Kronberg (hmz) Das soeben wieder eröffnete Gasthaus „Zum Adler“ gehört wohl zu den imposantesten in der Ortsmitte. Exponiert über dem Eingang das eindrucksvolle Wappen: der doppelköpfige schwarze Adler auf goldenem Grund mit roten Krallen. Die neuen Eigentümer haben es zusammen mit dem maroden Ausleger aufwendig restaurieren lassen. Wappen und Ausleger sind eine Reminiszenz an die Bedeutung des Hauses für die Kronberger Malerkolonie einerseits und eine Erinnerung an die Kronberger Rittergeschlechter andererseits. Der Reihe nach: Ein derartiges Symbol überhaupt tragen zu dürfen bedeutete, sich Verdienste erworben zu haben, im Hochadel angekommen und der „Gnade“ des Kaisers sicher zu sein. Schon die römischen Imperatoren führten einen Adler als Zeichen ihrer Macht. Das oströmische Kaisertum übernahm dieses Herrschaftssymbol und fügte einen zweiten Kopf hinzu, als Zeichen der weltlichen wie geistlichen Macht. Das Heilige Römische Reich verwendete den Doppeladler in Schwarz auf Gold seit der Regierungszeit Kaiser Sigismunds (1386-1437), der genaue Beschluss datiert auf das Jahr 1433. Der Weg zu Einfluss und Macht im Zeitalter von Schwert und Glauben war auch für die Ritter vom Flügel- und Kronenstamm in Kronberg mühsam.
Als den Rittern Hartmut und Walther von Cronberg die Stadtrechte für das „Tal“, das heißt die bürgerliche Siedlung rund um die Burg, von Kaiser Ludwig der Bayer (1330) verliehen wurden, war ein wichtiger Grundstein gelegt. Bis zu dem Jahr, von dem an die Kronberger Ritter den Reichsadler im Wappen führen durften, vergingen allerdings weitere 288 Jahre, Ulrich der Rote von Cronberg erwarb von Kaiser Karl IV. das Marktrecht für die Stadt und damit die Hohe Gerichtsbarkeit für die Herrschaft. Im Jahr 1389 kam es dann zur Fehde der Cronberger Ritterschaft mit der Reichsstadt Frankfurt, der Sieg gelang mit Hilfe mächtiger Verbündeter. Damit festigten die Ritter ihre Ansprüche, die Einwohnerzahl wuchs und mit ihr der Wunsch nach Schutz und Sicherheit. Eine neue Stadtmauer wurde errichtet. Auch in Kronberg hielt die Reformation Einzug. Hartmut XII. von Cronberg (1488-1549), einer der frühesten Anhänger Luthers, schloss sich Franz von Sickingen an, Feldzüge überzogen das Land. Mit dem Jahr 1526 wurde die Reformation schließlich auch in Hessen und Kronberg eingeführt.
Johann Schweikhart von Cronberg, ein Enkel Hartmuts XII., wurde Kurfürst und Erzbischof von Mainz und setzte die Erhebung seines Neffen Adam Philipp von Cronberg in den Reichsfreiherrenstand durch. Anlässlich dieser Standeserhebung im Jahr 1618 wurde das Wappen mit den zwei Kronen um ein Herzschild mit dem doppelköpfigen Reichsadler als kaiserliches „Gnadenzeichen“ ergänzt. In dieses Jahr fiel der Anfang des 30-jährigen Krieges, der in weiten Teilen Europas wütete. Kronberg litt besonders unter den Schweden und Hessen. Adam Philipp von Cronberg, Kommandeur der „Cronberger Kürassiere“ und gefürchteter kaiserlicher Reiterführer, wurde im Jahr 1630 aufgrund seiner Verdienste zum Reichsgrafen von Cronberg von kaiserlichen Gnaden ernannt. Vier Jahre später verstarb er allerdings an einer Seuche. Sein Nachfolger wurde Reichsgraf Kraft Adolf Otto von Cronberg (1629-1692). Die privilegierte Stellung der „ Cronberger Ritter“ endete, als im Jahr 1704 die männliche Linie ausstarb.
Ein Sprung ins 19. Jahrhundert: Als Jakob Fürchtegott Dielmann in den fünfziger Jahren jenes Jahrhunderts von Frankfurt in die Taunusstadt zog und zusammen mit seiner Frau eine bescheidene Dachwohnung im Gasthaus „Zum Adler“ bewohnte, ahnte er noch nicht, dass er der erste in einer langen Reihe sein würde. Ihm folgten Anton Burger, Philipp Rumpf, Adolf Schreyer, Heinrich Winter, Otto Scholderer, Fritz Wucherer und viele andere mehr, die gemeinsam die „Kronberger Malerkolonie“ ausmachten. So allmählich entwickelte sich Kronberg zu einer Künstlerstadt und das Gasthaus wurde zum beliebten Treffpunkt. Der „Malersaal“ wurde ein Ort fröhlich ausgelassener Feste. Die Maler gestalteten ihren Saal dann auch ganz in ihrem Sinne und auf ihre Weise aus: Sie schmückten den Saal in den 1860er Jahren mit 34 Wandmalereien mit zumeist der Stimmung angepassten heiteren Motiven. Mit den ebenfalls gemalten Bilderrahmen wirkten sie verblüffend plastisch.
Mit dem Malersaal gelangte auch das Gasthaus zu Berühmtheit. Anton Burger tat noch ein weiteres, um das Künstlerdomizil auch nach außen hin zu kennzeichnen: Er zog den Ausleger mit dem doppelköpfigen Adler durch ein Fenster und malte dem Adler Pinsel und Palette in die Krallen, dort, wo sonst die Machtinsignien Schwert und Reichsapfel ihren Platz haben.
Das wurde übrigens im Jahr 1851 in einem Bericht im Oberurseler „Taunuswächter“ als „köstlicher Humor“ gewertet. Die Wandbilder verblassten mit der Zeit, und mühevoll mussten sie ein Jahrhundert später zusammen mit der Putzschicht abgetragen und restauriert werden, um dieses Erbe bewahren zu können, das sich heute überwiegend in Privatbesitz befindet. Während die Wandbilder verblassten blieb der Ruhm der Kronberger Malerkolonie beständig. Als im Jahr 1979 die „Museumsgesellschaft Kronberg“ gegründet wurde, fand die wertvolle Bildersammlung ihren Platz. Die Vorlage für das ursprüngliche Logo des Vereins war der Ausleger des Gasthauses mit dem doppelköpfigen Adler und den Malutensilien.
Über dem Hauseingang des Gasthauses liest sich eine Inschrift wie folgt: „Johann Adam Bleichenbach und dessen Ehefrau Anna Catharina ist das vorige Haus „Zum schwarzen Adler“ genannt, 1780, den 25. Februar, durch Feuersflammen abgebrannt und mit Gott von ihnen wieder erbaut den 26.Sept.1780“, eine erstaunlich kurze Bauzeit. Vermutlich gab es den „Schwarzen Adler“ schon im Jahr 1690 an dieser Stelle und somit könnten die Kronberger Ritter durchaus Gäste gewesen sein. So wäre auch vorstellbar, dass sie, wie später Anton Burger mit Pinsel und Palette, ihr bevorzugtes Gasthaus mit dem schwarzen Doppeladler kennzeichneten. Verbürgt ist das allerdings nicht.
Während sich die beiden Adlerköpfe im Mittelalter noch in Richtung weltlicher und geistlicher Machtzentren drehen mussten, hätten sie ab dem 18. Jahrhundert einer durchaus anderen Bestimmung folgen können, ohne die Köpfe verdrehen zu müssen. Mit einem Kopf in die lange Tradition der Kronberger Gasthäuser und ihrer reichen Geschichte und mit dem anderen auf das Kunstschaffen in der Stadt, das mit der Malerkolonie seinen Anfang nahm. Ein genauer Blick auf diese die Fassade schmückenden Elemente lohnt sich also im doppelten Sinn.
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