Palliativ- und Hospizversorgung für ein würdiges „Leben im Sterben“

Kronberg (pu) – Der Wunsch Schwerstkranker und Sterbender, die letzte Lebensphase in Würde und liebevoll betreut möglichst zu Hause zu erleben, ist keinesfalls neu. Dennoch fristete dieses Thema lange Zeit ein Schattendasein. Erst seit etwa 25 Jahren gewinnt hospizliche und palliative Versorgung zunehmend an Bedeutung. Im September jährt sich der Tag der Veröffentlichung der von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), dem Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verband (DHPV) und der Bundesärztekammer getragenen und von der Robert-Bosch-Stiftung und der Deutschen Krebshilfe unterstützten „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ zum fünften Mal. Die fünf Leitsätze dieser Vereinbarung umfassen Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, um die Situation in Deutschland kontinuierlich zu verbessern.

Hochtaunuskreis tritt Charta bei

In diesem September wollen nun auch die Städte und Gemeinden des Hochtaunuskreises und der Landkreis selbst der Charta beitreten und damit einen weiteren Meilenstein setzen. Vor diesem Hintergrund finden im Kreisgebiet eine Reihe von Veranstaltungen statt, die dieses Projekt stärker in den Köpfen der Bevölkerung verankern und anregen sollen, für den eigenen Notfall und den der Angehörigen frühzeitig vorzusorgen. Im Verlauf des Kronberger Gesundheitstags (siehe weiteren Bericht in dieser Ausgabe) bot die Podiumsdiskussion „Informationen zur palliativen und hospizlichen Versorgung in Kronberg“ einen groben Überblick über das derzeit verfügbare Angebot. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit, ganz offen Fragen zu diesem Thema, das früher oder später jeden betreffen kann, zu stellen. Moderiert wurde diese auf großes Interesse stoßende Veranstaltung von Bürgermeister Klaus Temmen.

Mit Dr. Robert Gaertner, Facharzt für Palliativmedizin und Geschäftsführer des Palliativteams Hochtaunus, Internist Dr. Gerhard Clasen, Cornelia Jung, Koordinatorin der Ambulanten Hospizgruppe Betesda der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg und Steinbach, Astrid Piesker ( Leiterin des Oberurseler Hospizes St. Barbara) sowie Fridtjof Biging, Pflegeberater an der Palliativstation der Hochtaunuskliniken Bad Homburg hatte geballte Kompetenz Platz auf dem Podium genommen.

Wie Temmen einleitend erläuterte, „kann das Spannungsfeld zwischen pflegerischen, medizinischen und psychologischen Anforderungen durch die Entwicklungen in der Hospizbewegung und der palliativen Versorgung für die Betroffenen in vielen Fällen gut gelöst werden“.

Verändertes Aufgabenfeld

Eine wichtige Rolle als erste Ansprechpartner spielen die Haus- und Krankenhausärzte. Dr. Gerhard Clasen berichtete in diesem Zusammenhang von der erfolgten Veränderung des Aufgabenfeldes. „Früher bestand die Hauptaufgabe des Arztes darin, den Menschen zu heilen. Trat eine lebensbedrohliche, nicht heilbare Erkrankung auf, mussten sich Patient und Angehörige in der Regel mit der Aussage zufrieden geben, dass man nichts mehr machen kann.“

Diese Zeiten gehören glücklicherweise der Vergangenheit an. Aktive Sterbehilfe sei in Deutschland zwar nach wie vor tabu, sobald jedoch eine entsprechende Verfügung vorliege, dass im letzten Stadium die ganze Maschinerie lebenserhaltender Maßnahmen unterlassen werden soll, dürften die Ärzte diesem Wunsch Folge leisten.

Darüber hinaus gäbe es eine Reihe von Hilfestellungen. „Wir können inzwischen helfen, das verbleibende Leben würdig zu gestalten ohne Schmerzen und Ängste und mit persönlicher und psychologischer Betreuung.“ Falls die Betreuung durch Angehörige und den Hausarzt nicht mehr ausreicht, können sich Betroffene beispielsweise an das spezialisierte ambulante Palliativteam Hochtaunus wenden, das Schwerkranke und Sterbende rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche zu Hause, im Pflegeheim oder im Hospiz dabei unterstützt, Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und ungewollte Krankenhauseinweisungen zu verhindern. Mit Rat und Tat zur Seite stehen auch die ambulanten Hospizdienste wie Betesda. „Wir wollen möglichst viel Lebensqualität sichern, unsere mittlerweile 21 ehrenamtlichen Hospizhelferinnen schenken Zeit zum Zuhören, Vorlesen und Gedankenaustausch. Ohne diese Helfer könnten wir diese Aufgabe nicht meistern“, erläuterte Cornelia Jung. Von elementarer Wichtigkeit sei allerdings, dass die Menschen sich möglichst vorher Gedanken machen, wie sie den Weg gehen wollen. „Betroffene und Angehörige müssen wissen, was sie möchten, falls Situationen auftreten, die ein Nachfragen beim Betroffenen gänzlich unmöglich machen.“

In diesem Zusammenhang erinnerte Dr. Gerhard Clasen an die Notwendigkeit vorliegender Patientenverfügungen und -testamente. „Am besten deponieren Sie ein beglaubigtes Exemplar beim Hausarzt und einen Durchlag bei der Familie, um auf der sicheren Seite zu sein.“ Hemmschwellen und Berührungsängste versuchten außerdem Astrid Piesker und Fridtjof Biging abzubauen. „Wir sehen uns als Zuhause für Menschen, die zu Hause nicht so begleitet werden können wie gewünscht. Unsere Bewohner bezeichnen und behandeln wir ganz bewusst als selbstbestimmte Gäste, Angehörige werden bei uns bei Bedarf mitbetreut, es besteht jederzeit die Möglichkeit ein Zusatzbett mit ins Zimmer zu stellen“, informierte die Leiterin des Oberurseler Hospizes. Ihr Kollege von der Palliativstation in den Hochtaunuskliniken zeichnete ein Bild, das so gar nicht dem gängigen Schreckgespenst „Sterbestation“ entsprach. „Uns sind sämtliche Vorurteile und Ängste natürlich bekannt. Wir versuchen diese abzubauen, indem wir die Patienten wortwörtlich an die Hand nehmen. Unsere Station ist geprägt von einer ruhigen, wohnlichen Atmosphäre, zu unserem multi-professionellen Team zählen Pfleger, Ärzte, Krankengymnasten, Ernährungsberater und Seelsorger.“ Die Aufenthaltsdauer auf der Palliativstation betrage in der Regel 14 Tage.

Mit dem Thema auseinandersetzen

Im Anschluss an die Ausführungen nutzen einige Zuhörer die Gelegenheit für Fragen und eigene Erfahrungsberichte. Dabei wurde deutlich, es bestehen zahlreiche Unsicherheiten, sei es beim Ausfüllen der entsprechenden Formulare und Verfügungen, der Suche nach Ansprechpartnern oder vielem mehr. Viele Menschen quält die Sorge, ob sie im Ernstfall ihren Angehörigen diese Belastung zumuten können oder überhaupt wollen. Das Expertenteam und Bürgermeister Klaus Temmen gaben den Zuhörern abschließend mit auf den Weg, das Thema offen in der Familie anzusprechen und sich bei weiterem Beratungs- und Klärungsbedarf an die zur Verfügung stehenden Ansprechpartner zu wenden.



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