Kronberger Schreibstube bietet Literatur auf hohem Niveau zu Veranstaltungsauftakt in der Bücherstube

Vielseitig, inspirierend und vor allem lustig geht es unter den Mitgliedern der „Kronberger Schreibstube“ zu. Dirk Sackis aus der „Bücherstube“ hatte auf die richtigen Leute, ihre Geschichten und Gedichte für seine Auftaktveranstaltung 2017, gesetzt. Foto: Rinno

Kronberg (kr/mw) – Die Bücherstube Kronberg holte sich zum Jahresauftakt ihrer Lesungen diesmal Nachbarn ins Haus. Die Autorengruppe „Kronberger Schreibstube“, deren Mitglieder seit über zehn Jahren in den Räumlichkeiten der Receptur miteinander schreiben, bot in der vergangenen Woche in der rappelvollen Bücherstube ein vielfältiges Programm aus dem Repertoire ihres Schaffens. „Literarisches Durcheinander“ nannten sie es. Doch alles Gelesene einte Qualität und Tiefgang, Zwischenzeiliges in nachdenklichen genauso wie in sehr unterhaltsamen Geschichten, Märchen und Gedichten. „Alles, was ich von meinen wunderbaren Gästen mitbekommen habe, hat mir besser gefallen als manches von dem, was ich verkaufe“, machte der Inhaber der Bücherstube Dirk Sackis auf die meist unbekannten Texte neugierig. Tatsächlich hatte der erste Lesende, Dietrich Oetzen, die Zuhörer sogleich ganz nah am Text, wenn er in seinem Limerick „Liebe eines Schalterschrankes“ an Stellen pausierte und das Publikum für ihn die Sätze unter Gelächter heiter beendete. Doch es ging auch etwas leiser, langsamer und auch mal ernster zu. Als die mindestens im Taunus bekannte Autorin Uta Franck eines ihrer modernen Märchen „Im Netz“ las, loderte ein Bangen und Hoffen ob des Endes über den Verführten, die Verführerin und die Wartende unter den Zuhörern auf. Einige erwarben in der Pause gleich den gesamten Band „Sieben Tage, sieben Nächte“, um ihn vor Ort noch signieren zu lassen. Um Könige, Königinnen und Prinzen fast wie im Märchen ging es in „Die Mätresse“ von Ulrike Beilstein, gelesen von Cornelius Zimmermann. Doch gar nicht märchenhaft endete diese durchaus in der Historie real vorstellbare Geschichte aus der Perspektive einer hoffenden, gebärenden, dann doch irgendwie betrogenen Geliebten des Königs. Ursula Uhde, leider erkrankt, ließ „Frühe Schuld“ ebenfalls von Mitstreiter Cornelius Zimmermann lesen, der dafür in die Rolle eines sechsjährigen Mädchens schlüpfte, die noch nackte blinde Kätzchen anfasst und so eventuell die Katzenmutter verscheucht hat? Ebenfalls nicht gar so weit vom Heute entfernt sagte der Ich-Erzähler im metapherreichen „Heizungskeller“: „Ich bin ein ganz junger Junge, weigere mich aber, mein Alter anzugeben, weil ich es nicht weiß.“ Den Feuertod fünf kleiner Mäuschen nimmt er am Ende „schrecklich symbolisch“ und bis zum Ende waren die Zuhörer mit ihm vor Ort im atmosphärisch dicht beschriebenen Heizungskeller von C. Zimmermann. Der nicht mit ihm verwandte Wolfgang Zimmermann schickte die Zuhörer von „Ost-“ nach „Westdeutschland“ auf einem roten Roller; ließ sie Abenteuer, Freiheit und Limo genießen, bis die Zeit des Gymnasiums begann. In der präzisen knappen Geschichte brach die Traurigkeit unmerklich und dennoch unwiderruflich über die Zuhörer herein. In „Die Begegnung“ von Gerti Kurth treffen sich des Nachts zwei Schulkameraden nach Jahrzehnten gelebten Lebens auf der Straße wieder. Doch ehe sie einander erkennen, vergehen einige Gedanken. Hier endlich ein Happy End, nach vorherigen tragischen Ereignissen. Fremd blieben sich die Figuren in „Die Geisha“ von Christa Köhler. Sie hatte die Zuhörer auf Geschäftsreise nach Japan entsandt, wo es mehr als kleine Missverständnisse gab. Innerhalb Deutschlands war man mit dem „Koffer“ im Zug von Hamburg nach Frankfurt in Wolfgang Zimmermanns Erzählung unterwegs. Dabei ging es gar nicht lustig zu, obwohl die Menschen in der Geschichte sowie in der Bücherstube am Ende lachten. Lachen konnte man auf jeden Fall gemeinsam mit Uhdes „Galina“, die wiederum Cornelius Zimmermann fast szenisch in die Bücherstube holte. Das Publikum frönte gemeinsam mit Galina dem „Gallo Bianco“, litt mit ihr, verzehrte sich. Eine lustige Verwechslungsgeschichte, die Mitleid bald in Humor umschlagen ließ, war „Mario wird vermisst“ von Oetzen. Diese vielseitigen Erzählungen ergänzten die Autoren mit Gedichten. Kurth hatte sich der Nationalhymnen angenommen und resümierte „Brüderlich mit Herz und Hand ... Ich sag nur: Armes Vaterland“. Von verschmitzter Verliebtheit zeugte das kraftvoll schöne, an manchen Stellen fast experimentelle „Gesichtgedicht“ von C. Zimmermann. Das Publikum hing an seinen Lippen, um keinen Gedankengang des Verliebten zu verpassen. „Der Pilger“ von Ulrike Beilstein las Uta Franck gleich zweimal vor, nachdem viele Zuhörer spontan „sehr schön“ hauchten. „Und zwischen Kopf und Fuss sind Fragen“, denen die Zuhörer an dieser Stelle wohl selbst ein wenig nachspüren wollten. Ausnahmslos lustig beschloss die Kronbergerin Kurth mit „Du bist mein Leibgericht“ die Lesung. Das literarisch sehr abwechslungsreiche, emotional anrührende Programm wurde von den jungen Musikerinnen Sofia Montalbetti, Lina Achenbach und Scarlett Kosir mit Falksongs auf der Klarinette stimmungsvoll untermalt, wofür sie nach jedem ihrer drei Auftritte gewaltigen Applaus ernteten.

Und wie hatte Franck die Zusammenarbeit der Autorengruppe vorgestellt? „Wir geben uns Anregungen, manchmal diffus. Fast assoziativ schreiben wir. Auf jeden Fall fahren wir nach dem Vorlesen stets beschwingt nach Hause.“ So erging es wohl auch den circa 45 Zuhörern, die in der letzten Woche den Texten der „Kronberger Schreibstube“ lauschten.

Dirk Sackis hatte eine gute Wahl getroffen, mit diesen zumeist eher unbekannten Autoren die Veranstaltungsreihe 2017 in der Bücherstube zu eröffnen.

So jung wie das Jahr noch sein mag und manche noch im Winterschlaf, der Inhaber der Kronberger Bücherstube in der Friedrich-Ebert-Straße sprüht bereits vor Tatendrang. Das ist auch nicht verwunderlich, wurde der Buchhandlung doch gerade zum dritten Mal in Folge das „Gütesiegel Leseförderung“ vom Land Hessen verliehen. „Buchhandlungen mit gutem Kinder- und Jugendbuchsortiment, die sich darüber hinaus mit vielfältigen Aktivitäten für die Leseförderung engagieren – insbesondere in Kooperation mit Schulen und Kindergärten – können sich um das Gütesiegel ,Anerkannter Lesepartner‘ bewerben. Umtriebig, wie Dirk Sackis ist, hatte er nicht nur Kinderlesungen angeboten, sondern auch Schulklassen und Kindergartengruppen eingeladen, und ihnen den die Arbeit eines Buchhändlers erklärt. Längst sorgt er mit seinem vielseitigem Programm mit für ein breit gefächertes Kulturangebot in Kronberg. Das sei in Kooperation mit anderen Institutionen durchaus noch ausbaufähig, findet er und freut sich schon auf einige Wochenendveranstaltungen im Hof hinter der Kronberger Bücherstube zu den Kronberger Märkten. Auf folgende Lesungen dürfen sich die Gäste aus Kronberg und Umgebung schon heute freuen und als Termin in ihrem Kalender sogleich vormerken: 23. Februar: „Und auf einmal steht es neben Dir...”, Poetisches von Mascha Kaléko und Joachim Ringelnatz, vorgetragen von Brigitta Hermann und Erwin Stämmler, 14. März: „Die Dame mit den Bernsteinaugen“, Lesung mit Dieter Bauer, 27. April: „Zu Ende ist nichts“, Lesung mit Dieter D. Seuthe und 17. Mai: „Schatten“ Lesung mit Ursula Poznanski.



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