen Hand werden – in Kelsterbach unterstützt von einem Beirat aus Politik und Sachverständigen – städtebauliche Zielvorgaben erstellt, die vom Investor zu erfüllen sind.

Die Kriterien für die Zielvorgabe sind: städtebauliche und architektonische Qualität und Funktionalität des Quartiers, energetische und wirtschaftliche Kriterien sowie der Anteil an gefördertem Wohnraum und alternativen Wohnraumkonzepten. Es muss also ein klares Konzept über die Struktur und den Zweck des Projekts bestehen, das im Laufe des Verfahrens nicht mehr geändert werden kann. Als Bewerber eignen sich Wohnungsbaugesellschaften, die den Wohnungsbestand langfristig halten. Das Verfahren setzt einen intensiven Dialog zwischen Investor, Fachleuten und den Bürgern voraus. Aus den Kelsterbacher Erfahrungen ließen sich folgende Handelsempfehlungen gewinnen: Kommunale Grundstücke sollten nicht zum Höchstgebot verkauft werden, öffentliche und private Grundstücke müssen zusammengefasst werden, Information und Beteiligung der Öffentlichkeit sind notwendig, gewerbliche Nutzungsmöglichkeiten müssen festgeschrieben werden, eine frühzeitige Beteiligung der Kommunalpolitik ist erforderlich, es soll so gebaut werden, wie es der eigentliche Entwurf vorsah, der Markt für Investoren ist über Ausschreibungen zu sondieren und der Verkauf der Grundstücke ist rechtssicher abzuschließen.

Die Ökosiedlung Friedrichsdorf

Auch die Ökosiedlung Friedrichsdorf ist mit einem Konzeptvergabeverfahren entstanden. Michael Henninger von der Frank Heimbau Main/Taunus stellte Verfahren vor: Dort werden auf sieben Hektar 350 Wohneinheiten mit Infrastruktur wie Kita, Lebensmittel-Einzelhändler, Nachbarschaftstreff und vieles mehr entstehen, in denen zunächst ca. 750 Menschen leben werden.

Was Wohnen teuer macht und bei der Schaffung preiswerten Wohnraums immer ein Problem darstellt, sind PKW-Stellplätze (ca. 20.000 Euro pro Stellplatz), Aufzüge (Unterhaltskosten je 3.000 Euro/Jahr) und anspruchsvolle Energiestandards.

Genossenschaften und ihre Rahmenbedingungen für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

„Unsere Genossenschaft wurde in der Zeit der Industrialisierung gegründet, als viele junge Menschen und Familien nach Oberursel zogen – eine Parallele zu heute“, begann Birgit Welter von der Oberurseler Wohnungsgenossenschaft OWG ihre Vorstellung der Konzeptstudie für den Neubau in der Friedensstraße. Wohnungsbaugenossenschaften wie diese finanzieren sich über den Verkauf von Anteilen, die der Gesellschaft dann als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Sie sind keinem Anteilseigner verpflichtet und daher nicht mit hohen Renditeerwartungen konfrontiert. Bei der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum müssen die Grundstücks- und Baukosten natürlich dennoch unter Kontrolle bleiben.

Die Durchschnittsmiete in den Objekten der OWG beträgt 6,06 Euro, verglichen mit 10,50 Euro in Oberursel und 11 Euro in Kronberg. Rund 40 Prozent der Einnahmen investiert die Genossenschaft in die Modernisierung ihrer Wohnungen.

Wohnen ist ein Grundrecht, erklärte Robert Siedler nach dem Vortrag. Daraus ergebe sich die Verpflichtung der Stadt, kostengünstigen Wohnraum bereitzustellen. Wenn nicht Preis- oder Renditeerwartungen im Mittelpunkt stehen würden, sei es ein gutes Instrument, städtebauliche und kommunalpolitische Zielvorstellungen umzusetzen. Das Fazit SPD: „Wir wollen mit unseren Koalitionspartnern, aber auch auf breiter politischer wie gesellschaftlicher Basis, diese Möglichkeit der Stadtentwicklungssteuerung mit seinen Chancen, dem Für und Wider, offen diskutieren und das ,Beste‘ für Kronberg herausarbeiten.“ Und die Moderatorin des Abends, die SPD-Stadtverordnete Andrea Poerschke dazu: „Wir brauchen den offenen Blick, um die neuen Gestaltungsmöglichkeiten und die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen zu nutzen und dadurch öffentlichen Grund nachhaltig und sozialgerecht, für möglichst viele Bevölkerungsgruppen, zu entwickeln.“ (mw)



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