Kronberger Geschichtssplitter
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Ferdinand Lassalle
Kronberg (war) – Die SPD sieht in dem Juristen und Politiker Ferdinand Lasalle, der auch als Schriftsteller tätig war, einen ihrer Vorläufer und letztlich Gründungsväter der Partei. Lassalle stand dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), dessen Gründung er im Mai 1863 in Leipzig mit veranlasst hatte, als erster Präsident vor. Der ADAV fusionierte 1875 mit der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach im Jahr 1869 ins Leben gerufenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), die sich schließlich 1890 in SPD umbenannte, kurz nachdem das 1878 von Bismarck initiierte Sozialistengesetz zurückgezogen war.
Geboren wurde Lassalle vor 200 Jahren am 11. April 1825 in Breslau in großbürgerlichen Verhältnissen. 1858 publizierte er sein Theaterstück „Franz von Sickingen“ als „Historische Tragödie in fünf Akten“. Einer der Protagonisten in dem Werk ist der „Ritter Hartmuth von Kronberg“. Bekanntlich setzte sich Hartmut, der Franz von Sickingens Vetter war, in der Burgstadt als glühender Anhänger von Martin Luther für die Reformation ein. Da er seinem Vetter Franz bei der missglückten Fehde gegen den Trierer Kurfürsten Richard von Greiffenclau zu Vollrads unterstützt hatte, die im Zentrum des Lassalleschen Theaterstücks steht, ließ Landgraf Philipp von Hessen Kronberg zwischen 1522 und 1541 besetzten. In dieser Zeit musste Hartmut ins Exil gehen.
In seinem Vorwort zu Franz von Sickingen betont Lassalle, dass Deutschland in der Reformationszeit zwar rückblickend seine geistige Freiheit errungen habe, dafür aber „ihm bis auf seine letzte Spur alles Nationale, alle politische Freiheit, Einheit und Größe mindestens auf drei Jahrhunderte von Grund aus zum Opfer gebracht wurde.“ Diesen so gut wie vergessenen „cultur-historischen Prozeß“ wollte der Autor mit seinem Werk wieder ins Bewusstsein bringen und so „durch die Adern allen Volkes jagen.“ Um das zu erreichen, war in seinen Augen nur die Poesie in der Lage. Daher habe er sich für die Form des Dramas entscheiden anstatt darüber wissenschaftlich zu dozieren.
In seiner Biographie über Ferdinand Lassalle hält der in der DDR sehr bekannte Historiker Hans Jürgen Friederici fest, dass der Autor das Bühnenstück zunächst anonym an das Berliner Hoftheater zwecks Aufführung geschickt hatte. Bei der dortigen Theaterleitung stieß es aber auf Ablehnung, da die Handlung politisch zu heikel sei. Auch als Lassalle das Werk unter seinem Namen herausgab, gelangte es dennoch auf keinen Theaterspielplan. Friederici weiter: „Lassalle schrieb den ‚Sickingen‘ nicht um der Dichtung willen. Er hatte die Absicht, ein politisches Stück zu verfassen, wollte aufrütteln und zum Nachdenken anregen. So wie er selbst in dem Stück für die demokratische Einheit Deutschlands Partei ergriff und gegen die Fürsten Stellung nahm, so sollten auch die Zuhörer oder Leser Partei ergreifen und Stellung nehmen. Seine Absicht war, den Stoff des 16. Jahrhunderts für eine Auseinandersetzung mit dem Verlauf und der Niederlage der Revolution von 1848/49 zu benutzen.“ Lassalle ließ seinen „Sickingen“ auch Karl Marx und Friedrich Engels zur Kritik zukommen. Beide lobten laut Friederici zwar die Komposition des Stückes, kamen aber letztlich zu dem Schluss, dass Lassalle sich für sein Werk mit Franz von Sickingen eine ungeeignete Person herausgesucht habe, da dieser als Ritter eine untergehende Klasse mit reaktionären Interessen repräsentiere. Es sei Sickingen daher nicht um den gesellschaftlichen Fortschritt gegangen, sondern um die Etablierung einer Adelsdemokratie mit dem Kaiser an der Spitze zwecks Erneuerung des alten feudalen Reichs.