Austrittswelle in Kirchen hinterlässt deutliche Spuren – St. Vitus muss aufgegeben werden

Das Schicksal von St. Vitus scheint unabwendbar. Auch der alte Kirchenteil ist stark sanierungsbedürftig. Vorgesehen sind ein Kita-Neubau und eine wesentlich kleinere Versammlungsfläche. Das Zeitfenster allerdings umspannt bis zu zwanzig Jahre. Foto: Muth-Ziebe

Oberhöchstadt (hmz) – Das Damoklesschwert über den Fortbestand des Kirchortes St. Vitus Oberhöchstadt schwebte schon längere Zeit über den Köpfen der Gemeindemitglieder und des Ortsausschusses, der von Anbeginn involviert war und dessen Stellungnahmen in den Gesamtprozess miteingeflossen sind. Nun ist es Gewissheit und die Fakten liegen auf dem Tisch: Das Gemeindehaus sowie die Kita mit den vier angeschlossenen Wohnungen sind baulich so marode, dass sie aufgegeben werden müssen. Die Kita soll neu gebaut und in den Kirchenraum eine Versammlungsfläche eingebaut werden. Phasenweise sollen Umbaumaßnahmen und Teilverkauf von Grundstück und Gebäude erarbeitet werden. Die 300 Jahre alte Kirche hat massive Schäden in der Sakristei und im Turm.

Geänderte Bedürfnisse

Walter F. Schäfer, Pfarrgemeinderatsvorsitzender der Pfarrei Maria Himmelfahrt, und Pfarrer Stefan Peter, der in persona neun Kirchorte betreut, stellten die derzeitigen Pläne vor und betonten dabei ausdrücklich, dass von einem Handlungsspielraum von zehn bis 20 Jahren ausgegangen werden müsse. Zwischenergebnisse würden in diesem Zeitraum kontinuierlich evaluiert und neu bewertet. „Die Bedürfnisse der Gesellschaft haben sich verändert und wir als Kirche müssen uns anpassen und reagieren“, so Schäfer. Damit meint er vor allem den anhaltenden Mitgliederschwund, der die Kirchen zunehmend vor finanzielle Herausforderungen stellt. Die Austrittswelle hinterlässt immer deutlichere Spuren und Konsequenzen. Das Thema wurde angesichts weniger Kirchensteuereinnahmen in den letzten Jahren immer bedeutsamer. Denn daraus resultiert, dass auch wegen der hohen Unterhaltungskosten evangelische Landeskirchen und römisch-katholische Bistümer in Deutschland Immobilien verkaufen müssen. Der allgemeine Schrumpfungsprozess der Mitgliederzahlen ist alarmierend. Zählte das Bistum im Jahr 1980 etwa 950.000 Katholiken, so waren es 2010 noch 655.000 und 2022 dann noch 539.000. Im Jahr 2019 erschien eine Modellberechnung, wonach bis zum Jahr 2060 die Zahl der einer der beiden großen Kirchen zugehörigen Christen in Deutschland um weitere 50 Prozent zurückgehen werde. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass diese Zahl noch optimistisch ist. Egal wie es gedreht oder gewendet wird, die Zahl der Kirchenmitglieder wird definitiv stark sinken. „Wir erleben einen sehr starken Säkularisierungsprozess“, so Schäfer.

Gebäudebestand nicht haltbar

Der Gebäudebestand ist noch weitgehend derselbe wie in den 80er Jahren. „Damit ist klar, dass in Zukunft nicht alle Gebäude unterhaltbar sind und dass schlicht und einfach auch nicht alle Gebäude mehr in diesem Umfang gebraucht werden“, so Schäfer weiter. Daher habe das Bistum das Projekt Kirchliche Immobilien Strategie (KIS) aufgesetzt, mit dessen Hilfe die Pfarreien ihre Immobilien erfassen und auf deren Zukunftsfähigkeit hin untersuchen können. Damit soll letztendlich auch die Leistungsfähigkeit der Pfarreien mit Hinblick auf das „Kerngeschäft“, also Verkündigung und Seelsorge, erhalten werden. Nach der Entscheidung über das Nutzungskonzept folgt die Umsetzung der Maßnahmen. „Wir rechnen mit einem deutlichen Verteilungskampf, wenn es um das jeweilige Budget geht. Wir müssen Strategien entwickeln, wo künftig was gebraucht wird, und wir müssen auch die Verkehrssicherheit der Gebäude gewährleisten“, so Pfarrer Peter. St. Vitus trifft jetzt das Schicksal vieler Gemeinden, denn mit der Schließung von Kirchengebäuden geht häufig auch ein Verlust von Möglichkeiten in der sozialen Gemeinwesenarbeit einher.

Wenig Ehrenamtliche

„Wir wissen, wie schwierig es ist, die kirchliche Strategie und das Pastoral zu verbinden. Eigentlich lässt sich das nur schwer vereinbaren, aber wir mussten diese Weichenstellung vornehmen.“ Es würde eben nicht nur das Geld, sondern auch das Personal fehlen. „Dabei geht es auch um Ehrenamtliche für ganz normale Grunddienste.“

Muss eine Kirche für immer geschlossen werden, geht damit auch ein Stück Heimat verloren – nicht nur für die Kirchenmitglieder, sondern auch für die kommunale Gesellschaft vor Ort. Kirche ist immer noch für viele Menschen ein Ort, der verknüpft ist mit zahlreichen Erinnerungen wie Taufe, Konfirmation oder Hochzeit.

Auch das Ortsbild verändert sich, denn traditionell steht die Kirche mit ihrem Glockenturm mitten im Dorf oder Stadtteil, so wie in Oberhöchstadt. Es gibt auch eine gute Nachricht: St. Peter und Paul in der Kronberger Kernstadt ist von der aktuellen Strategie nicht betroffen. Insgesamt sind es 35 Gebäude in den neun Kirchorten, deren Zukunft auf der Kippe steht.



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