Kronberg (mw) – „Grexit ja oder nein?“, das war das Thema der FDP-Podiumsveranstaltung mit Frank Scheffler, Mitglied des Deutschen Bundestages von 2004 bis 2013 und Autor des 2014 erschienenen Buches „Nicht mit unserem Geld“. Mit ihm auf dem Podium in der Zehntscheune diskutierte FDP-Mitglied (und Kandidat zum MdEP), Eurobefürworter Walther Leisler Kiep Jr.. Durch die Veranstaltung führte der Vorsitzende der FDP Kronberg, Holger Grupe.
Das Bild, dass Referent Frank Scheffler malte, der bekannt wurde, als er im Mai 2010 die von der CDU/CSU und FDP eingebrachte Griechenland-Hilfe ablehnte, überzeugte die das Gros des Publikums: Für Scheffler ist Griechenland nur die „Spitze des Eisbergs“. Er sieht die europäische Idee längst zerstört, denn, genauer betrachtet, lägen bereits Spanien, Portugal, als auch Teile Frankreichs ökonomisch darnieder. „Die Erfolgsgeschichte rund um den Euro, die gewoben wurde, die stimmt nicht“, davon ist Frank Scheffler überzeugt. Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Staaten könne nicht funktionieren. „Jeder der wirtschaftlich agiert, darf nicht nur die Rosinen picken, sondern muss auch das Risiko tragen und die wirtschaftliche Haftung übernehmen“, betonte der Buchautor und ehemalige Bundestagsabgeordnete. „Das ist das tragende Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, wenn wir es außer Kraft setzen, landen wir letztendlich in einer staatlichen Planwirtschaft!“
Derzeit würden nicht Gläubiger und Banken haften, nicht Individuen oder der Staat tragen die Verantwortung, sondern sie werde vom Superstaat Europaunion kollektiviert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi sehen laut Scheffler als Lösung der wirtschaftlichen Krise mehr Zentralismus. „Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall, wir brauchen mehr Individualisierung“, erklärte Scheffler. Dazu gehört für ihn auch die Möglichkeit als Land, den Euro-Club wieder verlassen zu können, wenn man wie Griechenland die Solidarität der anderen missbraucht hat. „Griechenland hat mit falschen Zahlen hantiert, hat Hilfe erfahren und erpresst nun die Staatengemeinschaft“, bringt er es kurz und knapp auf den Punkt. „Und dennoch bleibt Griechenland weiter in der EU“, lautet seine Prognose. Und das stände nicht erst seit gestern fest. Mit aller Macht wolle die CDU als auch der EZB-Chef verhindern, dass die von ihnen erzählte Euro-Erfolgsgeschichte zusammenstürze. Gegen Geldzahlung werde es ein paar Auflagen geben, werden ein paar Steuern eingeführt, die sowieso keiner zahlt und auf diese Weise würde der Schein gewahrt werden. „Eigentlich ist es eine Komödie, deren Ende schon fest steht“, kündigt er an. „Es wird sich weiter bedient. Und die EZB macht den Zins kaputt und vernichtet so das Sparvermögen aller!“ Der Preis für einen solchen „Superstaat“ sei hoch: „Ein weicher Euro, der unsere Marktwirtschaft zerstört.“
Walter Leisler Kiep Jr., der gegen den sogenannten „Grexit“ ist, gab zu, dass wohl keiner die Patentlösung hat: „Es ist ein so hochkomplexes Thema, da gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“, deshalb sei es wichtig und gut, dass das Thema, von den Liberalen so offen und kontrovers diskutiert werde. Als die Politiker seinerzeit entschieden hätten, Griechenland in die EU aufzunehmen, habe sich keiner die Größenordnung vorstellen können, die das Thema jetzt angenommen hat. Trotzdem sei Europa als festes Gebilde nur zu entwickeln, wenn alle daran glauben würden. „Eine Gesundung Griechenlands ist tatsächlich nur durch eine Reform an Haupt und Gliedern denkbar“, erklärte Kiep, der die Schieflage Griechenlands, als auch die „absurde Diskussion“, die die Politik seit Wochen mit Griechenland führt, in aller Ausführlichkeit auch anhand von Zahlen und Fakten Revue passieren ließ. Auf keinen Fall könne zugelassen werden, dass Griechenland neue Schulden mache, um seine alten Schulden zu bezahlen. Seit März 2010 hatten die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) in 23 Tranchen 206,9 Milliarden Euro für die sogenannte „Griechenland-Rettung“ eingesetzt. Recherchen von Attac zufolge lassen sich 77 Prozent der Hilfsgelder direkt oder indirekt dem Finanzsektor zuordnen, führte Kiep aus. Es sei allein humanitäre Hilfe zu leisten, wo notwendig und Mittel könnten projektbezogen dem griechischen Mittelstand zur Verfügung gestellt werden. „Europa kann sich aber diese Dauerkrisen nicht leisten“, so Kiep, der mit Scheffler um die Gefahr eines schwachen Euro weiß. „Ich würde sogar sagen, er ist eine gefährliche Droge.“ Denn was viele übersehen, sei die Tatsache, dass die Altersversorgung der Menschen in Gefahr ist, als auch die Gefahr der möglicherweise zurückgehenden Konkurrenzfähigkeit insbesondere der deutschen Wirtschaft als Motor Europas. Die deutsche Industrie könnte durch eine billige Währung an Produktivität einbüßen. „Auf Dauer führt das dazu, dass die Importe in den EU-Raum immer teurer werden. Den Apple Computer wird sich ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr leisten können“, beschrieb er das düstere Szenario.
Nichtsdestotrotz sieht er die Lösung bei den Europa-Politikern. „Sie sollten endlich eine klare europäische Perspektive für die nächsten zehn Jahre entwickeln“, fordert er. „Und Griechenland wird nicht um eine Kapitalverkehrskontrolle so wie in Zypern herumkommen, das heißt Überweisungen oder Abhebungen von Konten müssen auf den täglichen Bedarf reduziert werden.“ Wenn man Griechenland keine neuen Schulden machen lässt, „gibt es aus meiner Sicht auch keine Ansteckungsgefahr für andere Länder.“ Statt einer „absurden Energiewende“, der Maut und ähnlichen „bahnbrechenden Projekten in Deutschland, sollte die Bundeskanzlerin lieber neue attraktive Perspektiven für Europa entwickeln“. „Raus aus dem Bürokratiemonster und Konzentration auf die wirklich europäischen Themen“, fordert Kiep. Welche das genau sein könnten, wurde an diesem Diskussionsabend jedoch nicht klar, abgesehen von der Forderung nach einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: „Wir brauchen beispielsweise eine Europaarmee.“ Die anschließende Diskussionsrunde konnte hier auch kein Licht ins Dunkel bringen. „Wir müssen unser bestehendes Recht durchsetzen, es muss einen Ausschluss aus der EU geben können“, untermauerte Scheffler noch einmal seine Standpunkt. Wie groß die Auswirkungen auf Europa in diesem Fall des Grexits wären, lässt sich nur schwer überblicken, für Scheffler ist das jedoch das kleinere Übel: Es sei allemal besser, die Auswirkungen eines Ausschlusses jetzt mit einem kleineren Land wie Griechenland sozusagen noch an der „Peripherie“ der Euro-Zone zu testen, als darauf zu warten, dass die Finanzpleite in einem Land wie Spanien oder Frankreich ankommt.