Oberhöchstadt (pu) – Ludwig van Beethovens 1802 entstandene, etwa 40-minütige, Sonate für Klavier und Violine Nr. 9, im Allgemeinen als „Kreutzer-Sonate“ bekannt, ist geprägt von der sich wandelnden Gesellschaft in der Zeit nach der französischen Revolution, der Suche, der Dramatik, der anbrechenden Romantik, Wildheit und Ungestümheit.
Dieses ganz besondere Werk erklang Samstagabend zum Auftakt der dritten Saison der Konzertreihe „Klassik in Kronberg“ im Festsaal des Altkönig-Stifts. Die ausführenden Musiker waren Ulrich Edelmann (Violine) und Hans-Roman Kitterer (Klavier). Die beiden langjährigen Freunde hatten innerhalb kürzester Zeit ein neues Programm zusammenstellen müssen, nachdem die eigentlich mit Edelmann im Duo antretende herausragende Harfenistin Morija David aufgrund einer Sehnenscheidenentzündung ausgefallen war. „Ich hoffe, Sie lachen uns heute nicht aus, wir hatten nur sechs Tage Vorbereitungszeit“, warb Ulrich Edelmann mit einem Augenzwinkern um Nachsicht. Er spielte damit auf die Uraufführung dieser beeindruckenden, ursprünglich dem Geiger George Bridgetower gewidmeten, Sonate an, die dieser gemeinsam mit Ludwig van Beethoven am 24. Mai 1803 erstmals zu Gehör brachte und dafür ausschließlich Hohn und Spott erntete.
Der Grund für die misslungene Premiere lag auf der Hand: Der als chaotisch geltende Beethoven hatte erst am Aufführungsmorgen die letzten Noten für den Geiger geschrieben und seine Handschrift soll zudem ausgesprochen schwer leserlich gewesen sein – die Folgen waren fatal. Zu allem Überfluss soll es kurz danach wegen eines Mädchens zu einem Streit zwischen beiden gekommen sein, sodass Beethoven die Widmung zurückzog. So wurde die Sonate dem französischen Violinisten Rodolphe Kreutzer gewidmet, der jedoch ironischerweise dieses Werk nie spielte und gar für unspielbar erklärte.
Ulrich Edelmann und Hans-Roman Kitterer, bewiesen letzten Samstag das Gegenteil. Sie verzauberten ihr Publikum geradezu mit den drei Sätzen der Beethoven-Komposition (Adagio sostenuto-Presto, Andante con Variazioni und Presto). „Unglaublich dieses Konzert! Ich habe öfters die Augen zugemacht, so etwas habe ich noch nie erlebt“, schwärmte nach dem Verklingen des letzten Tons eine Zuhörerin noch ganz ergriffen. „Dass Kreutzer das als unbespielbar bezeichnet hat, ist verständlich“, urteilte eine andere.
Nach der Pause ging es mit einem weiteren wunderbaren Werk des Kammermusik-Gattung, der Sonate A-Dur für Violine und Klavier von César Franck, weiter. Sie entstand im Sommer 1886 in Paris, in einer Zeit, als die Romantik auf dem Höhepunkt war, wie Ulrich Edelmann verriet. Franck, im Gegensatz zu van Beethoven ein weitaus ruhigerer Charakter und doppelt so alt, vermittele in seiner Sonate den Eindruck, als habe er voller Verklärtheit auf die Welt und die Schönheit, Fantasie und Dramatik um ihn herum geschaut. Seine Uraufführung ist als überwältigender Erfolg in die Historie eingegangen, er widmete das viersätzige Werk (Allegretto ben Moderato, Allegro, Recitativo-Fantasia und Allegretto poco mosso) keinem Geringeren als dem ebenfalls weltbekannten belgischen Komponisten und Violinisten Eugène-August Ysaie zu dessen Hochzeit.
Erneut ließ sich das Publikum von der Klangfülle und dem harmonischen, ausducksstarken Zusammenspiel bannen. Der vehemente Wunsch nach einer Zugabe war logische Konsequenz. Ulrich Edelmann und Hans-Roman Kitterer wählten als abschließendes Sahnehäubchen einen Satz aus der wohl bekanntesten Sonate für Klavier und Violine, der Nr. 3 von Johannes Brahms.
Während Pianist Hans-Roman Kitterer anschließend unverzüglich die Heimreise antrat, um am nächsten Tag wieder in seinem Hauptberuf als Klinikarzt im Bereich Innere Medizin und Kardiologie seinen Pflichten nachzukommen, stand Ulrich Edelmann im Wintergarten für ein Künstlergespräch zur Verfügung. Der zur Organisationsriege der „Klassik in Kronberg“-Musikreihe zählende Moderator des Abend, Mario Liepe, befragte den seit über 20 Jahren als ersten Konzertmeister des hr-Sinfonieorchesters Fungierenden zunächst nach den Anfängen seiner Karriere. „Ich wäre früher lieber Schlagzeuger geworden“, bekannte der Preisträger zahlreicher nationaler und internationaler Wettbewerbe freimütig. In ein musikalisches Elternhaus hineingeboren – der Vater Bariton, die ehrgeizige Mutter Geigerin, die anfangs seine große Schwester dazu auserkoren hatte, in ihre Fußstapfen zu treten, doch nach deren Weigerung, all ihre Hoffnung in den Sohn setzte – sei ihm eigentlich gar nichts anderes übrig geblieben als Violine zu spielen. Die ersten Jahre habe er dies als furchtbare Qual empfunden. „Erst im Alter von 12 Jahren habe ich meine Liebe zum Instrument gefunden und danach musste mir auch niemand mehr sagen, dass ich üben muss.“ Nach wie vor übt er vier bis fünf Stunden täglich, um das Niveau zu halten. Dafür, dass er im Gegensatz zu anderen Geigern auch heikle Stellen meistert, zeichnet indes seine Frau, die Harfenistin Morija David, verantwortlich. „Geiger unterschätzen manchmal, dass man stärker hinlangen muss, um etwas Hörbares zu erzeugen, da konnte mir meine Frau wertvolle Tipps geben.“ Mit Sorge beobachtet er dagegen die Nachwuchsentwicklung in Deutschland. Unter 200 Bewerbern für das hr-Sinfonieorchester befänden sich maximal noch ein Drittel Deutsche. Auch die durch finanzielle Zwänge bedingten Schließungen oder Fusionen von Orchestern sieht der Geiger als problematisch. Die Konzertreihe „Klassik in Kronberg“ wird Samstag, 6. Dezember um 19.30 Uhr im Altkönig-Stift fortgesetzt. Dann bringt der in diesem Jahr mit dem Steinway-Preis ausgezeichnete und überall gefeierte Pianist Alexey Pudinov unter dem Titel „Vulkan der Romantique“ Werke von Rachmaninow und Chopin zu Gehör.
Karten gibt es an der Abendkasse im Altkönig-Stift, Feldbergstraße 13-15, Telefon 310. Sie kosten je nach Reihe 18, 15 und 10 Euro.