Vor 50 Jahren: „An Ostern ohne Bürgermeister“ – Die Fusion von Kronberg, Schönberg und Oberhöchstadt

Kronberg. Am 1. April vor 50 Jahren war es soweit: Im Zuge der hessischen kommunalen Gebietsreform fusionierten die bis dato unabhängigen Gemeinden Kronberg, Schönberg und Oberhöchstadt zu Kronberg im Taunus. Wie es dazu kam, hat Walter A. Ried für das Jahrbuch 2022 des Hochtaunuskreises umfassend recherchiert. Rechtzeitig vor dem 50-jährigen Fusionsjubiläum wollen wir die Geschichte der Fusion für unsere Leser Revue passieren lassen.

Die Fusion hatte die damalige sozialliberale Koalition unter Ministerpräsident Albert Oswald im Jahr 1970 beschlossen. Ziel dieser Reform war es, größere Verwaltungseinheiten zu generieren, um die Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Landkreise zu ertüchtigen sowie die Lebensverhältnisse in diesen neu generierten Verwaltungseinheiten aneinander anzugleichen.

Geplant war, das Vorhaben in zwei Phasen durchzuführen: Bis Ende 1971 sollte das freiwillige Zusammengehen durch finanzielle Anreize gefördert, ab 1972 dann die zwangsweise Fusion „unwilliger“ Gemeinden per Gesetz angeordnet werden.

In unserem Gebiet wurden jedoch nicht nur größere Gemeinden aus ehemals vielen kleineren gebildet, sondern es kam am 1. August 1972 zusätzlich zur Fusion des Obertaunuskreises mit dem Kreis Usingen zum Hochtaunuskreis mit jetzt 13 Städten und Gemeinden aus zuvor 64 Einheiten. Die Eigenständigkeit des 1867 von den Preußen gegründeten Obertaunuskreis, der von der Fläche her der kleinste Landkreis in Hessen war, galt ohnehin längst als gefährdet. So hatte dem Kreis nach dem zweiten Weltkrieg während der amerikanischen Besatzung schon einmal gedroht, von einem geplanten Groß-Frankfurt „geschluckt“ zu werden.

Zu Jahresbeginn 1971 werden die Fusionsgespräche zwischen Kronberg (KB) und Schönberg (SB) fortgesetzt und es wird jetzt von einem Fusionstermin am 31. Dezember 1971 ausgegangen. (Quelle Taunuszeitung, 21.1.) In Oberhöchstadt (OB) schlägt die SPD als stärkste Fraktion hingegen vor, dass Kronberg, Schönberg und Oberhöchstadt mit Oberursel fusionieren sollten (TZ 3.3.). Nachdem in KB die Stadtverordnetenversammlung der Fusion mit Schönberg und Oberhöchstadt zugestimmt hatte, äußert sich der Kronberger Stadtverordnetenvorsteher Wilhelm Küchler (CDU), dass jetzt Überzeugungsarbeit bei dem „unwilligen“ Partner in Oberhöchstadt notwendig sei. Für den Zusammenschluss spricht für ihn die geringe Entfernung zwischen den Orten, die gemeinsam geplante Gesamtschule auf der Heide (heute Altkönigschule) sowie der Ausbau der S-Bahn. Nach der Fusion von Kronberg mit Schönberg und Oberhöchstadt hat der neue Ort dann rund 16.000 Einwohner und kann zukünftig schätzungsweise auf bis zu 30.000 Einwohner anwachsen.

Einer eventuellen Fusion mit Königstein steht der SPD-Bürgermeister (BM) Ernst Winterberg aus KB hingegen skeptisch entgegen, da beide Städte jeweils über ein ausgeprägtes Bürgerbewusstsein verfügten, sodass eine Einigung nur schwer möglich sei. Zudem trenne eine als „heilig eingestufte“ und damit unantastbare Grünzone mit ihren berühmten „Keste“ (Edelkastanien) beide Orte. Die Folge wäre ständiger Kleinkrieg und Unzufriedenheit. Ähnlich kritisch wird eine gelegentlich angedachte Fusion mit Oberursel und Mammolshain eingeschätzt, da hier genauso Waldstücke dazwischen liegen, die bestehen bleiben sollen. Bei Niederhöchstadt, das bereits wegen einer Fusion in KB angefragt hatte, ist der Knackpunkt, dass dieser Ort grenzüberschreitend zum Main-Taunus-Kreis gehört. (TZ 22.3.)

Niederlage für Schönberg

Schönberg verfügt über Rücklagen von 400.000 Mark sowie 500.000 Mark als rückzahlbare Vorleistungen aus dem Abwasserverband. Dort wird überlegt, im letzten Jahr vor der Fusion nochmals 3,4 Millionen Mark zu investieren, u. a. für den Bau von Sportanlagen sowie die Förderung des katholischen Kindergartens. Als im März Landrat Werner Herr den Etatentwurf von SB wegen unzureichender Schuldenfinanzierung ablehnt (TZ 2.3. und 25.3.), rückt die CDU in Schönberg erst einmal von weiteren Verhandlungen mit Kronberg ab, da befürchtet wird, dass die Umsetzung der geplanten Investitionen, die Schönberg beabsichtigt, nach einer Fusion unsicher sind. Bei der SPD in Kronberg besteht Befremden über den von SB geplanten Haushalt, weil dieser eine Schuldenaufnahme beinhalte, die mit eigenen Einnahmen nicht abzudecken sei. Es sei zwar legitim, dass Schönberg bestimmte Anliegen sicherstellen wolle, doch seien dabei die Grundsätze sorgsamer Haushaltsführung einzuhalten. (TZ 29.3.)

Der Schönberger BM Philipp Ritter verbittet sich daraufhin jede weitere Einmischung in den Haushalt seitens Kronberg. Seine Argumentation: Die angedachten Posten kämen schließlich auch Kronberg zugute. Jetzt wolle Schönberg erst einmal mit Oberhöchstadt verhandeln. Beide Orte sollten sich eventuell gemeinsam nach Oberursel orientieren oder mit Niederhöchstadt in Kontakt treten. Kronberg könne sich immer noch später anschließen, so die Ansicht von Ritter (TZ 24.3. und 30.3).

Inzwischen hat die „Freie Bürgergemeinschaft OH“ eine Bürgerbefragung durchgeführt: Bei 150 Stellungnahmen waren 80 % für die Fusion mit Kronberg und Schönberg sowie 18 % für das Zusammengehen mit Oberursel. Der Oberhöchstädter Orts-BM Heinz Haimerl (SPD) sieht in der Befragung jedoch ein „nicht repräsentatives Ergebnis“. Die Fusion mit Kronberg bedeute seiner Ansicht nach für Oberhöchstadt Nachteile in den Bereichen Abwasser, Trinkwasserversorgung, Straßenbau, Verkehr und Sport. In Oberhöchstadt tendiere die Mehrheit des Gemeindevorstands ebenso wie die SPD nach wie vor zu Oberursel. Die Oberhöchstädter CDU plädiert hingegen zur Fusion mit Kronberg und Schönberg wegen der ihrer Ansicht nach gewachsenen engen Beziehungen zwischen den drei Orten.

Der plötzliche Tod des Kronberger BM Ernst Winterberg im Mai komplizieren die Fusionspläne zusätzlich, denn in Kronberg bestehen starke Bestrebungen, rasch einen neuen BM für die nächsten sechs Jahre zu wählen, um mit Schönberg und Oberhöchstadt gezielt weiter verhandeln zu können. Küchler: „Die Kronberger haben nach Meinung der CDU kein Verständnis dafür, wenn der zukünftige Kronberger Vertreter im Magistrat nicht allein von den Kronbergern gewählt wird.“ (TZ 31.8.) Da das aktuelle Vorschaltgesetz aber vorsieht, dass Bürgermeister nur bis zum 31. März 1973 für eine Amtszeit gewählt werden können, beantragt KB beim Regierungspräsidenten in Darmstadt eine Ausnahmeregelung (TZ 25.5.), der im Juli stattgegeben wird (TZ 30.7.). Somit steht einer Kronberger BM-Wahl für die nächsten sechs Jahre nichts mehr im Weg.

Wenn auch die angestrebte BM-Wahl in Schönberg und Oberhöchstadt nach wie vor auf teilweise heftigen Widerstand stößt, wird im September Rudolf Möller als bisheriger Stadtverordnetenvorsteher und Kreistagsvorsitzender der CDU in Kronberg mit zehn Stimmen der CDU, FDP und FBK (Freie Bürgergemeinschaft Kronberg) bei einer Enthaltung zum neuen Kronberger Bürgermeister gewählt.

Die Kronberger SPD mit ihren fünf Stimmen enthält sich der BM-Wahl, denn sie hatte vorgeschlagen, die BM-Stelle ausschreiben zu lassen und lehnt daher die Wahl vor der Fusion kategorisch ab. Das BM-Amt sollte ihrer Meinung nach bis dahin kommissarisch besetzt werden. Dafür in Frage käme beispielsweise der BM aus Schönberg oder Oberhöchstadt. Die Sozialdemokraten betonen ihr „absolutes Unverständnis“ und sehen nunmehr die weiteren Fusionsgespräche mit Schönberg und Oberhöchstadt ernsthaft gefährdet (TZ 13.9).

Sicherlich spielte es bei Möllers BM-Wahl eine Rolle, dass die CDU mit der SPD noch eine offene Rechnung zu begleichen hatte. Der Grund: Im Jahr 1968 war Möller als Einheimischer bei der BM-Wahl dem „Nicht-Kronberger“ Ernst Winterberg, der bis dahin Chef der Saalbau-AG in Frankfurt war und in Neuenhain wohnte, mit einer Stimme weniger unterlegen. Eigentlich war sich die CDU damals sicher, die BM-Wahl für sich zu entscheiden, denn sie verfügte selbst über sieben Stimmen und dazu kamen noch die drei der FDP als Koalitionspartner, also insgesamt zehn Stimmen. Die SPD konnte hingegen nur neun Stimmen auf die Waagschale bringen. Da aber kurz vor der Wahl der FDP-Fraktionsvorsitzende Franz Fritsch unerwartet ins Lager der Sozialdemokraten übergelaufen war, weil er Möller nicht wählen wollte, machte schließlich die SPD mit Ernst Winterberg das Rennen und die CDU ging leer aus.

Möller, der das BM-Amt zum 1. Oktober 1971 aufnimmt, begleitet dieses bis 1990.

Auch in Schönberg hatte sich heftiger Protest im Vorfeld der BM-Wahl in Kronberg formiert. Kronberg wird „Bergfried-Politik“ vorgeworfen (TZ 25.5.). Der Alleingang von Kronberg sei unakzeptabel, da es ungewiss sei, dass der von Kronberg gewählte BM nach der Fusion auch für Schönberg und Oberhöchstadt annehmbar sei. Dann müsse möglicherweise ein vierter BM gewählt werden mit der Folge, für die drei ehemaligen beamteten Bürgermeister langfristig Ruhegelder leisten zu müssen. Sinnvoller sei es, die BM-Frage in Ruhe nach der Fusion gemeinsam als neue Großgemeinde anzugehen.

Oberhöchststadt entscheidet sich doch für Kronberg

Anfang Juli empfehlen die Gemeindevertreter von Oberhöchstadt entgegen ihrer früheren Absicht jetzt doch ein Zusammengehen mit KB und SB. Es soll aber noch eine Bürgerbefragung im September vor der endgültigen Beschlussfassung stattfinden (TZ 3.7.). Bei dieser Befragung votierten fast 80 Prozent der Oberhöchstädter für ein Zusammenschluss mit Kronberg. Inzwischen hatte sich auch der Kreistag in Bad Homburg klar gegen den Anschluss von Oberhöchstadt nach Oberursel ausgesprochen.

Mitte August stellt Küchler die endgültige Fusion nochmals bis zum Ende des Jahres in Aussicht (TZ 13.9.). Jetzt müssen die Verträge und Beschlüsse bis zum 15. November bei der Landesregierung eingereicht werden. Laut Gesetzesvorlage sollen Gemeinden zwischen 15.000 bis 25.000 Bürgern 35 Mandate erhalten. Die neue Fusionsgemeinde umfasst 17.000 Bürger. Da zurzeit 47 Volksvertreter in den drei Gemeinden (KB 19, OH 15, SB 13) agieren, fallen zukünftig zwölf Mandate weg. Außerdem sind ein BM und zwei hauptamtliche Stadträte vorgesehen.

Ende Oktober muss Möller als neuer BM seine erste Enttäuschung hinnehmen als das Innenministerium mitteilte, dass sich für die neue Großgemeinde die Schlüsselzuweisungen verringern und nicht, wie erhofft, erhöhen werden. Selbst bei einer Fusion bis zum Jahresende gibt es 60.000 Mark weniger, dazu kommt eine rund 7.000 Mark erhöhte Kreisumlage. Möller war bislang von Zuschüssen von 30.000 Mark ausgegangen, sodass er die angestrebte freiwillige Fusion bis zum 31. Dezember ab sofort für uninteressant ansieht. Es sei sogar abzuwägen, die Zwangsfusion abzuwarten, so Möller (TZ 28.10.). Der Fusionstermin zum 31.12.1971 wird ab jetzt nicht weiterforciert.

Beim CDU-Frühschoppen zu Beginn des neuen Jahres steht nunmehr der 1. Juli 1972 als wahrscheinlicher Fusionstermin im Raum (TZ 4.1.). Gemäß Küchler werden zu diesem Datum die Gemeindeverwaltungen samt den Parlamenten der drei bis dahin eigenständigen Orte aufgelöst, um eine neue Großgemeinde zu bilden. Kronberg erhebe weiterhin Anspruch darauf, dass sein Bürgermeister Verwaltungschef werde.

Fusion auf freiwilliger Basis

Anfang März stimmt das Parlament in Schönberg als letzte der drei Gemeinden der Fusion auf freiwilliger Basis zu. Der Grenzänderungsvertrag in der Fassung vom 26. Februar 1972 wird damit akzeptiert (TZ 8.3.). Nur der Schönberger Bürgerblock (2 Stimmen) votiert dagegen, weil er glaubt, dass die in Aussicht gestellten Vorteile, wie niedrigere Verwaltungskosten und effizientere Verwaltung, nicht eintreten werden. Der Stichtag für den freiwilligen Zusammenschluss, der vom Land Hessen für den 15. März 1972 angesetzt worden war, lässt sich somit einhalten.

Laut aktuellem Grenzänderungsvertrag bleibt das bisherige Ortsrecht – Besteuerung, Gebühren, Beiträge – zunächst in Kraft bis zum Beschluss eines neuen einheitlichen Ortsrechts. Lokale Flächennutzungspläne für die Bauplanung bestehen ebenfalls weiter, bis eine neue Gesamtplanung steht. In Planung befindliche oder beschlossene Bebauungspläne werden fortgeführt. Realsteuerhebesätze für Grund- und Gewerbesteuer sind noch für fünf Jahre nach der Fusion unverändert gültig. Öffentliche Einrichtungen wie Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Stadtreinigung und Müllabfuhr bilden eine organisatorische und abgabenrechtliche Einheit in dem neuen Verbund. Friedhöfe bleiben noch 15 Jahre getrennt. Der Verwaltungssitz wird in Kronberge eingerichtet.

Schönberg und Oberhöchstadt erhalten Verwaltungsaußenstellen. Die Freiwilligen Feuerwehren bleiben in den Ortsteilen weiterhin eigenständig. Der zu bildende Magistrat wird sich hauptamtlich aus einem BM sowie zwei Stadträten und sechs ehrenamtlichen Beigeordneten zusammensetzten.

Der eng getaktete Zeitplan sieht vor, dass der gemeinsame Fusionsbescheid von Kronberg, Schönberg und Oberhöchstadt dem Kreistag in Bad Homburg am 14. März vorliegen soll. Zuvor stellen am 10. März in Kronberg und am 11. März in Schönberg die Stadtverordneten und der Magistrat in einer Bürgerversammlung jeweils den Vertragsentwurf vor. Im Anschluss daran beschließen die Parlamente in Kronberg und Schönberg den Grenzänderungsvertrag endgültig. Oberhöchöchstadt folgt am 13. März mit der Beschlussfassung zur Fusion.

Schönberg macht die Fusion dann noch einmal sehr spannend, als es jetzt unerwartet für die nächsten fünf Jahre einen günstigeren Steuersatz für seine Bewohner fordert (TZ 9.3.). In Kronberg weist insbesondere die FDP diese Steuerpräferenz ab, weil sie der Integration entgegenstehe. Der neuen Stadt Kronberg entgingen so bis zu 30.000 Mark. Für Bürger Kronbergs sei es unakzeptabel, wenn in Schönnberg niedrigere Steuern zu zahlen seien. Geeinigt wird sich am Ende auf unterschiedliche Steuersätze für die nächsten drei Jahre.

Ende gut – alles gut ?

Ein weiterer heftiger Disput entbrennt zusätzlich nochmals zwischen Kronberg, Schönberg und Oberhöchstadt wegen der Formulierung eines Zusatzes zu den bestehenden Bebauungsplänen, der ebenfalls erst auf den „letzten Drücker“ am 13. März beigelegt werden kann. Erneut hängt die Fusion am berühmten seidenen Faden. Da aber mittlerweile wohl allen Beteiligen bewusst ist, dass der Bevölkerung der drei Gemeinden nach den langen und oft zähen Verhandlungen ein Scheitern nicht zu vermitteln ist, unterzeichnen am 14. März quasi in letzter Minute im Kronberger Rathaus die drei Noch-Bürgermeister die Finalversion des gerade letztmalig abgeänderten Grenzänderungsvertrag für die freiwillige Fusion (TZ 15.3.). Möller dazu: „Wünsche gedeihliches Leben für unsere neue Stadt ab 1. Juli. Kein Stadtteil soll benachteiligt werden.“ BM Haimerl aus Oberhöchstadt: „Ich bin froh, dass nach all der Hektik der vergangenen Wochen die freiwillige Fusion noch zustande gekommen ist. Die Gemeinden haben aus Überzeugung und nicht aus Zwang Ja gesagt.“

Paragraph 1 des Vertrags hält fest: „Die Stadt Kronberg (Taunus) und die Gemeinden Oberhöchstadt/Ts. und Schönberg (Taunus) schließen sich aus Gründen des öffentlichen Wohls zu einer neuen Gemeinde zusammen.“

Noch wird davon ausgegangen, dass die fusionierte Gemeinde am 1. Juli das Licht der Welt erblicken wird. Beim CDU-Frühschoppen Mitte März gibt Küchler schon einmal einen Ausblick: Das neue Kronberg sei zwar mit nur 18 Quadratkilometer eine der kleinsten Städte im Obertaunuskreis, nähme aber mit 16.000 Einwohnern in puncto Anwohnerzahl nach Bad Homburg und Oberursel den dritten Platz ein. Sehr wichtig sei für ihn, das Zusammenwachsen der drei Stadtteile durch Einrichtung einer neuen Stadtbuslinie zu forcieren, wenn diese Maßnahme auch dauerhafte Zuschüsse erfordere. (TZ 21.3.)

Kein Aprilscherz: Fusion am 1. April

Am 25. März berichtet die TZ, dass die Fusion unerwartet für den 1. April angesetzt worden ist. Der Grund für die plötzliche Eile sei, dass die Zwangsfusion von fusionsunwilligen Gemeinden bereits am 1. Juli vollzogen werde. Ein Eilbrief des Landrats besagt, dass das Regierungspräsidium (RP) ein additives Parlament mit derzeit 47 Mitgliedern (KB 19, OB 15, SB 13) ablehne und künftig nur noch 37 Stadtverordnete vorsähe. Außerdem sei dem RP ein Staatskommissar samt Vertreter und Stadtverordnetenvorsteher seitens des Parlaments vorzuschlagen.

In der letzten Sitzung vor der Fusion wird daher umgehend die geforderte Liste der kommissarischen Besetzung der Stadtverordnetenversammlung und des neun Personen starken Magistrats für das RP aufgestellt. Letzterem sollen BM Möller und als sein Vertreter der ehemalige BM Oberhöchstadts Heinz Haimerl sowie der Ex-BM Philipp Ritter aus Schönberg – jetzt hauptamtlicher Stadtrat – nebst sechs ehrenamtlichen Stadträten angehören. Wilhelm Küchler soll weiterhin Stadtverordnetenvorsteher bleiben. (TZ 1.4.)

Provisorische Regierung

Soweit die Theorie. Da in der Praxis das RP jedoch die vom Kronberger Parlament vorgeschlagenen Staatsbeauftragten bis zum 1. April (Ostersamstag) dann doch nicht mehr bestätigt, herrscht über Ostern in KB ein „rechtsloser Zustand“. Wenigstens Möller zumindest als kommissarischen BM und Haimerl als dessen Vertreter noch vor Ostern durch das RP anerkennen zu lassen, misslingt. (TZ 30.3.)

Das zeigt, dass scheinbar auch das RP heillos überfordert ist. Der „worst case“ ist damit Realität. Es existierte keine offizielle „Regierung“, weil die Ämter aller Stadtverordneten, Gemeindevertreter, des Magistrats sowie die dei BM-Posten zum 1. April erloschen waren. (TZ 7.4.). Daher übernehmen Möller und Haimerl über Ostern von sich aus die „provisorische Regierung“ ohne amtliche Absegnung. Küchler dazu: „Im Katastrophenfall hätte sonst keine Entscheidungsstelle existiert.“ Bei ihm stößt der so kurzfristig gefasste Kabinettsbeschluss ohnehin auf völliges Unverständnis, denn nun bestehe seiner Meinung nach die große Gefahr zu schnellen und damit unüberlegten Beschlüssen.

Erst am 7. April ist es dann soweit: Die Bestätigungsurkunden treffen in Kronberg ein. Das RP hat Rudolf Möller zum kommissarischen Staatsbeauftragten der neuen „Großgemeinde“ Kronberg sowie Haimerl und Ritter zu hauptamtlichen Stadträten ernannt. Die Fusion ist damit jetzt erst juristisch gesichert unter Dach und Fach.

Keine Lust aufs Feiern

Mit dem RP in Darmstadt muss nunmehr abgeklärt werden, welche Aufgaben der Magistrat überhaupt in der Übergangsphase erledigen kann und welche Befugnisse den Stadtverordneten in der Übergangszeit bis zur Kommunalwahl im Oktober zustehen. Nach Möllers Einschätzung werde die Überbrückungszeit in Kronberg länger als in allen anderen Orten andauern, da sich erst nach der Kommunalwahl ein neues Parlament konstituieren und dann ein hauptamtlicher Magistrat gewählt werden könne. Falls das BM-Amt ausgeschrieben werden sollte, könne diese Periode sogar noch länger dauern (TZ 7.4.). Das jetzige kommissarische Parlament dürfe weder Bebauungspläne noch Satzungen aufstellen. Kronberg stelle damit einen einmaligen Ausnahmefall dar. Sicher sei nur, dass in Kronberg ein eigenständiges Passamt sowie eine Gewerbe- und Verkehrsbehörde eingerichtet werde. Die einstigen Standesämter von Schönberg und Oberhöchstadt seien schon mit dem in Kronberg vereint worden. Eine alle drei Stadtteile verbindende Stadtbuslinie solle zügig installiert werden. Durch die vorgezogene Zusammenlegung wären viele Fragen noch offen.

Eigentlich sollte die Fusion mit einem Fest zum 1. Juli stattfinden. Dann wäre auch das Zusammengehen der drei Verwaltungen ruhiger verlaufen. Möller: „Jetzt ist wohl erst einmal niemanden mehr zum Feiern zumute.“ (TZ 10.4.).

Fazit

Rückblickend lässt sich sagen, dass alle drei Gemeinden im Lauf des Jahres 1971 rasch erkannten, dass sie fusionieren werden müssen – entweder freiwillig oder gezwungenermaßen per Gesetz. Jeder Ort versuchte daher im Vorfeld das Beste für sich herauszuholen. Die Folge: Gefeilscht wurde bis zum Schluss und so manches Scheingefecht ausgetragen. Kronberg als bevölkerungsstärkste Gemeinde trat von Beginn an beherrschend auf und gab die Richtung vor, wenn es auch immer wieder von eigentlich gleichberechtigten Partnern bei den Verhandlungen sprach. Dass die Burgstadt sich sehr dominant verhielt, wurde spätestens mit der Wahl von Rudolf Möller zum neuen Bürgermeister kurz vor der Fusion klar ersichtlich. Statt sich fairerweise auf einen kommissarischen Bürgermeister, wie vor allem von Schönberg erbeten, zu einigen, um dann nach der Fusion ein neues Stadtoberhaupt gemeinsam mit Schönberg und Oberhöchstadt zu bestimmen, setzte die CDU in Kronberg alles daran, ihren Kandidaten „durchzudrücken“. Die Rechnung ging dank der Zustimmung des Regierungspräsidiums, das Vorschaltgesetz nicht anzuwenden, auf.

Die Schönberger wiederum wollten niedri- gere Steuersätze für eine bestimmte Zeit erreichen, was ihnen nur eingeschränkt gelang. Ihren aufgeblähten Haushaltsentwurf hatte der Landrat da bereits kassiert. Einen Versuch war es allemal wert.

Oberhöchstadt liebäugelte anfangs mit Oberursel statt mit Kronberg, wohl nicht zuletzt, um eine höhere Konzessionsbereitschaft seitens Kronberg und Schönberg zu erreichen.

Das Regierungspräsidium machte das Chaos dann perfekt, als es den Fusionstermin kurzerhand auf den 1. April 1972 vorverlegte und das gerade aus der Taufe gehobene „Groß-Kronberg“ für rund eine Woche ohne rechtlich gesicherte Stadtführung dastehen ließ. So konnte die neue Gemeinde sogleich ungewollt ihre erste Bewährungsprobe bestehen.
Walter A. Ried

Die Burgstadt von Mammolshain aus betrachtet.
Foto: W. A. Ried

Die drei Bürgermeister bei der Unterzeichnung des Grenzänderungsvertrages. V.l.n.r.: Heinz Haimerl, Rudolf Möller und Philipp Ritter
Foto: Stadtarchiv Kronberg

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