Ein Ostwestfale blickt zurück: Bernd Gieseking gastiert beim Kulturkreis

Bernd Gieseking bei seinem Jahresrückblick in den Lichtspielen Foto: Pfeifer

Kronberg (pit) – Seit 24 Jahren gibt es den kabarettistischen Jahresrückblick von Bernd Gieseking und dieses Jahr gastierte der gebürtige Mindener mit seiner eigenwilligen Art, das politische und gesellschaftliche Leben der vergangenen zwölf Monate aufs Korn zu nehmen, das erste Mal in Kronberg. Seine Anerkennung galt jedoch zunächst den Kronbergern: „Ihr habt hier eine schöne Atmosphäre“, urteilte der Wahl-Dortmunder mit Blick auf den Zuschauerraum des Kinos, in dem er auf Einladung des Kulturkreises auftrat.

Noch bevor er sich mit seinen Nachbetrachtungen dann in medias res begab, rüffelte Gieseking mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen parteiübergreifend die Amts- und Mandatsträger: „Die Politik ist kein zuverlässiger Partner für uns.“ Zu viel Hin und Her und plötzliche Einigungen seien (nicht nur) für Kabarettisten wie ihn recht mühselig. Daher widmete er sich zunächst mal „den Menschen, die seit Jahrzehnten vorkommen“. Für Lacher sorgte dabei zum Beispiel ein Lothar Matthäus-Zitat und „Maggi“ als „Helene Fischer der Ernährungswelt“.

Kreuz und quer und immer heiter weiter ging es bei „Ab dafür“ – so der immer gleiche Titel von Giesekings Jahresrückblicken –, dem „Abend ohne Chronologie“. So fragte Bernd Gieseking fröhlich in die Runde: „Haben wir in Deutschland eigentlich einen Diktator?“ Im Grunde eine rein rhetorische Frage, denn der Antwort spürte der 59-Jährige gleich selbst nach. Da fielen Namen wie Söder, Gauland oder Kohl, als skrupellose Wirtschaftsmanager nahm er Zetsche von Mercedes Benz oder Piëch von VW ins Visier. Dann aber Giesekings Resultat: „Wir haben nur einen: Gerd Schröder!“ Denn dem sei ganz egal, was man über ihn spreche und obendrein sei er eine Art Harrison Ford: „Der färbt sich auch nicht die Haare.“ Eine Aussage, die mit viel Gelächter quittiert wurde.

Zur Sprache kamen ebenfalls Abschiede wie der von Hannes Wader, der dieses Jahr seinen Bühnenabschied bekannt gab, von Bahnchef Grube oder Philipp Lahm. Unter dieser Zwischenüberschrift erinnerte Gieseking gleichzeitig an Erika Steinbach: „Die war schon in der AfD, als es die noch gar nicht gab.“ So richtig trauern wollte er in diesem Zusammenhang jedoch offenbar lediglich um Norbert Lammert, der einen Superjob gemacht habe: „Er war der Domestizierungseffekt des Parlaments.“ Erwähnung fanden auch Deniz Yücel, Tom Königs, Christian Lindner als Coverboy der FDP und Christian Ströbele: „Er ist der erste Grüne, der ein Direktmandat gewonnen hat.“

Die endgültigen Abschiede kamen dann auch zur Sprache: Chuck Berry und Joy Fleming. Darüber hinaus erinnerte Bernd Gieseking an die Todestage von Benno Ohnesorg, Che Guevara und Buffalo Bill. Gleichzeitig blieben die 70. Geburtstage von Iggy Pop und Rolf Zuckowski nicht unerwähnt.

Für reichlich Amüsement sorgten an dieser Stelle auch Giesekings Erinnerungen an den 500. Reformationstag 2017, an die Playmobil-Figuren, die Luther darstellten, und die Socken mit der Aufschrift „Hier stehe ich und kann nicht anders“. Vorbei kam er auch nicht an 100 Jahren Finnland, da er zu diesem skandinavischen Land eine ganz persönliche Beziehung und darüber bereits zwei Bücher geschrieben hat.

Fehlen durften bei allen Themenwechseln zwischendurch nicht die Szenen aus seiner Heimat – ob nun die der Geburt oder die gewählte. Vor allem aber Ostwestfalen: „Von uns weiß man, dass wir nichts weitersagen“, feixte Bernd Gieseking und spielte imaginäre Telefonate nach, die er unter anderem mit Kim Jong-un oder Donald Trump – „der ist nicht steigerbar“ – geführt habe.

Und zu guter Letzt die Feststellung: „Ich musste auf die Tube drücken, doch selbstverständlich bleiben Lücken.“ Schließlich sei 2017 wieder ein besonders ereignisreiches Jahr gewesen, bei dem Gieseking unter vielen anderen Menschen einen noch hervorhob: Martin Schulz als „ein Schicksal in Deutschland“. „Er hat den großen Fehler begangen, Kanzlerkandidat zu werden“, urteilte der ehemalige Wahl-Kölner.



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