Ursula Philippi feiert ihren 70. Geburtstag

Dr. Ursula Philippi Foto: privat

Kronberg (mw) – „Es ist wie in einem Orchester“, sagt Dr. Ursula Philippi, selbst Bratschistin im Neuen Orchester Kronberg. „Du musst dein Instrument spielen können, aber du musst auch gut auf die anderen hören.“ In diesem Sinne versteht sich die Kronbergerin, die am 4. Juli ihren 70. Geburtstag feiert, als Mitglied einer sozialen Gemeinschaft. „Ich habe inzwischen gelernt, Aufgaben auch in der ersten Reihe, sozusagen an der Front, zu übernehmen, aber ich kann mich genauso ins dritte Glied zurückziehen, um anderen das Ruder zu überlassen, denn ich verstehe mich als Teamplayer“, betont sie. Auf diese Weise engagiert sich die promovierte Apothekerin seit vielen Jahren sehr stark im Partnerschaftsverein Kronberg-Ballenstedt, dessen Vorsitzende sie seit 19 Jahren ist sowie im Altstadtkreis. Dr. Ursula Philippi ist begeisterungsfähig. Wer mit ihr spricht, spürt das schnell. Was sie gar nicht leiden kann, ist Rückzieher zu machen, wenn es um die Umsetzung einer Idee geht. „Wer kennt das nicht, zunächst finden alle die Idee gut, aber kaum geht es an die Arbeit, hat jeder einen guten Grund, keine Zeit mehr zu haben.“ Dr. Ursula Philippi ist gerade dann – auch wenn das oftmals das Privatleben strapaziert hat – zur Stelle. „Ich bin ein hessischer Dickschädel, wenn ich mir etwas zum Ziel gesetzt habe, lasse ich es ungern aus den Augen und ich habe gelernt, dass es manchmal auch Sinn machen kann, Umwege zu gehen, um schließlich doch anzukommen!“

Die Frauenpreisträgerin von 2010 ist in einer Großfamilie aufgewachsen. So war es für sie von klein auf ganz normal, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen: „Bei uns war es kein Thema, ob ein Gast mehr oder weniger am Tisch saß.“ Sie selbst hat es dann im Jahr nach der Maueröffnung auf 200 Gastübernachtungen in ihrem Haus gebracht, wie sie lachend erzählt. „Ich war tief bewegt von den Bildern, die im Fernsehen vom Mauerfall übertragen wurden. Ich war mir bewusst, dass das große Zeitgeschichte ist, die wir gerade erlebten.“ Spontan entschloss sie sich deshalb, möglichen DDR-Bürgern, die nach Kronberg kommen könnten, über das städtische Verkehrs- und Kulturamt eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. „Zwei Tage später hatten wir den ersten Besuch bei uns, eine junge Familie mit Kind aus Ballenstedt – zu ihnen haben wir heute noch Kontakt. Erst auf dem legendären Weihnachtsmarkt, rund vier Wochen nach dem Mauerfall, als viele Ballenstedter den Weg nach Kronberg fanden, wurde sie auf einen Partnerschaftsvereinsstand Kronberg-Ballenstedt aufmerksam. „Am 7. Dezember 1989 fand die Gründungsversammlung des Vereins statt und mein Mann und ich wurden dann auch gleich Mitglieder“, erinnert sie sich. In ihrer Rolle als Schatzmeisterin (1990 bis 1998) begann sie, auf der Suche nach neuen Wegen, Geld für Projekte zu generieren, Ideen zu entwickeln, um im mitteldeutschen Ballenstedt im Harz im sozialen Bereich Hilfe zu leisten. Entstanden ist daraus der Nachhilfeunterricht für sozial schwache Kinder, „denn es ist ganz wichtig, Kindern eine Perspektive zu ermöglichen“, betont Philippi, die über den Partnerschaftsverein die jährliche Weihnachts-Care-Paketaktion als auch Einzelfallhilfe sowie die finanzielle Unterstützung der Ballenstedter Kinder für ein warmes Mittagessen unterstützt. Dr. Ursula Philippi hat bereits in den 80er-Jahren mit Beginn der Demokratie-Bewegung in Polen gemeinsam mit ihrer Mutter in großem Umfang Spenden gesammelt und Hilfsgüter dorthin geschickt. Heute kümmert sie sich neben ihrem weiteren Engagement für sozial benachteiligte Familien in Ballenstedt auch um die Vorträge zu den kulturellen Fahrten des Partnerschaftsvereins in die neuen Bundesländer. Auf diese Weise versucht sie, gemeinsame deutsche Geschichte aufzuarbeiten und die mitteldeutsche Kulturlandschaft einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Sie hat ebenfalls Talent, komplizierte Sachverhalte anzusprechen und verständlich darzulegen und ist handwerklich kreativ und geschickt. „Ich finde, ich kann sehr dankbar sein für diese Gaben, die ich mitbekommen habe. Ich fühle eine gewisse Demut. Ich habe immer versucht, das, was mir besonders liegt, einzubringen und dabei Kontinuität zu zeigen.“

Bereits in jungen Jahren hat sie neben der Erziehung ihrer zwei Kinder in einer Landapotheke bei Mainz die unterschiedlichsten Menschen – oft mit schweren gesundheitliche Leiden – kennen gelernt. „Ich denke, dass neben der Förderung der sozial Schwachen auch wichtig ist, dazu beizutragen, dass das soziale Miteinander funktioniert, denn in einer Gemeinschaft lässt sich einfach viel mehr erreichen. Eine Gemeinschaft bereichert“, betont sie, „man erfährt dadurch, dass man mit unterschiedlichen Leuten zusammenkommt, eine Bewusstseinserweiterung: Man lernt, auf andere zu hören und dass man an sich selbst arbeiten muss.“

Beim Altstadtkreis, zu dessen Gründungsmitgliedern sie zählt, ist sie bei zahlreichen Projekten des Altstadtkreises, wie beispielsweise der Verschönerung von Altstadtplätzen ebenfalls aktiv. So trägt auch die wunderschöne Brunnendekoration zum Osterfest auf der Schirn ihre Handschrift.

Gerade zurück von der alljährlichen Fahrt in die neuen Bundesländer, die sie gemeinsam mit Brigitte Möller geplant und organisiert hat, ist sie noch ganz erfüllt von den vielen neuen Erkenntnissen, kulturell und politisch, die sie gewonnen hat. Das gesamte engmaschige Kulturprogramm (Erfurt, Wittenberg, Dessau, Ballenstedt, Torgau, Eisleben, Mannsfeld, Magdeburg, Eisenach mit Wartburg mit Stadtbesichtigungen etc.) konnte, musste aber nicht „absolviert werden“, wie sie erzählt. „Ohne überheblich klingen zu wollen, ich bin schon stolz auf meine ehrenamtliche Arbeit.“ Auf diese Weise habe sie mit ihrem Wirken ja auch einen ganz eigenen Stempel aufgesetzt, ohne zu erwarten, dass es in einer neuen Ära des Partnerschaftsvereins in derselben Form weitergehen werde. „Wir haben jedenfalls unsere gemeinsame deutsche Geschichte gründlich aufgearbeitet.“ Die Auseinandersetzung damit durch ihre Funktion als erste Vorsitzende, die vielen Bildungsfahrten und Vorträge, die sie vorbereitet hat, hätten sie vieles gelehrt, unter anderem auch, viel toleranter mit dem wiedervereinten Deutschland umzugehen.

Für die Zukunft hofft sie, dass ihre Gesundheit, vor allem ihre Augen, die ihr schon länger Probleme machen, es ihr noch lange ermöglichen, Bratsche zu spielen und sich für ihre Familie und ihr Ehrenamt einzusetzen. Aktuell freut es sie besonders, dass das erste Enkelkind unterwegs ist. „Die Chancen stehen gar nicht schlecht, dass es an meinem Geburtstag zur Welt kommt!“ verrät sie. Für Ursula Philippi stand niemals zur Debatte, ob Familie oder nicht. Für sie gehören Kinder ganz selbstverständlich zum Kreislauf des Lebens und sie ist glücklich, nun Oma werden zu dürfen – „schließlich sind wir auch nicht mehr so taufrisch“. Den 70. Geburtstag wird sie nachträglich im Kreise der Familie feiern, mit ihrer Mutter, ihren beiden Schwestern und ihrer Tochter Judith. Sohn Florian, der mit seiner Frau in Japan lebt, wird nicht kommen können: denn er ist es, der in den nächsten Tagen selbst Vater wird.



X