Hunde, die bellen, beißen auch – Max Uthoff in der Stadthalle

Nein, das ist nicht Friedrich Merz! Max Uthoff, der verbale Überflieger aus „Die Anstalt“ massakrierte in der Stadthalle den Zeitgeist mit Lust. Foto: Sura

Kronberg (aks) – Max Uthoff kommt mit (fiktivem) Handy am Ohr auf die Bühne, telefoniert konzentriert mit einem (fiktiven) Kritiker, der immer wieder sein Programm und seine Positionen in Frage stellt.

Eher schroff wendet er sich dann an das Publikum in der ausverkauften Stadthalle: „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ „Etwa einen schönen Abend?“ Da sei das eher „bunt gemischte Kabarettpublikum“ bei ihm an der falschen Adresse, schließlich sei es sein Job, den Finger in die Wunde zu legen und mit Kabarett „was zu verändern“. Als „staatlich geförderter Mainstream Humorist“, der Menschen unterhalten soll, die „mit den Gebrüder Grimm und Disney sozialisiert wurden“ und denen die Erinnerung an die Queen immer noch ein Lächeln ins Gesicht zaubere, taugten inzwischen viele Krisen-Themen nicht mehr. Die Pandemie interessiere keinen mehr, auch teurer Strom und der Klimagipfel nicht, ganz zu schweigen von Winnetou: „Karl May hat so mies geschrieben.“ Und Achtung: „Ich glaube nicht recht zu haben, ich habe recht!“ Sein Programm „Moskauer Straßenhunde“ hat er kurzfristig geändert, der Moskauer Krieg kam dazwischen und Straßenhunde werden nur am Schluss kurz erwähnt.

Der Krieg mit der Ukraine, ein brisantes Thema, und für Uthoff ist klar: „Putin gehört vors Kriegsgericht, ebenso wie Toni Blair und George Bush“. Angesichts der Fotos aus den Luftschutzkellern empfinde er Wut und Trauer: „Trotzdem lass‘ ich mir meinen Pazifismus nicht nehmen“. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestimme sein Handeln.

Allerdings würde er eine Waffe in die Hand nehmen, um sich und seine Liebsten zu verteidigen und nicht so weit gehen wie Wolf Biermann, der sich lieber erschießen lassen würde; allerdings müsste ihm „der Russe“ dann mal ganz kurz erklären, wie man schießt.

„Putins Oligarchenkollegen“ mit ihren Mega-Yachten könnten gar nichts zum Sieg beitragen und auch nichts zum Frieden: Das Bibelzitat „Schwerter zu Pflugscharen“ münzt er beherzt um und spekuliert auf „Luxusjachten zu Kampfhubschraubern?“

Gesellschaft zum Wohle aller

Max Uthoff spricht in so rasantem Tempo, dass manche Lacher zeitversetzt zu hören sind. Sein Pokerface erinnert tatsächlich an Friedrich Merz, den er auch regelmäßig in „der Anstalt“ parodiert. Nach dem Motto, wenn sich was ändern soll, muss es weh tun, schmettert er den Zuschauern knallharte Botschaften an den Kopf. Dieser Kabarettist mit dem spitzbübischen Grinsen kann den Mund nicht halten und lässt ihn sich auch nicht verbieten. Sein zynischer Humor ist zum Lachen, auch wenn er eisig ist.

Die Politikerschelte lässt nicht lange auf sich warten: Olaf Scholz, „König der Monologe“, habe es geschafft, Friedrich Merz ein Profil zu verschaffen. Christian Lindner mit Jagd- und Angelschein, wurde von der Krise unsanft aus „seinem selbstgerechten Traum“ geweckt, habe aber Habecks Maßnahmen verhindern können, dessen Lächeln auch schon überzeugender gewesen sei. In Zeiten von Energieknappheit sei es höchste Zeit für das Tempolimit von 100 Stundenkilometern, „mit dem wir in zwei Jahren 6,2 Millionen CO2 einsparen könnten“, und was sagt Wissing von der FDP: „Wir haben nicht genug Schilder!“

Echter Querdenker

Max Uthoff ist ein kluger Kopf und im besten Sinne ein Querdenker, ohne Angst vor beißenden Kommentaren und bissigen Angriffen auch auf die Zuschauer in der ausverkauften Stadthalle, bei denen er einige SUV-Besitzer vermutet. Er gibt zu, dass er aufpassen müsse, den Beifall nicht von der falschen Seite zu bekommen. Deshalb noch einmal Klartext: „Demokratie ist besser als Faschismus!“ Nur sollten die Politiker öfter mal nach der Meinung der Bürgerinnen und Bürger fragen. Sein Vorschlag: Bürgerräte. Sonst müsse man eine Abwendung vom System befürchten wie im Osten, wo die meisten kein Eigenheim wie hier besäßen, „mehr Angst“ hätten und wo die Wut auf den Straßen zu erleben sei. Nichts ist Uthoff heilig und nichts hält ihn zurück, dabei redet er in unmissverständlichen Imperativen, ohne Wenn und Aber - und ohne jegliches diplomatisches Geschwurbel. Da kann keiner sagen, er hätte es nicht mitgekriegt.

„Sich ehrlich machen“ ist ihm ein Anliegen. Ganz ehrlich! „Wir handeln nicht, wir kaufen!“ Dabei könnten wir Widerstand leisten gegen unfaire Produkte aus prekärer Herstellung mit dem Kauf von „etwas anderem“, nämlich „Fairtrade-Produkte“, dafür gäben die Deutschen im Monat 1,73 Euro aus. „Wir klicken uns durch die Warenwelt“ mit dem Gefühl von Macht. Dabei würden wir jeden Tag mehr entfremdet durch Konsum und der ständigen Verfügbarkeit von Produkten. Statt „Easy Rider“ als Revolte gegen die Spießer früher, sei es heute die Freiheit beim Einkaufen. „Entfremdung durch Konsum!...Ein gutes Leben? Einfach mal System runterfahren und Klappe halten!“ Und noch einmal an die Adresse der SUV-Fahrer, die doch auch ihren Kindern was hinterlassen wollten, sie signalisierten einfach nur: „Die Zukunft meiner Enkel geht mir am Arsch vorbei.“

In einem Sketch schwärmt er als stolzer Vater von bilingualen („zwei Sprachen, aber keine richtig!“) Premium-Kitas bis 18 Uhr mit Töpferkursen, Yoga und Schauspielschule. Da müsste niemand mehr die eigenen Kinder zu Hause betreuen. Wo früher Kinder Drachen steigen ließen und sich von Wolkenformationen inspirieren ließen, sind sie heute blass und folgsam. Uthoff ergänzt sarkastisch, dass Frankreichs Kinder mit sechs Monaten in die Krippe kämen und später alle Psychopharmaka bräuchten – „das nennt man Frühförderung!“ Das Leben finde nur noch zwischen zwei SMS statt und setzt noch eins drauf: In der ersten Hälfte des Lebens schäme man sich für seine Eltern, in der zweiten für seine Kinder.

Super Ego auf Reisen

Uthoff zitiert Blaise Pascal: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“ Corona habe ja gezeigt, dass es geht, Menschen allein im Zimmer, „aber eben nicht dauernd“. „Der Mensch will immer irgendwo hin und so läuft die Reiselust immer nach dem gleichen Muster: Wer nur A kennt, kennt die Welt nicht, wer die Welt nicht kennt, hat nicht gelebt, also auf nach B und dann nach dem Motto „ich muss mal wieder raus“ geht es dann nach C usw. Brücken, Türme, Essen, Traumkulissen – das alles lässt sich in Selfies festhalten und Uthoff „interessiert das nicht die Bohne“. Es ginge nur ums eigene Ich und die Tausende von Fotos empfindet er als Beleidigung. „Urlaub ist was für Menschen ohne Fantasie.“

Solche und andere Brocken wirft er dem Publikum hin, das schwer schluckt, sich aber mit glucksenden Lachern beim Ausnahme-Kabarettisten bedankt. Das müsste ihm als Antwort darauf genügen, was denn die vielen Leute hier von ihm wollten: wahrscheinlich einfach von Herzen lachen zu dürfen und sich seinen exquisiten Wortwitz auf der Zunge zergehen zu lassen. Viel Zeit hat man als Zuschauer nicht, eine Staccato-Pointe jagt die nächste.

Moskauer Straßenhunde

Dann gibt er doch noch eine Erklärung für den Titel seines Programms: „die Moskauer Straßenhunde“ seien legendär: 30.000 herrenlose Hunde halten sich in der Innenstadt auf, wo sie genug Futter finden und fahren abends mit der U-Bahn wieder zurück in die Vororte, auch umsteigen hätten sie gelernt. Der Zynismus dabei: Moskau gebe mehr Geld für seine Hunde aus, als für Obdachlose.

Apropos Hundebesitzer, auch sie bleiben nicht ungeschoren: Der Hund als bester Freund des Menschen? „Das ist doch lächerlich. Hunde seien unterwürfig, gehorsam und lechzten nach Aufmerksamkeit und nebenbei jagen sie Kinder und Hasen!“ Und setzt noch eins drauf: „Hunde sind treudoof bis zum bitteren Ende, egal welches Arschloch am anderen Ende der Leine ist“.

Tröstung

Ein Lob zum Schluss für alle Anwesenden: „Sie sind Avantgarde! Machen Sie das auch weiterhin. Gehen Sie ins Kabarett, beim nächsten Mal sind wir schon pleite. Das hier ist Gemeinschaft, wir alle brauchen Tröstung!“ Und viel besser „als Netflix schauen.“

Jetzt wird Max Uthoff doch noch sentimental: Vor allem er bräuchte Tröstung, seit seine Tochter beim Anblick eines Plakats mit Friedrich Merz „Papa“ sagte.

Die ausverkaufte Stadthalle erlebte eine Show der Extraklasse mit dem 55-jährigen Comedy-Star Max Uthoff, dem man den Schalk im Nacken nicht gleich ansieht.



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