Kronberg (eh) – Artenvielfalt bewahren und das Klima retten – das waren die Themen beim letzten SDG-Erasmus Café im Kronberger Rathaus. Das bewährte Format „Meet the Expert“ stand diesmal im Zeichen der globalen Nachhaltigkeitsziele 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), 14 (Leben unter Wasser) und 15 (Leben an Land). Zwei ausgewiesene Fachleute begeisterten mit Wissen, Fakten und Visionen: Biologe Dr. Johannes Penner, Kurator für Forschung und Zoologie bei Citizen Conservation, und Friedrich Horn, Klimaschutzmanager der Stadt Kronberg, zeigten eindrucksvoll, wie jeder Einzelne zum Schutz unserer Lebensgrundlagen beitragen kann – und warum Haltung dabei im doppelten Sinne entscheidend ist. Während Penner den Blick auf das Artensterben legte und erläuterte, was man dagegen tun kann, zeigte Klimaschutzmanager Horn, wie weit Kronberg auf dem Weg zur Klimaneutralität ist.
Mit seinem leidenschaftlichen Vortrag unter dem Titel „Haltung rettet Arten“ eröffnete Dr. Johannes Penner den Abend und zog das Publikum vom ersten Moment an in seinen Bann. Mit eindrücklichen Beispielen und einem Feuerwerk an Fakten schilderte der Biologe die dramatische Lage: „Viele Arten sind aktuell vom Aussterben bedroht. Wir befinden uns mitten in einer Biodiversitätskrise – fast ein Drittel aller Amphibienarten und zwei Drittel aller Schildkrötenarten sind heute bereits vom Aussterben bedroht.“ Doch anstatt zu resignieren zeigte Penner Auswege auf – und zwar sehr konkrete.
Dr. Johannes Penner ist Kurator für Forschung und Zoologie bei Frogs & Friends e.V. und Gastwissenschaftler am Museum für Naturkunde in Berlin sowie der Universität Freiburg. Als Biologe mit einem Schwerpunkt in Ökologie interessiert er sich vor allem für Biodiversität, wo diese vorkommt, was die Gründe dafür sind und wie diese erhalten werden kann. Dabei haben es ihm schon seit seiner Kindheit vor allem die Amphibien und Reptilien angetan. Er ist glücklich, mit unterschiedlichen Arten in diversen tropischen und heimischen Gefilden arbeiten zu dürfen und engagiert sich dafür, dass sich in Zukunft noch mehr Leute auch für Frösche, Schlangen und andere Tiergruppen begeistern und so möglichst viele Arten vor dem Aussterben retten.
Keine Rettung mehr
„Viele Arten werden wir in der Natur nicht mehr retten können. Weil Mittel und Willen zum Schutz ihrer Lebensräume fehlen, weil der Klimawandel zu schnell voranschreitet und weil die Zahl der überlebenden Tiere mancher Arten bereits zu gering ist. Aber Aufgeben gilt nicht“, erklärte der Wissenschaftler. Im Zentrum seiner Arbeit bei Citizen Conservation steht die sogenannte Erhaltungszucht: Der gezielte Aufbau stabiler Reservepopulationen gefährdeter Tierarten – unter kontrollierten Bedingungen in zoologischen Einrichtungen, bei Schulen oder privaten Haltern. Dieses Netzwerk aus Zoos, Forschungseinrichtungen und engagierten Einzelpersonen dokumentiert, vermehrt und verteilt Tiere wie Tigergeckos, Zwergchamäleons oder Feuersalamander in einem durchdachten System. Ziel ist nicht nur die Bewahrung genetischer Vielfalt, sondern auch die Sensibilisierung für die fragile Schönheit der Natur.
„Wir brauchen Initiativen gegen die Aussterbewelle des 21. Jahrhunderts“ fordert Penner. Citizen Conservation versteht Artenschutz deshalb als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Initiative, die Zoos, wissenschaftliche Institutionen und private Tierhalter zusammenbringt, um gemeinsam an Erhaltungszuchtprogrammen für bedrohte Arten zu arbeiten, setzt sich für die bewusste Zucht und Haltung von bedrohten Arten ein, um ihre genetische Vielfalt zu erhalten und sie vor dem Aussterben zu bewahren. Neben Zoos, wie beispielsweise dem Kronberger Opel-Zoo, können fachkundige private Tierhalter ebenfalls an Erhaltungszuchtprogrammen teilnehmen und einen Beitrag zum Artenschutz leisten – ganz gleich, ob Fische, Reptilien oder Amphibien, vom Tigergecko über das Zwergchamäleon bis hin zur Strumpfbandnatter und dem Feuersalamander. Die Tiere und Nachzuchten bleiben Eigentum von Citizen Conservation. Die Nachzuchten werden nach Möglichkeit bis zum Erreichen der Zuchtziele an andere Halter verteilt.
Auch der Feuersalamander profitiert vom Erhaltungszuchtprogramm. Durch einen neuen Pilz ist der schwarz-gelbe Salamander, der früher in Deutschland beinahe überall beheimatet war, inzwischen stark gefährdet. Hier engagieren sich nicht nur zahlreiche Privatleute, sondern auch Schulen zum Schutz des Feuersalamanders.
Mit Medienprojekten wie dem „Kreaturen-Podcast“ oder dem Buch „Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch“ gelingt es, auch jene zu erreichen, die noch keinen Bezug zum Thema hatten. „Wir brauchen Geschichten, damit Menschen fühlen, was auf dem Spiel steht“, so Penner. Denn: Ohne Artenvielfalt kippen Ökosysteme – und damit unsere eigene Lebensgrundlage.
Im KreaturenPodcast von Citizen Conservation stellen Künstler und Schauspieler seltene und sehr seltene Tiere vor. Citizen Conservation möchte mit dem Kreaturen-Podcast auf bedrohte Tierarten aufmerksam machen, die ohne Hilfe von zoologischer Nachzucht kaum eine Chance hätten oder bereits ausgestorben wären. Der KreaturenPodcast soll helfen, diese Herausforderung für die Menschheit im Bewusstsein zu halten. Mit informativen, humorvollen und nachdenklichen Beiträgen über Tierarten, deren Überleben nur durch die Nachzucht in menschlicher Obhut gelungen ist – oder noch gelingen kann.
Auch in Kronberg könnte das Konzept Schule machen. Der Opel-Zoo ist bereits Partner, und vielleicht schließen sich bald auch Schulen oder engagierte Bürger an. „Wir haben eine ethisch-moralische Verpflichtung, die Art zu erhalten“, so Penner. Wenn der Feuersalamander ausstirbt, dann verändern sich Nahrungsketten und der Nährstoffkreislauf und damit vieles andere in unserer Natur“, warnt der Biologe. Deshalb sei es wichtig, sich auf den Schutz und Erhalt bedrohter Tierarten zu fokussieren. Penner motivierte: „Es braucht keine Millionen. Es braucht Haltung – und den Willen, Verantwortung zu übernehmen.“
Im zweiten Vortrag des Abends nahm Friedrich Horn die Zuhörer mit auf eine Reise durch die lokale Klimaschutzlandschaft. Unter dem Titel „Klimaschutz in Kronberg – Werden wir bis 2035 klimaneutral?“ stellte der Energieexperte nicht nur ernüchternde Fakten, sondern auch praktische Lösungsansätze vor.
„Er ist real. Wir sind die Ursache. Er ist gefährlich. Die Fachleute sind sich einig. Wir können noch etwas tun“, mit diesen fünf Fakten zum Klimawandel rüttelte der Klimaschutzmanager Friedrich Horn die Gäste des SDG-Cafés wach. „Kronberg strebt bis zum Jahr 2035 die Treibhausneutralität an“, so das politisch beschlossene Ziel in der Stadt. „Die bis 2035 und darüber hinaus nicht vermeidbaren Emissionen sind durch Unterstützung externer Projekte zu kompensieren“, erklärt der Klimaschutzmanager. Laut Horn würden die Kosten für die Kompensation nach aktueller Berechnung bei 240 Mio. Euro liegen.
„Der Klimawandel ist schon hier bei uns und ganz real“ berichtet der Klimaschutzmanager. „Auf der Wetterstation auf dem Kleinen Feldberg wurde die 1,5-Grad-Grenze, das zentrale Klimaziel im Pariser Abkommen, bereits gerissen. Seit 1905 gab es einen Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2 Grad.
Neueste Zahlen aus der Energie- und Treibhausgasbilanz Kronberg 2025 zeigen jedoch, dass Kronberg bei der aktuellen Geschwindigkeit erst 2119 zur Klimaneutralität kommen werde. Denn so ambitioniert das Ziel auch ist – bei gleichbleibendem Tempo würde Kronberg laut Horn erst im Jahr 2119 klimaneutral sein. „Das ist 94 Jahre zu spät“, sagte Horn und forderte: „Wir müssten unsere Einsparungen um den Faktor 7,5 erhöhen.“ Zugleich betonte er: „Es geht nicht um Schuld, sondern um Chancen. Noch können wir etwas tun.“
Die gute Nachricht: „Wir können noch etwas tun“, so der Klimaschutzmanager. „Die Klimaschutzanstrengungen müssen in Kronberg deutlich erhöht werden“, fordert Horn. Das gelte für alle Menschen, die in Kronberg leben oder arbeiten, denn das Potenzial etwas zu tun, liege bei jedem einzelnen. Die Stadt gehe hier mit Vorbildfunktion voran.
Der Klimaschutzmanager möchte „nicht entmutigen, sondern wachrütteln“. Seine Strategie: Motivation statt Überforderung. „Ich glaube an die Kraft positiver Verstärkung“, sagte Horn und verwies auf konkrete Unterstützungsangebote wie die kostenlose Energieberatung, kommunale Förderprogramme für Solartechnik, Dachbegrünungen und Zisternen, Streuobstwiesen oder das Bürgersolarberater-Team. Auch das kommunale Mobilitätskonzept und die Planung der Ladeinfrastruktur für E-Autos seien wichtige Bausteine auf dem Weg in eine emissionsärmere Zukunft.
Für den Ortsteil Oberhöchstadt gibt es vom 7. Mai bis 16. Juli 100 kostenlose Vor-Ort-Energieberatungen, sogenannte „Klima-Checks“ für Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern mit einem Baujahr vor 1999. Eine energetische Modernisierung erhöht nicht nur den Wohnkomfort und den Immobilienwert, sondern entlastet langfristig auch die Haushaltskasse – gerade bei steigenden Energiepreisen. Bei einem rund einstündigen Termin analysieren qualifizierte Energieeffizienzexpertinnen und -experten den energetischen Zustand des Hauses und beraten zu Themen wie baulicher Wärmeschutz, Heizungstechnik und Nutzung erneuerbarer Energien. Im Anschluss erhalten Teilnehmende ein schriftliches Beratungsprotokoll mit konkreten Handlungsempfehlungen sowie Informationen zu möglichen weiteren Schritten. Die Beratung ist anbieter- und produktneutral, die Kosten übernimmt vollständig die LEA Hessen. Infos und Anmeldung zu den Vor-Ort-Energieberatungen sind unter www.kronberg.de/klima-check möglich. Interessierte können sich im Rahmen der Auftaktveranstaltung am 7. Mai umfassend informieren. Diese findet um 19 Uhr im Dalles (Herbert-Alsheimer-Saal, 1. OG, Altkönigstraße 3, Oberhöchstadt) statt. Vor Ort gibt die Stadt Kronberg einen Überblick über das Beratungsangebot, und die Energieberaterinnen und -berater stellen sich persönlich vor. Fragen wie „Was bringt mir die Erstberatung?“, „Wie läuft sie ab?“ oder „Wie kann ich teilnehmen?“ werden hier umfassend beantwortet.
Besonders im Fokus steht im September die dritte Auflage der Taunus Klimatage, bei der Kronberg gemeinsam mit den Nachbarstädten wie Königstein, Oberursel und Bad Homburg, Neu-Anspach, Usingen und Wehrheim zusammen mit dem Hochtaunuskreis mit zahlreichen Aktionen für alle Altersgruppen wirbt. „Klimaschutz ist Teamarbeit“, erklärte Horn. „Deshalb ist Vernetzung entscheidend.“
„Stillstand ist das Teuerste, was man sich leisten kann. Wir bewegen uns in die richtige Richtung“, erklärte Klimaschutzmanager Horn zum Abschluss seines Vortrags und lud alle Kronberger Bürger dazu ein, einen Blick in die Treibhausgasbilanz und das nachhaltige Mobilitätskonzept der Stadt Kronberg zu werfen.
Verantwortung
Im Anschluss an die Vorträge entwickelte sich ein lebhafter Austausch mit dem Publikum. Viele Gäste nutzten die Gelegenheit, Fragen zu stellen, eigene Ideen einzubringen und sich über Beteiligungsmöglichkeiten zu informieren. Die Kombination aus fundierter Wissenschaft, lokaler Umsetzung und niederschwelligem Zugang macht das SDG-Café zu einem echten Zukunftslabor – nicht nur für Erwachsene, sondern auch für die junge Generation.
Ob Salamander-Rettung im Klassenzimmer oder Solarberatung im Rathaus – das SDG-Café hat deutlich gemacht: Der Wandel beginnt mit Wissen, Haltung und Vernetzung. Arten- und Klimaschutz sind zwei Seiten derselben Medaille – und in Kronberg gibt es viele engagierte Köpfe, die an dieser Medaille weiter arbeiten wollen.
Mit Leidenschaft für die Artenvielfalt: Dr. Johannes Penner zeigte, wie Citizen Conservation weltweit Arten rettet, die in freier Natur kaum noch überleben könnten, und durch Erhaltungszucht in menschlicher Obhut bedrohten Tieren eine Zukunft geben kann.Fotos: Hartmann