Kronberg (mw) – Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind in Kronberg (Stand 7. April) 179 Personen in privaten Unterkünften untergekommen, davon 72 Minderjährige, informierte Bürgermeister Christoph König in einem umfänglichen Bericht die Stadtverordneten zu später Stunde zur Situation ukrainischer Kriegsflüchtlinge in Kronberg. Die überwiegende Zahl hiervon kam aufgrund privater Vermittlung. Wir haben keine Angaben darüber, wie viele dieser Menschen in einer abgeschlossenen Wohnung oder einem abgeschlossenen Gästezimmer wohnen und wie viele in die Wohnung der Gastgeber aufgenommen wurden. „Es zeigt sich in der Zwischenzeit, dass sich einige der privaten Gastgeber der Konsequenzen ihres Handelns nicht bewusst waren. Die Aufnahme fremder Menschen, meist ohne deutsche und oft ohne englische Sprachkenntnisse, in die eigene Wohnung stellt eine erhebliche Belastung dar, zumal die Dauer der Aufnahme nicht absehbar ist. Inwieweit die Gastgeber ihre Gäste auch finanzieren oder versorgen, ist uns ebenfalls nicht bekannt – von Einzelfällen abgesehen, in denen es zu Problemen kommt“, berichtete er. „Einige Flüchtlinge mussten infolgedessen ihre private Unterkunft bereits wieder verlassen; im Einzelfall wurde dies der Stadt mit wenigen Stunden Vorwarnzeit angekündigt, in der Erwartung, dass die Stadt diese Menschen aufnimmt oder anderweitig unterbringt.“ Aus rechtlichen Gründen sei eine Überführung dieser in Kronberg gemeldeten Flüchtlinge in die Flüchtlingsversorgung des Landes nicht mehr möglich; ob eine Übernahme in die Gemeinschaftsunterkünfte des Kreises möglich ist, werde derzeit noch geklärt. Die Beratung der privaten Gastgeber erfordere einen hohen Aufwand und habe die Probleme dieser Form der Unterbringung deutlich gemacht. Daher hat sich die Stadt – in enger Abstimmung mit dem Kreis – entschieden, nur abgeschlossene Wohnungen mit unbeschränkter Belegungsmöglichkeit und wenigstens sechs bis zwölf Monaten Nutzungsdauer anzumieten (wir berichteten). „Dies kann aber nur dazu dienen, besondere Einzelfälle abzufangen; eine dauerhafte Versorgung von mehreren hundert Personen ist auf diesem Wege nicht darstellbar“, machte er klar.
Zwei Gemeinschaftsunterkünfte
Aus den vorgenannten Gründen sei die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften unerlässlich. „Die vorhandene Einrichtung im ehemaligen RPZ in der Friedrichstraße ist weitgehend belegt. Das ebenfalls angefragte Fritz-Emmel-Haus ist für die nächsten Monate gut gebucht und also nicht verfügbar. Die Altenpflegeschule des DRK in der Geschwister-Scholl-Straße kann aus Gründen des Brandschutzes erst nach einem Umbau, der über 40.000 Euro kosten würde, genutzt werden; diese Option wurde daher zunächst zurückgestellt“, erläuterte er zur Suche nach möglichen Lösungen.
Mit der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist hatte die Stadt bereits im vergangenen Jahr Kontakt aufgenommen, um nach der Schließung der GU Schönberger Straße eine Zwischennutzung des aufgegebenen Seniorenstifts Kronthal als Gemeinschaftsunterkunft zu ermöglichen. „Diese Kontakte wurden Anfang März seitens der Stadt wieder aufgenommen. Seither arbeiten Stadt, Kreis und Stiftung gemeinsam an der Herrichtung des Seniorenstifts als Gemeinschaftsunterkunft. Es besteht die Absicht, hier eine GU speziell für ukrainische Frauen und Kinder einzurichten. Das Seniorenstift hatte etwa 100 Bewohner, so dass ich hier von einer ähnlichen Kapazität ausgehe“, informierte König.
Mitte März führten die Stadt, der Hochtaunuskreis und der neue Eigentümer der Liegenschaft Oberer Aufstieg 22 – ehemaliges Ausbildungszentrum der Deutschen Bank – erste Gespräche über eine Nutzung der Anlage als Gemeinschaftsunterkunft. „Nachdem geklärt war, dass das RP Gießen kein Interesse an der erneuten Nutzung der Liegenschaft hat, konnten zwischen Kreis und Eigentümer die Einzelheiten der Nutzung ausgehandelt werden.“ Der Mietvertrag ist unterzeichnet. Die Stadt rechnet mit einer Belegung der Anlage als GU ab Ende April. „Die Kapazität beträgt bis zu 600 Plätze, allerdings gehen wir derzeit nicht von einer Vollbelegung aus“, so der Bürgermeister.
Der Landrat des Hochtaunuskreises erklärt hierzu: „Kronberg leistet mit der wieder eingerichteten Gemeinschaftsunterkunft einen besonderen Beitrag zur Unterbringung der Flüchtlinge im Hochtaunuskreis.“ Daher gehöre es zu einer fairen Lastenverteilung innerhalb des Kreisgebietes, dass für die Erstaufnahmeeinrichtung in der AKS-Sporthalle ein Standort in einer anderen Kommune gefunden werde. Im Übrigen wolle man so schnell wie möglich die Sporthalle wieder für den Sportunterricht und die Vereine frei machen. „Wir sind zuversichtlich, bis zur Sommerpause eine alternative Lösung zu finden.“
Der Hochtaunuskreis und die Stadt Kronberg wollen die Bürgerinnen und Bürger spätestens in der Woche nach den Osterferien eingehend informieren. Der Termin wird noch bekannt gegeben werden.
Arbeit, Kindergarten, Schule
Die Stadt Kronberg könne derzeit mangels Kapazität keine ukrainischen Kinder in die Regel-Kitas aufnehmen, erklärte König weiter. „Neben der ohnehin hohen Auslastung unserer Kitas bereitet uns hier die infolge der Corona-Pandemie ausgedünnte Personaldecke die größten Probleme. Diese Situation ist in 12 der 13 Städte und Gemeinden des Hochtaunuskreises ebenso.“ Es bestehe daher Einvernehmen mit dem Hochtaunuskreis, dass für die Flüchtlingskinder ein vorwiegend ehrenamtlich getragenes Angebot, das nicht den Anforderungen an eine Kita genügt, aufgebaut werden soll. „Derzeit besteht noch keine große Nachfrage nach Kinderbetreuung, zumal viele der Flüchtlinge ihre Kinder derzeit nur ungern allein lassen.“
Die Aufnahme der Kinder in die Schulen regelt das Staatliche Schulamt in Bad Vilbel; es sind zusätzliche Intensivklassen erforderlich. „Die Schulträger teilen den Optimismus des Kultusministers, das Schulsystem sei auf den Zustrom von ukrainischen Schülern gut vorbereitet, nicht uneingeschränkt“, führte König aus. „Seit Beginn des Kriegs gibt es eine überwältigende Hilfsbereitschaft in der Kronberger Bevölkerung. Sie zeigt sich in der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge, aber auch in Spendenbereitschaft, ehrenamtlichen Diensten und anderer praktischer Hilfe.“
Nach einem Koordinationstreffen organisieren auch die Kirchengemeinden, Vereine und private Gruppen verschiedene Angebote, die sich zunächst eher an die Flüchtlinge in der EAE richteten. „Wir sind derzeit dabei, diese Angebote stärker auf die in Kronberg bleibenden Flüchtlinge auszurichten, ein Teil dieser Angebote könnte perspektivisch in die beiden GUs verlegt werden bzw. dort die Funktion der Kinderbetreuung übernehmen.“
König dankte abschließend auch im Namen des Integrationsdezernenten Hans Willi Schmidt – „allen, die sich in den vergangenen Wochen auf die eine oder andere Weise für die ukrainischen Flüchtlinge eingesetzt haben und es noch tun“. Neben allen, die er aufzählte, hob er die Gruppe der ehrenamtlichen Dolmetscher besonders hervor, „die sich – selbst organisiert – seit dem Tag, an dem die ersten Ukrainer in der AKS eintrafen, mit unglaublichem Einsatz für die Flüchtlinge engagieren, deren Sorgen und Nöte zu uns transportieren, die Situation immer wieder erklären, Probleme lösen und einfach da sind und den traumatisierten Menschen zur Seite stehen. Dafür meinen und unseren ganz besonderen Dank!“