Kronberg (aks) – Die zierliche Frieda Braun betritt leicht gebückt, aber energisch, mit dem Handtäschchen vor der Brust, die kleine Bühne des Kronberger Kinos, auf der sie geschäftig hin- und herläuft. Die schrullige Alte, die ihre besten Jahre wohl als Hausfrau in den 50er-Jahren erlebt hat, erweist sich im Laufe des Abends als Knallerfrau, die voller Schadenfreude ihre Lebenserfahrungen mit ihrem Gatten Erwin und ihrem Bekanntenkreis in Winterberg (Winterberch!) in sauerländischem Platt raushaut. Selbst die wegen des drohenden Lockdowns leicht verspannten Zuschauer versetzte sie in einen angenehmen Entspannungs- und Amüsiermodus. Endlich wieder von Herzen lachen über die „Dönekes“ des Lebens und die grellen Erinnerungen an „früher“, über die das Publikum herzlich schmunzeln konnte! Nichts Politisches – das tat spürbar gut, und die Stimmung war entsprechend heiter. So freute sich die joviale Kabarettistin gleich zu Anfang über das „gesunde und pausbäckige“ Kronberger Publikum. Gott sei Dank sei hier keiner von Corona oder vom „Björn-Out“ betroffen. Die Krankheit, die wie „ein norwegischer Junge“ heiße, schlage heimtückisch auf „dem Weg nach oben“ zu. Ist doch klar, „das viele, für die Karriere nötige Fachwissen lagert sich in den drei Gehirnlappen ab – wie gut, dass da eine Frisur drüber ist und man die Lappen nicht sieht!“ Vom vielen Arbeiten werde der Kopf immer schwerer – so schwer, dass man ihn irgendwann abstützten müsse. Als Beispiel fällt ihr Königin Elisabeth ein, sie trage immer Hüte „mit Schwerpunkt“, also mit Blütendekor nur auf einer Seite, sozusagen als Ausgleich. So entstand auch Friedas „Splittergruppe“ mit elf Frauen, die sich fragten: „Wie können wir den „workaholics“ helfen?“ Relativ schnell war man sich einig, dass Weiterbildungs-Seminare eine patente Lösung seien, in denen jeder „Björn-Out“-Kranke sein Wissen weitergeben und damit „ausleiten“ könne. Ein Angebot nicht ohne Brisanz für die Damen der Winterberger Gesellschaft, lautete doch die Gretchenfrage: „Wie viel Bildung verträgt meine Partnerschaft?“ „Früher haben Partnerschaften gehalten bis zum Tod, weil die Frau so ungebildet war. Die hat gar nicht gemerkt, dass ihr Mann dumm war.“ „Miteinander lädiert“ verbrachte man die Ehejahre „immer im Sofa“. Während man heute als Frau, die sich am besten „tröpfchenweise“ weiterbildet, riskiert, dass man sich „komplett von ihm fortbildet“. Männer müssten dann „ausgewildert“ werden, was draußen allerdings kaum auffalle.
So plappert die Kabarettistin, die ihren Namen im wirklichen Leben nicht preisgeben möchte, als Kunstfigur Frieda Braun von ihrer „Winterbercher Splittergruppe“ mit weichem G und hartem R. Elf Frauen seien genug, Neuaufnahmen nicht gewünscht und auch nicht geplant. Auch „es Fiola“ (im Sauerland wird weiblichen Vornamen der Artikel „es“ vorangestellt) hätten sie nicht aufgenommen, obwohl sie für jede der elf Frauen selbst gekocht hätte: Gerichte wie „sperrige Rippe mit Essanleitung“ und Nudeln „warte – Fuselini oder Strangulini“, wobei diese beim Kochen mit Öl gegen die Tomatensoße imprägniert seien und so beim „Reinschlürfen“ Soße ins Gesicht spritzten. Ihre Lautmalerei ist so „köstlich“ wie ihre Mimik. Ihr trippelnder Gang, der ab und zu übermütig tänzelt, die blinzelnden Augen und die hochgezogenen Schultern sind perfekt einstudiert, und so meint man eine ältliche Frau vor sich zu sehen, obwohl die Kabarettistin gar nicht alt aussieht. Ein bisschen tüdelig blättert Frieda Braun immer wieder mal in ihren Seminar-Notizen und nippt an ihrem Wasserglas: „Warte!“ (Watte ausgesprochen!). Allen im Saal legt sie die Seminare wärmstens ans Herz. Klangvolle Themen laden zum Teilnehmen ein: „Heimische Fauna und Flora – oder wir essen unsere Heimat“ oder auch „der mündliche Patient“ zum richtigen Umgang „mit Influenzarn“ – und besonders hilfreich sei der „Kurs zur Selbstliebe“. Einfach jeden Morgen vor dem Spiegel sagen: „Du bist schön!“ Das übt die rüstige Rentnerin mit den hochgesteckten Locken im 50er-Jahre-Rock mit Bluse dann auch gleich mit den Herren aus dem Publikum ein. Jean aus Oberursel kommt ungeschoren davon, Jürgen aus Eschborn gefällt ihr besser, und so muss der aufstehen und in Variationen kundtun: „Ich bin schön, du bist schön, ich bin auch schön …“ Das bringt viele spontane Lacher. Frieda Braun triumphiert: so schnell geht es, seine Umwelt zu verzaubern.
Männer seien im Technik-Kurs gut aufgehoben zum Thema „Internet und Telefonie“, ein bisschen „kaltes Thema“ (im Gegensatz zur Selbstliebe) dafür aber aktuell. Sie erinnere sich noch gut an die lindgrünen Telefone mit „Brokatponcho“ und einer Schnur, die so kurz war, dass man „im Flur bibberte“. Heute alles kein Problem mit den „Zartphones“, wo sie vor Reisen schon mal das Wetter „gurgele“. „Internet für Silbersurfer“ sei eine gute Sache für die Rentner in Winterberg. Gefahr drohe heute nicht mehr von den Taliban, sondern von Trojanern im Netz. „Früher gab es Einladungen mit Festplatte und Schnittchen“, heute hätte man Mühe, die vielen (virtuellen) Freunde wieder loszuwerden. Die Spezies Mann scheint ihr nicht ganz geheuer, die rede sich nämlich ein, Faulheit sei eine Krankheit – sie nennen es „Phleechma“. „Menschen, die sich gehen lassen“. Sie vergleicht Männer mit „Eichhörnchen“, wenn sie über ihre Handys wischen, oder mit „Erdferkeln“, wenn sie sich nach ihrem Geschmack ungehobelt und nicht immer stubenrein verhielten. So wie Bruno und Wilbrecht, entweder kleinlaut verheiratet oder irgendwie verwilderte Junggesellen, ja, sogar mit Haaren in den Ohren – „ein Trampelpfad, wenn im Gehörgang kein Verkehr ist“. Und wieder andere, die ein Schnitzel nicht von der gebratenen Styropor- Verpackung unterscheiden könnten. Oder wie Otto, in der sHobbyfeuerwehr statt in Rente, der als Höhepunkt bei jedem Weihnachtsfest den Tannenbaum mit Schaum löscht.
Vor Klopapier mit Spekulatiusduft sei gewarnt, da vermute der Gast zu Unrecht, dass man die Plätzchen in der Toilette lagert. In diesem Sinne hat uns Frieda Braun einen lustigen Einkehrschwung vor Weihnachten beschert und uns ermutigt, das Lachen bis Weihnachten nicht zu vergessen. Das ist ja sowieso die beste Medizin und hilft uns hoffentlich durch die dunklen Tage und gegen den Corona-Blues.
Nun heißt es wieder Abstand wahren und Kontakte einschränken, damit dann Konrad Beikircher im Dezember, wie geplant, im Kino Kronberg vor Publikum brillieren kann.