„Die Wahl ist getroffen“: Darmstädter Prinzessinnen und Romanows

Kronberg (war) –– „Die Wahl ist getroffen“. Dieser Satz der Erleichterung stammt von Landgräfin Caroline von Hessen-Darmstadt, nachdem Zarin Katharina die Große entschieden hatte, dass ihr Sohn Großfürst Paul Petrowitsch Carolines Tochter Wilhelmine trotz geringer Mitgift ehelichen sollte. „Dazu war Caroline im Mai 1773 eigens mit drei ihrer fünf Töchter nach Sankt Petersburg gereist“, wusste Alexa-Beatrice Christ zu berichten. Die Leiterin des Darmstädter Schlossmuseums referierte vor kurzem auf Einladung des Burgvereins über die vier Prinzessinnen aus dem Haus Hessen-Darmstadt, welche nach Russland heirateten. Zwei wurden immerhin zu Zarinnen auserkoren. Christ weiter: „Im 18. und 19. Jahrhundert standen Prinzessinnen aus altehrwürdigen, regierenden deutschen Adelshäusern hoch in Kurs als potentielle Heiratskandidatinnen bei der kaiserlichen Familie der Romanows. So hoffte sich diese noch recht junge Herrscherdynastie bei den etablierten Adelshäusern mehr Geltung zu verschaffen.“ Idealerweise waren die Bräute evangelisch, weil diese ohne größere Probleme zum russisch-orthodoxen Glauben – Grundbedingung für eine Eheschließung – konvertieren konnten. Hingegen waren katholische Heiratsanwärterinnen grundsätzlich tabu, da bis heute zwischen den beiden Glaubensrichtungen große Spannungen herrschen. Zurück zu Wilhelmine: Im Oktober 1773 wurde zwei Wochen lang Hochzeit gefeiert. Doch das Eheglück des jungen Paars sollte nur kurz dauern. Bereits bei der Geburt ihres ersten Kindes verstarb Wilhelmine im Jahr 1776. Nächste Darmstädter Prinzessin, die nach Russland heiratete, war Marie als Tochter von Großherzog Ludwig II. von Hessen und bei Rhein. Der russische Thronfolger Großfürst Alexander Nikolajewitsch war 1839 von seinem Vater, Zar Nikolaus I., auf Westeuropareise geschickt worden. Dabei hatte er auch seine entfernten Verwandten in Darmstadt besucht und lernte so die 15-jährige Prinzessin Marie kennen. Die beiden verliebten sich, um bereits 1841 in Sankt Petersburg zu heiraten. Ab 1855 regierten die beiden als Zar Alexander II. und Zarin über Russland. Das Paar war zunächst glücklich verheiratet, jedoch verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Darmstädterin mit der Zeit. Aufgrund eines Lungenleidens führte Marie häufig Kuren außerhalb Russlands mit seinen strengen Wintern durch. Die Trennungen bekamen der Beziehung nicht, denn der Zar pflegte schon bald eine Reihe von Liebschaften, welche Marie missfielen. 1880 verstarb die Zarin mit nur 55 Jahren. Zar Alexander II. hielt sich oft mit Frau und Kindern im Sommer auf Schloss Heiligenberg oberhalb von Jugenheim bei der Darmstädter Verwandtschaft auf. Auf diese Weise lernte ihr zweitjüngster Sohn Großfürst Sergei seine künftige Gemahlin, Prinzessin Elisabeth kennen. Beide mochten sich auf Anhieb und verlobten sich im November 1883 heimlich. Im Sommer 1884 folgte in Sankt Petersburg die Heirat. Zunächst lebte das Paar recht ungezwungen in Sankt Petersburg bis Sergei von seinem Bruder Zar Alexander III. im Jahr 1891 zum Generalgouverneur von Moskau ernannt wurde. 1892 trat die tiefreligiöse Elisabeth freiwillig zum orthodoxen Glauben über. Nachdem 1905 ihr Mann nicht zuletzt aufgrund seiner restriktiven Politik einem Bombenattentat zum Opfer gefallen war, veräußerte Elisabeth ihren Besitz weitgehend, um das „Martha und Maria Kloster der Barmherzigkeit“ in Moskau zu gründen, dem sie bis zu ihrem Tod als Oberin vorstand. Mit Alix von Hessen und bei Rhein zog die vierte Darmstädter Prinzessin nach Russland, um 1894 ihren Cousin zweiten Grades, den Zarewitsch (Thronfolger) und Großfürsten Nikolaus zu ehelichen. Es war erneut eine Liebesheirat. „Die Großmutter von Alix, Queen Victoria von Großbritannien, war strikt gegen diese Hochzeit, konnte sie aber trotz ihres großen Einflusses nicht verhindern“, so die Referentin. Kennengelernt hatten sie sich bei der Hochzeit von Elisabeth in Sankt Petersburg im Jahr 1884. Völlig unvorbereitet übernahm Nikolaus im November 1894 das Amt des Zaren nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Alexander III. nur wenige Tage vor der Hochzeit. Da sich Alix extrem schwer tat, mit dem russischen Volk in Kontakt zu kommen, erfuhr sie sehr viel Ablehnung. Die Folge war, dass sich die zur Schwermut neigende Zarin immer mehr vom offiziellen Hofgeschehen zurückzog. Erschwerend kam die lebensbedrohliche Bluterkrankheit (Hämophilie) des Thronfolgers Großfürst Alexei hinzu. Diesbezüglich erhoffte sich das Zarenpaar gesundheitliche Besserung durch den zwielichtigen Wunderheiler Grigori Rasputin, der die Zarin zunehmend beeinflusste. Es kursierte sogar das Gerücht eines Verhältnisses zwischen beiden. Infolge der Oktoberrevolution im Februar 1917 musste der Zar abdanken. Nach Internierung an verschiedenen Orten wurde die Zarenfamilie schließlich vor hundert Jahren am 17. Juli in Jekatarinburg im Ural ermordetet. Wenige Tage später wurde auch Elisabeth als Schwester von Alix gewaltsam getötet. Mittlerweile sind die Zarenfamilie und Elisabeth zu heiligen Märtyrern der russisch-orthodoxen Kirche erhoben worden. Christs Fazit: „Alle vier Ehen begannen zwar durchaus glücklich, standen aber leider letztlich unter keinem guten Stern.“



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