Fotografien lassen Geschichte und Geschichten lebendig werden

Im Torbogen, Oberursel 1954 von Erika Wachsmann: Foto: Archiv Wachsmann

Oberhöchstadt (pf) – Ihre Fotografien sind Zeitdokumente, Momentaufnahmen, die Geschichten erzählen, Porträts, die in selten zu erlebender Art den Charakter der abgebildeten Personen sichtbar werden lassen. Ihre Fotografien, ausnahmslos Schwarz-Weiß-Bilder, sind gleichzeitig aber auch Kunstwerke, sorgfältig komponiert aus Formen, Licht und Schatten. Die Fotografin Erika Wachsmann, 1903 in Danzig geboren, kam 1921 mit ihren Eltern nach Frankfurt. Ehe sie ihren Wunschberuf ergreifen durfte, musste sie auf Drängen der Eltern einen „richtigen“ Beruf erlernen. Sie studierte am Dr. Hoch’s Konservatorium und an der Rheinischen Musikschule Köln und wurde Musik-Lehrerin.

Erst nach bestandenem Examen konnte sie ab 1929 endlich die Städelschule besuchen. Bei Willi Baumeister studierte sie bis 1932 Werbegrafik, machte ein Volontariat in einer Werbeagentur, wechselte an die staatliche Schule für bildende Künste in Weimar und legte dort 1937 ihre Gesellenprüfung als Fotografin ab. Danach arbeitete sie in verschiedenen Fotoateliers in Frankfurt, Saßnitz und Düsseldorf und legte 1943 in Frankfurt ihre Meisterprüfung ab. 1945 nach der Zerstörung der elterlichen Wohnung im Westend kam sie nach Oberursel, wo sie ein eigenes Fotoatelier eröffnete, mit dem sie 1954 nach Bad Homburg umzog. Sie arbeitete als freie Mitarbeiterin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Illustrierte, das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und schuf Illustrationen für Bücher. Die letzten zehn Jahre ihres Lebens – Erika Wachsmann starb 1997 – verbrachte sie im Altkönig-Stift. Und dort im Ausstellungsgang und in den Vitrinen sind derzeit ausgewählte und sehr eindrucksvolle Fotografien von ihr zu sehen.

Sie zeigen das von Bomben zerstörte Frankfurt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, einen Kohlensammler vor dem Eisernen Steg und den zugefrorenen Main, Porträts berühmter Persönlichkeiten wie Albert Schweitzer, Thomas Mann, Jean-Paul Sartre, Annette Kolb, Theodor Heuss, Martin Niemöller und ihren Lehrer Willi Baumeister. Es gibt einige Fotos aus Paris, einer Stadt, die sie immer wieder besuchte, in denen sie das Charakteristische dieser Metropole und ihrer Bewohner eingefangen hat. Das Foto eines Museumswärters, der neben einer gewaltigen wild bewegten Plastik auf seinem Stuhl eingenickt ist, verdeutlicht ihren Blick für das Außergewöhnliche einer Situation. Zu sehen und zu entdecken sind aber auch Szenen aus dem Oberursel der 50er-Jahre. Sie lassen viele malerische Winkel der Altstadt lebendig werden, zeigen einen Maler und Kinder hinter dem Tor in der St. Ursula-Gasse, Frauen im Torbogen und einen Bauern mit seinem Pferdegespann vor reizvoll ineinander verwinkelten Fachwerkhäusern.

Zusammengestellt wurde die Ausstellung von der Fotografin Anne Hoffmann, die Erika Wachsmanns Archiv verwaltet. Sie lernte die Fotografin 1968 in einem Zeichenkurs kennen, wurde von ihr porträtiert und durfte ihr bei der Arbeit in der Dunkelkammer über die Schulter schauen. Sie erlebte am eigenen Leibe, wie Erika Wachsmann durch Gespräche und Erzählungen die Menschen, die sie porträtieren wollte, dazu brachte, sich ihr zu öffnen. „Sie fand immer den richtigen Moment, um ihrer Idee die richtige Form zu geben“, erinnert sie sich. „Ihre Fotografien sind handwerklich meisterhaft.“

Bei der Eröffnung der Ausstellung ließ Hiltrud Eifert, Vorsitzende des Kulturbeirates des Altkönig-Stifts, die wechselvolle Geschichte der Fotografie auf ebenso anschauliche wie unterhaltsame Art lebendig werden.

Die Fotografien von Erika Wachsmann sind noch bis zum 18. Juli täglich im Altkönig-Stift zu sehen.



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