Helden und Heldinnen von morgen – Mehr Ballkontakte und Spielerisches für jedes Kind im Fußball

Auf dem Rasen des EFC Kronberg wurde den Fünf- und Sechsjährigen einiges erklärt, gleichzeitig ließ man sie „einfach“ alle Fußball spielen.

Fotos: Göllner

Kronberg (mg) – Es war gerade einmal knapp 12 Stunden her, da stand der sechsjährige Cem vormittags bereits wieder auf dem Platz „Am Waldschwimmbad“ auf dem Spielgelände des E.F.C. Kronberg 1910 e.V. (EFC), forderte Bälle, verteilte sie engagiert an seine Mitspieler, suchte Blickkontakt zu seinem Vater Ahmet Kaynak und schoss ab und an das runde „Leder“ ins kleine Tor. Am Abend zuvor musste er noch von seiner Mutter Michelle getröstet werden, denn sein Herz hatte 120 Minuten für die deutsche Nationalmannschaft geschlagen, die trotz großen fußballerischen Kampfs im Viertelfinale aus der diesjährigen Europameisterschaft hierzulande gegen Spanien ausschied. Es tummelten sich allerhand Kinderfußballschuhe samt Füßen zwischen Schuhgröße 30 und 31 auf dem Kunstrasenplatz; am Rand standen Eltern, schauten zu, spornten an und unterhielten sich gut und auch miteinander. Die Verantwortlichen beim EFC für G-Junioren (Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren) hatten an diesem Samstag zum „Schnuppern“ auf dem Platz eingeladen. Auf dem Rasen gaben sich unter anderem die Trainer Frank Bode und Johannes Meier und die Co-Trainer Rainer Widmann, Stefan Anderl, Matthias Schubert und Florian Bode gekonnt Mühe, die Fünf- bis Sechsjährigen zu „bändigen“ und sie gleichzeitig spielerisch zum strukturierten Fußballspielen zu motivieren, dem Alter pädagogisch angemessen und verantwortungsbewusst.

Neue offizielle Spielformen

Nicht nur der sechsjährige Cem soll gefördert werden, dem man sowohl spielerisch als auch mental ein überdurchschnittliches Talent attestieren kann, wenn man ihn auf dem Fußballplatz beobachtet. „Das Spielen mit dem Ball und das Erzielen von Toren sind die zentralen Gründe, warum so viele Kinder und Jugendliche Freude am Fußball haben“, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Fußballbunds. Die neuen Spielformen mögen allen Kindern die Chance geben, den „Ball selbst am Fuß zu haben, aktiv am Spiel teilzunehmen, Tore zu erzielen und damit persönliche Erfolgserlebnisse zu haben“. Aus diesem Grund setze der DFB in seiner Philosophie nun in diesem Alterssegment auf kleinere Tore und viel Abwechslung. Ab und an werde nun auch auf vier Tore gespielt. Die veränderten Spielformen beziehen sich auf die Altersklassen G-, F- und E-Jugend. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip, so dass jedes Kind zu Einsatzzeiten kommt. Der neue Modus bringt gleichzeitig mit sich, dass mehr Spiele verloren und gewonnen werden, so dass Kinder den Umgang mit Siegen und Niederlagen häufiger erleben und infolgedessen lernen. Vorausgegangen ist eine zweijährige Pilotphase, an der sich 21 Landesverbände mit zahlreichen Fußballkreisen und Verbänden beteiligten.

Mehr Chancen, mehr Gerechtigkeit

Hinter dieser offiziellen Reform des Vereinsfußballs für Kinder zwischen vier und elf Jahren steht vordergründig der Ansatz, dass über mehr Beteiligung im Spiel mehr Chancen für das Individuum entstehen sollen, beispielsweise für Kinder, deren persönlicher Charakter ein eher zurückhaltender und schüchterner ist, die jedoch „am Ball“ talentiert sind. Zudem soll grundsätzlich Fußball als Breitensport gefördert werden, damit der Unterbau für den professionellen Fußballmoment in der Bundesrepublik Deutschland stabil bleibt und sich positiv entwickelt. Ob dieser Ansatz in einem bei den Profis nach wie vor mehr oder weniger ausschließlich von Erfolg, Titeln und vor allem meistens dekadent hohen Gehältern, die in der Durchschnittsbevölkerung nur Kopfschütteln auslösen können, geprägten Mannschaftssport am Ende erfolgreich sein wird, wird die Zukunft zeigen.

FUNiño und mehr

Als „taktisches“ Vorbild dient den Neuerungen unter anderem FUNiño. Bei diesem zusammengesetzten Begriff handelt es sich zum einen um das aus der englischen Sprache stammende Wort „Fun“, also „Spaß“, das in der deutschen Sprache kaum mehr Erklärung benötigt, da nahezu im Original ständig verwendet. Der andere Teil ist „niño“ aus dem Spanischen und bedeutet in der Übersetzung „Kind“. Dieser spezielle Spielmodus findet vor allem im sogenannten „Kleinfeldbereich“ statt. Dass erfolgreiche Profifußballvereine wie der FC Barcelona bereits seit Anfang der 2000er Jahre, aber auch hierzulande Hoffenheim und Leipzig schon seit längerer Zeit damit im Trainingsbetrieb erfolgreich sind, lieferte vermutlich nach und nach Motivation für den DFB, dies nun grundsätzlich als Maßgabe im Kinderfußball einzuführen. Entwickelt wurde FUNiño im Jahr 1990 von Horst Wein, der im Jahr 2016 verstarb. Wein war deutscher Hockeynationalspieler, Trainer der deutschen und spanischen Hockeynationalmannschaften, „Master Coach“ der „Fédération Internationale de Hockey“ und weltweit anerkannter Ausbilder von Fußballtrainern. Als Autor von mehr als 30 Sachbüchern zum Themenkomplex Sport beeinflusste er nachhaltig und heute noch Menschen, die Spielformen und Trainingseinheiten konzipieren. Anfang der 1980er Jahre wechselte der Stratege als Ausbilder zur Sportart Fußball und erarbeitete Trainingsmodelle für Kinder und Jugendliche, die die Denk- und Spielweise des „Streetsoccers“ berücksichtigten, einer Spielart des Fußballs, die auf deutlich kleinerem Spielfeld zwangsläufig zu mehr Ballkontakten führen muss. Konkret sind einige Parameter bei dieser Spielform zu nennen: Es spielen drei gegen drei Spieler, es gibt keinen Torwart, die Tore sind maximal zwei Meter mal 120 Zentimeter groß, es gibt zusätzlich zwei „Mini-Tore“ an der Spielfeldseite. Häufiger Spielerwechsel mit teilweise sogar festgelegter Rotation ist eine zusätzliche Maßgabe.

Durch diese Gestaltung soll es unter anderem zu mehr Ballkontakten, mehr Spielzeit, verschiedenen Spielpositionen des einzelnen Spielers und einer verbesserte Wahrnehmung des gesamten Spiels kommen. Mehr Pässe, mehr „Dribbling“ und mehr Tore sind die logische Folge, im Vergleich zum „klassischen“ Spielbetrieb. Durch den Verzicht auf einen Torwart soll verhindert werden, dass der möglicherweise im Vergleich „schlechteste Spieler“ als Torwart „abgeschoben“ wird. Häufige Spielerwechsel und verschiedene Spielsituationen sollen allen Kindern auf dem Platz Freude und Entwicklung ermöglichen. Ein weiterer Pionier des Kleinfeldfußballs hat mit seinem Buch „Der neue Kinderfußball – Trainieren in den kleinen Wettspielformen“ die Lehre Horst Weins aufgegriffen und persönlich weiter entwickelt: Thomas Staack. Auf seiner Internetseite www.kickplan.de kann man sich zudem zahlreiche Informationen besorgen, beispielsweise wird auch ein Podcast angeboten. Staack ist seit dem Jahr 2020 Referent für Kinderfußball im „Fußballverband Mittelrhein“.

Der EFC und „seine Kinder“

Frank Bode, Haupttrainer des EFC für die Kinder des Jahrgangs 2018, der auch die UEFA C-Lizenz „Kinder/Jugend“ besitzt, erklärte dem Kronberger Boten, dass der Verein ab kommenden Herbst mit drei „Mini-Teams“ in den FUNiño-Spielbetrieb der G-Jugend eintrete, ab dem Winter werden es dann bereits vier oder fünf Teams sein. Aktuell gebe es in der G-Jugend im Jahrgang 2018 etwa 20 Spieler, der Jahrgang 2019 bewege sich in Richtung 15 spielende Kinder. Integriert in das Training in diesem Bereich seien, so Bode, auch Übungen, die aus der Ballschule Heidelberg stammten. Hier werde ein Ballsportansatz mit dem Ziel verfolgt, dass Kinder verschiedene Bewegungserfahrungen machten. Das Prinzip Vielseitigkeit vor Spezialisierung finde hier Platz.

Fairplay und Kindeswohl

An die Prämisse, mehr Kindern mehr Möglichkeiten „am Ball“ zu bieten, schließt sich sicherlich das sogenannte Fairplay an. Das Leitbild des Hessischen Fußballverbands für Integration und Gewaltpräventionen liest sich gewiss gut und trifft auch die richtigen inhaltlichen Ansätze. Es heißt, man verstehe Integration als gegenseitigen Prozess der Annäherung mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des Verbands, man stehe für Toleranz und trete aktiv jeder Form der Diskriminierung entgegen. Ein respektvolles Miteinander sei Grundvoraussetzung, jede Form von Gewalt lehne man ab. Gleichwohl sind Theorie und Praxis auch an dieser Stelle ab und an zwei „Paar Fußballschuhe“. Einige eskalierende Zuschauer – nicht unbedingt in Kronberg – haben in den vergangenen Jahren mit Angriffen auf Spieler und Schiedsrichter landesweit dafür gesorgt, dass man nun seitens der Verbände und der Politik begriff, dass Handeln zwingend notwendig ist.

Dem grundsätzlich sozialen Thema eines Vereins wurde und wird sich angenommen, beispielsweise auch beim Thema „Kindeswohl“. Auch der EFC besitzt ein umfangreiches und ausgearbeitetes Kindeswohlkonzept. Im Verein übernehmen die Umsetzung aktuell Diana Hildmann und Biljana Atanaskovic. Man wünsche sich gleichzeitig zusätzlich eine dritte Person, am besten an dieser Stelle eine männliche, heißt es von Vereinsseite. Dass all diese Funktionen vom Trainer, Co-Trainer, Kassenwart, Vorsitz bis hin zu den Kindeswohlbeauftragten und vielen anderen „Jobs“ beim EFC von den jeweiligen Menschen ehrenamtlich durchgeführt werden, die für die Ausübung ihrer Funktionen viel private Zeit aufwenden, sollte selbstverständlich in der Gesellschaft bekannt sein. Es schadet jedoch auch nicht, das noch einmal an dieser Stelle ins Bewusstsein zu rücken.

Vereinsentwicklung

Der EFC ist mit über 660 Mitgliedern (Stand Januar 2024) als Verein sehr gut aufgestellt. Die Vorsitzende des EFC, Catrin Wilhelm, freut sich über den Zuspruch, gleichzeitig sei Vereinsmitglied nicht zwangsläufig immer damit verbunden, dass „man“ auch im Verein aktiv mitgestaltet. Da sei sicherlich noch Entwicklungspotenzial vorhanden, formuliert sie es gegenüber der Redaktion, gleichzeitig sei sie für diejenigen Personen, die sich bereits engagierten, oftmals seit vielen Jahren, sehr dankbar. Einer der herausforderndsten Momente des Jahres sei zudem der Tag, an dem die „Platzvergabe“ stattfände. Das sei für Trainer Steffen Breitsprecher, dem auch diese Aufgabe zuteilwird, stets mit viel Koordination und „zwischenmenschlicher“ Vermittlung bei den Begehrlichkeiten der sehr vielen Mannschaften verbunden. Der EFC besitze eben nur die Möglichkeit, auf einem Platz zu spielen und zu trainieren. Das sei bei der hohen Anzahl von Spielerinnen und Spielern eigentlich die Quadratur des Kreises. Hierzu ergänzte Frank Bode: „Im Grunde hat der Verein keine Kapazitäten mehr und braucht an sich dringend einen zweiten Platz.“ Zudem gebe es beim Vereinsheim „Modernisierungszwänge“. Alleine wegen der drei weiblichen Teams im Spielbetrieb gebe es große Probleme mit den Kabinenplätzen, aber grundsätzlich fehle ebenso abseits dieses Themas der Platz für die männlichen Teams.

Auch die Duschmöglichkeiten seien mehr als knapp ausgestattet. Des Weiteren könne man auch Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter nicht angemessen unterbringen. Man wünsche sich nun seitens der Stadt Kronberg einen raschen Kommunikationsprozess, an dessen Ende man den Erfordernissen und Ansprüchen der Vereinsmitglieder nachkommen könne. In den vergangenen Jahren wurde durchaus investiert, beispielsweise in den Kunstrasen. Das schätze man auch, gleichwohl löse der Kunstrasen nicht die räumlichen Probleme.

In der Kommunalpolitik hieß es zuletzt seitens der Kronberger Sozialdemokraten in einer Pressemitteilung, dass der EFC im Vergleich zur SG Oberhöchstadt mit seinem neuen Vereinsheim nun nachziehen „müsse“. Nach mehr als 70 Jahren sei dies schlichtweg „höchste Zeit“. Man habe sich bereits für die SGO stark engagiert, nun tue man das ebenso für den EFC. SPD-Mann Wolfgang Haas formulierte an dieser Stelle: „Beide Fußballvereine leisten mit ihrer Jugendarbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit und Integration der Kinder und Jugendlichen in Kronberg.“ Man benötige eine zeitnahe Lösung für den EFC. Dies sei nur dann möglich, wenn sich beispielsweise wie beim Thema „Kita Pusteblume“ alle politischen Fraktionen auf eine gemeinsame Lösung verständigen und infolgedessen die dafür notwendigen Haushaltsmittel bereitgestellt werden könnten, finalisierte es Haas.

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