Kronberg (war) – Man nehme ein kompetentes Historikerehepaar und ein professionelles Küchenteam und mische die beiden Komponenten wohldosiert. Heraus kommt dabei das beliebte Victoria-Dinner mit seiner einmaligen Kombination aus Geschichtsfakten und Kulinarik. Kürzlich luden das Historikerehepaar Dr. Astrid und Dr. Rüdiger Jacobs von der Agentur Kultur-Erlebnis zu ihrer neunten Dinner-Folge ins Schlosshotel ein. Dieses Mal standen die verwandtschaftlichen Beziehungen von Victoria Kaiserin Friedrich mit anderen europäischen Fürstenhäusern im Fokus. Eingangs ging Rüdiger Jacobs auf die britische Herkunft der Kaiserin ein: „Victorias englische Verwurzelung zeigte sich besonders in der tiefen Verehrung ihrer Eltern. Insbesondere ihrem Vater, dem aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha stammenden Prince Albert stand sie besonders nahe. Dieser legte größten Wert auf eine umfassende Erziehung seiner hochbegabten Tochter. Seine Absicht war es, den in England herrschenden Liberalismus, der das Land im 19. Jahrhundert so erfolgreich werden ließ, über seine Tochter auch in seinem Vaterland Deutschland zu verbreiten. Alberts Vision war, dass sich die vielen, oftmals miteinander zerstrittenen deutschen Kleinstaaten unter preußischer Führung zu einer parlamentarischen Monarchie zusammentun sollten, um so einem potenten Bündnispartner für Großbritannien abzugeben.“ Der Plan schien zunächst aufzugehen, denn Victoria heiratete mit Friedrich Wilhelm den preußischen Thronerben. Auch dessen Eltern, der spätere Kaiser Wilhelm I. mit seiner Frau Augusta, erhofften sich durch diese britisch-preußische Liaison eine Stärkung Preußens gegenüber Russland. Es schien sogar eine echte Liebesheirat bei den Beiden zu sein. Was wollte man mehr? Folglich wurde den Gästen nach den einführenden Worten leckeres Roastbeef serviert, das Jörg Lawerenz, der Chefkoch des Schlosshotels, mit englischer Senfsauce garniert hatte. Nach der Hochzeit im Jahr 1858 zog Victoria hoffnungsvoll zu ihrem Mann nach Berlin, um den Plan ihres Vaters dort umzusetzen. Doch schon bald stieß sie dort auf erheblichen Widerstand. „Ihre liberal-englischen Ideen, die sie mit Verve am konservativ preußischen Hof vertrat, kamen an der Spree gar nicht gut an“, so Astrid Jacobs. Gerade in Reichskanzler Otto von Bismarck hatte das Kronprinzenehepaar einen übermächtigen Widersacher. Victorias Mission war somit letztlich zum Scheitern verurteilt. Auch ihr Mann, der sich anfangs bei seinem Schwiegervater über die reaktionäre Stimmung am Berliner Hof beklagte, wurde mehr und mehr kaltgestellt. Als er schließlich 1888 sterbenskrank für nur 99-Tage als Kaiser Friedrich III die Regierungsgeschäfte ausübte, konnte er kaum noch etwas bewirken. Nach seinem Tod verließ Victoria nunmehr als Kaiserwitwe bitter enttäuscht und frustriert Berlin, um ab 1894 dauerhaft auf ihrem Kronberger Ruhesitz, dem heutigen Schlosshotel, zu leben. Mit dieser eher schweren historischen Kost korrespondierte der am preußischen Königshof beliebte Räucheraal in Kombination mit gekühlter roter Bete und Sauerrahm sehr gut.
In einem weiteren Schwerpunkt des kurzweiligen und sehr anregenden Abends befasste sich das Historikerehepaar mit der Verbindung des Hauses Hessen zu Italien und Finnland. So wurde die 1954 in Kronberg verstorbene Landgräfin Margarethe von Hessen als jüngste Tochter von Kaiserin Friedrich nach ihrer italienischen Taufpatin, Königin Margherita von Italien, benannt. Königin Margheritas Enkelin, Mafalda von Savoyen, wiederum heiratete mit Philipp von Hessen einen Enkel von Kaiserin Friedrich. Dessen ältester Sohn Moritz, der 2013 verstorbene Landgraf von Hessen und Vater des jetzigen Landgrafen Donatus, wurde in Rom geboren. Sensorisch untermauert wurde der Ausflug nach Bella Italia mit einem Sorbet von sizilianischen Zitronen und Cantuccini-Gebäck. Astrid Jacobs lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums dann zu guter Letzt auf Finnland: „Margarethes Mann, Landgraf Friedrich-Karl von Hessen, war Ende des Jahres 1918 nominell für zwei Monate sogar König von Finnland, ohne jemals dessen Thron bestiegen zu haben. Dank deutscher Militärhilfe konnten die Finnen 1917 das 100 Jahre andauernde russische Joch während des ersten Weltkriegs endlich abschütteln. Bei der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt fiel die Wahl der finnischen monarchistischen Partei unter etwas dubiosen Umständen auf den Hessen.“ Da die Siegermächte aber einen deutschen Fürsten auf dem finnischen Thron wohl nie akzeptiert hätten, kam die Thronbesteigung durch den Adeligen aus Kronberg erst gar nicht zur Realisierung. Der zurückhaltende und im Krieg selbst schwer verwundete Landgraf verzichtete unter diesen Umständen von sich aus auf sein neues hohes Amt, um so das finnische Volk vor Repressalien zu bewahren, mit denen Großbritannien und Frankreich bereits offen gedroht hatten, sollte Friedrich-Karl den Thron annehmen. Finnland erhielt daraufhin als Republik einen Präsidenten zum Staatsoberhaupt. Die Jahresprogramme von „Kultur-Erlebnis“ und des Schlosshotels Kronberg sind im Internet unter www.Kultur-Erlebnis.de sowie unter www.Schlosshotel-Kronberg.de abrufbar.
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