Geschichten rund um den Turm
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Es war vor 120 Jahren, am 23. Juli 1903. Damals erblickte Julius Hembus (JH) in Kronberg das Licht der Welt. 75 Jahre später, am 14. Juli 1978, erhielt er aufgrund der vielfältigen Verdienste um seine Heimatstadt die Ehrenbürgerwürde verliehen. In der damaligen Laudatio, über welche die Kronberger Zeitung vier Tage später berichtete, ließ der damalige Stadtverordnetenvorsteher Wilhelm Küchler über den frisch gekürten Ehrenbürger verlauten: „Wir können uns kaum einen besseren Kronberger vorstellen. Bleiben Sie das viele, viele Jahre!“
Vorgezeichnet war JH‘s beruflicher Werdegang durch seinen Vater Jacob Hembus, der 1872 im ehemaligen „Gasthaus zum Löwen“ in der Altstadt geboren wurde. Dieser hatte im Jahr 1894 ein Maler- und Stuckateurunternehmen eröffnet, um sich im Laufe der Zeit einen Namen als begabter Restaurator zu erwerben. So führte er zahlreiche Wiederherstellungsarbeiten in der Burg im Auftrag von Kaiserin Friedrich durch. Dazu zählen die umfangreichen Malereien im Wappensaal der Mittelburg. Zudem legte er das übertünchte Fresko „Die heilige Kümmernis“ aus dem Mittelalter in der alten Burgkapelle wieder frei, welches jedoch bei einem Bombenangriff im Jahr 1943 endgültig zerstört wurde. Von nun an durfte sich Jacob Hembus sehr werbewirksam als Hofdekorationsmaler bezeichnen, wie Bruno Langhammer in seinem Buch über die Ehrenbürger und Stadtältesten der Burgstadt festhält.
Was lag also näher, als dass JH bei seinem Vater ins Geschäft einstieg, hatte er doch dessen künstlerische Ader geerbt. Nach einer klassischen Malerlehre bildete sich JH an der 1878 in Frankfurt gegründeten Kunstgewerbeschule weiter, die im Jahr 1922 in der Städelschule aufging. Im Jahr 1924 zog er krankheitsbedingt nach Spina bei Davos um, wo er bis 1936 verblieb. Nach Kronberg zurückgekehrt, erwarb er das Haus Osterrieth in der Königsteiner Straße, das sich der erfolgreiche Frankfurter Kaufmann Johann Adam Osterrieth – im Jahr 1864 zum Ehrenbürger der Stadt Kronberg ernannt – im Jahr 1858 erbauen ließ. Im Volksmund heißt das im Tessiner Stil errichtete Anwesen, das mit zu den ersten Sommerhäusern in Kronberg unmittelbar vor den Toren der Altstadt zählt, bis heute aufgrund seiner Form „Die Lokomotiv“.
Während seines jahrelangen Aufenthalts aufgrund eines Lungenleidens im Engadin lernte JH den heute weltberühmten, aus Aschaffenburg stammenden Maler Ludwig Kirchner quasi als seinen Nachbarn kennen, um sich mit ihm temporär anzufreunden. Kirchner hielt JH mit seiner damaligen Ehefrau Elisabeth Witt, von der er sich 1934 wieder trennte, im 1932 erstellten Gemälde „Großes Liebespaar“ – auch unter dem Namen „Die Hembusse“ bekannt – fest. Auf einem anderen Kirchner-Bild aus demselben Jahr ist Elisabeth Hembus als „Blonde Frau in rotem Kleid“ abgebildet. In einem Brief an den Kunstsammler und Mäzen Carl Hagemann aus Frankfurt, der fast 100 Bilder von Kirchner erwarb und ihn damit nicht zuletzt in der Schweiz finanziell unterstützte, hält der Künstler über JH fest: „Ich habe ihn sehr gern. Er ist mir in vielem so ähnlich“.
Im Jahr 1936 wieder nach Kronberg zurückgekehrt, heiratete JH die gebürtige Bochumerin Hertha Höltermann und führte jetzt den väterlichen Betrieb erfolgreich weiter, welchen bis dato sein inzwischen verstorbener Bruder Paul Hembus geleitet hatte. Langhammer dazu: „Schon 1937 bekam er Auszeichnungen auf der Weltausstellung in Paris und 1939 in Lüttich.“ Weitere Auszeichnungen folgten, wie die Ehrenplaketten der Stadt Frankfurt am Main und des Hessischen Ministerpräsidenten, die Goldene Dürer-Plakette des Deutschen Malerhandwerks sowie die bereits erwähnte Ehrenbürgerwürde.
Seine große berufliche Zeit hatte JH nach Langhammers Angaben in der Nachkriegszeit. So war er vor allem mit seinem Unternehmen an vielen Kirchenrestaurierungen im Rhein-Main-Gebiet und Frankfurt, dazu zählt der Dom und die Justinuskirche in Höchst, maßgeblich beteiligt. Auch im Kaisersaal im Römer, im Goethehaus sowie im Höchster Bolongaropalast legte er mit seinem Team Hand an.
In Kronberg gehören die evangelische Johannis- sowie die katholische Sankt Peter und Paul-Kirche neben der Rezeptur zu seinen Objekten, die er wieder „auf Vordermann“ brachte. Im Gasthaus Adler veranlasste er die Konservierung einiger direkt auf den Wandputz gemalter Bilder, die einst eine Reihe von Künstlern der hiesigen Malerkolonie erstellt hatten. Mitte der 1960er Jahre erwarb JH zudem in der Altstadt den aus dem 14. Jahrhundert stammenden Hellhof, der sich damals in einem sehr baufälligen Zustand befand. Nach aufwändiger Restaurierung etablierte JH darinnen eine Galerie für Kunstausstellungen und einen Ort für Darbietungen von Musik und Theater.
Hellhof
Rasch wurde der Hellhof so über die Grenzen der Burgstadt bekannt. Die Musik, insbesondere das Orgelspiel, war neben dem Restaurieren und Erhalten von Bau- und Kunstwerken JH’s zweite große Leidenschaft. Das zeigte sich beispielsweise während seiner Schweizer Jahre. Hier rettete er laut Kronberger Zeitung eine ausrangierte Orgel aus der Barockzeit vor der Zerstörung, indem er sie kurzerhand abbauen ließ, um sie dann in seinem Domizil im Engadin wieder aufzubauen und bespielbar zu machen. Erneut hielt Ludwig Kirchner seinen damaligen Freund auf einer Tuschzeichnung als „Der Orgelspieler von Spina“ fest. Das Tasteninstrument nahm er bei seiner Rückkehr nach Kronberg mit und stellte es in seinem Domizil in der Königsteiner Straße erneut auf. Im Kloster Ilbenstadt in der Wetterau bewahrte er ebenfalls die historische Barockorgel von 1735, welche von dem bekannten Mainzer Orgelbauer Johann Onymus stammt, vor dem Untergang. Nebenbei spielte er im von ihm mit begründeten Kronberger Streichquartett auf der Bratsche. Am 20. April 1983 verstarb JH im 79. Lebensjahr in seinem Haus in der Königsteiner Straße in Kronberg (war)