Frühlingserwachen auf der Obstwiese

Der Rundweg führte die Teilnehmer der Obstwiesenführung mit Dieter Krieger auch vorbei an dem Wildobstpfad, den seinerzeit die Stadt Kronberg mit Unterstützung von Ann Katrin Linsenhoff angelegt hatte. Der Spazierweg wird von Kronbergern gerne genutzt, nur leider sind die Schilder schon länger nicht mehr leserlich. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Zum „Frühlingserwachen auf der Obstwiese“ hatte Obsthofchef Dieter Krieger eingeladen und nicht zu viel versprochen: Rundherum um den Obsthof am Geiersbergweg lockten duftende Blüten, Sträucher und Bäume, wohin das Auge reichte. Zurzeit steht alles in wahrer Blütenpracht. Dazu punktete Ostern mit einem stahlblauen Himmel und Sonne satt. So wurde die Führung durch die Obstwiesen mit Apfelweinprobe, die Dieter Krieger am Ostersonntag gleich zwei Mal für alle interessierten Gäste anbot, zu einer Bilderbuchwanderung durch Kronbergs Streuobstwiesenlandschaft und Kastanienwälder, vorbei an gepflegten, verwunschenen und verwilderten Kleingärten und vielen Streuobstwiesen, die teilweise im Besitz des Kronberger Landwirts sind. Trotz Bilderbuchwetter hatte Dieter Krieger allerdings einiges Wissenswertes für die Gäste parat, auch wenn das zum Bilderbuchwetter nicht so ganz passen mochte. Darunter war die Tatsache, dass die Landwirte sich derzeit eigentlich Regen statt Sonne und Trockenheit wünschen, noch die harmloseste Information. Die Wetterkapriolen im vergangenen Jahr, die anhaltende Trockenheit bis weit in den Herbst hinein, seien, was die Wasserreserven betreffe, noch nicht wieder aufgeholt. Die frühe Wärme im April und der fehlende Bodenfrost im Winter seit einigen Jahren führten dazu, dass die Pflanzen drei bis vier Wochen früher ausschlagen würden, klärte er auf. Kommt dann, was eigentlich normal für die Jahreszeit April ist, noch einmal ein Kälteeinbruch, drohen die bereits ausgetriebenen Pflanzen und Blüten zu erfrieren.

Dieter Krieger hat auf seinen 16 Hektar 800 alte Hochstämme, die er pflegt, allesamt alte Obstsorten. Aus den Apfelsorten wie dem Bohnapfel, Gelber Boskoop, Schafsnase, der Alten Gelben Goldparmäne werden hauptsächlich Saft und Wein hergestellt, der Tafeläpfelverkauf macht nur einen kleinen Teil senes Umsatzes aus, berichtet er. Was Laien oftmals nicht wissen, die Landwirte kämpfen nicht nur mit Missernten bei Schädlingsbefall oder beispielsweise dem Blütenfrost, sondern auch mit Niedrigpreisen bei „zu guten“ Ernten. Neue Obstsorten, die es in den Supermärkten zu kaufen gibt, sind für den Kronberger Landwirt ebenfalls uninteressant, weil darauf Lizenzen an die Rechteinhaber der speziellen Apfelsorte zu zahlen sind und weitere Auflagen einzuhalten sind, wenn man diese sogenannten „Clubsorten“ anbauen möchte. Außerdem kämpfen die Landwirte gegen die Verbraucher, die ihre Ware schnell und einfach beim Großmarkt in den Einkaufswagen legen, weil sie Zeit sparen wollen. „Die wenigsten scheinen sich Gedanken zu machen, dass sie damit ihre Kulturlandschaft, durch die sie gerne spazieren gehen, Mountainbiken oder joggen, gefährden“, bedauert Dieter Krieger. Er hält mit seinem Konzept, sortenreine Apfelweine und besondere Obstseccos draußen in seiner idyllischen Schankwirtschaft anzubieten, dagegen und wird nicht müde, die Menschen über die Realität aufzuklären: „Wie soll man dagegen ankommen, wenn das Frachtschiff für 1.200 Euro den Bioapfel aus Neuseeland billiger hierher bringt als der Lastzug die Äpfel vom näher gelegenen Bodensee?“ Trotzdem ärgert ihn so manche ungeklärte, beziehungsweise uneinheitliche EU-Richtlinien, die auch die bewusster einkaufenden Verbraucher hinters Licht führen: Beispielsweise würde ihnen auf den Etiketten immer wieder vorgegaukelt, dass sie sich deutsche Produkte in den Einkaufswagen legen: „,Abgepackt in Deutschland‘“, das liest sich gut, bedeutet aber noch lange nicht, dass die Kartoffeln oder Tomaten aus Deutschland kommen“, erklärt er. Gemeinsam mit seinem Sohn Adrian, gelernter Winzer, überlegt er, was an den sonnigen windgeschützten Kronberger Taunushängen noch Sinn machen könnte, anzubauen: Wein oder doch lieber Erdbeeren, die dann nicht wie die spanischen „wie gemalt aussehen, aber nach Kohlrabi schmecken“? „Erdbeeren ist schwierig“, sagt er, „denn alles Obst, das nicht mechanisch geerntet werden kann, rechnet sich heute leider kaum noch.“ Ob denn seine alten Hochstämme geschüttelt werden können bei der Ernte?, fragt eine Teilnehmerin der Obstwiesen-Wanderung. „Die meisten schon“, erklärt er seiner Besucherschar. Am pflegeintensivsten sind die jungen Bäume. Es sei wie mit den Babiys, sie müssen erst erzogen werden. „Die ersten zehn Lebensjahre brauchen die jungen Bäume ihren Erziehungsschnitt“, erzählt er auf seiner Route durch den Kastanienwald Richtung Thalerfeld, vorbei am Wildobstpfad und der Erlebnisobstwiese. Ohne ehrenamtliches Engagement seien solch schöne Ideen wie ein Obstlehrpfad oder eine Obsterlebniswiese wie die vom Obst- und Gartenbauverein gar nicht denkbar. Hier würde er sich mehr Unterstützer wünschen und auch mehr aktive Mitwirkung seitens der Stadt Kronberg, um eingerichtete Lehrpfade oder beispielsweise auch das Kleinod Kronthaler Quellen als Besonderheiten der Stadt im Grünen zu erhalten und noch besser zur Geltung zu bringen. Auf halbemWeg mit Blick auf die Kronberger Altstadt und vielen weiteren Geschichten über Kronbergs Entwicklung gab es, nach vielen Informationen und Geschichten rund um den Obstanbau, erst einmal einen kühlen Schoppen. Krieger erzählte von Obstpfarrer Christ, durch den Kronberg überhaupt erst zur angesehenen Obstanbau-Gemeinde wurde, von der Einführung der Eisenbahn und den damit verbundenen Veränderungen – der Obstanbau wurde bei vielen Familien nur noch zum Nebenerwerb betrieben, genauso wie er die sogenannte „Realteilung“ der Grundstücke vor Ort aufzeigte, die seinerzeit dazu führten, dass die Grundstücke sukzessive, von Generation zu Generation, immer kleinteiliger wurden, bis nur noch Parzellen, auf die gerade mal eine Baumreihe passen, übrig blieben. Schließlich kehrten die munteren Osterausflügler rundherum informiert auf den Obsthof zurück, wo Durst und Hunger weiter gestillt werden konnten. Für die Kinder gab es außerdem eine Ostereiersuche und am Ostermontag war es nicht der Apfelwein, der im Mittelpunkt des Frühlingserwachens auf der Obstwiese stehen sollte, sondern das Bier: Dazu hatte Dieter Krieger Stefan Schmidt von der Getränkeschmiede Schmidt eingeladen, der den interessierten Besucherinnen und Besuchern alles Wissenswerte rund um das Bierbrauen erklärte, natürlich inklusive Biergenuss.

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