„Ich bin ein Kind der Altstadt“ – Der Mensch Wolfgang Haas feiert Jubiläum

Kronberg (mg) – Wenn man Wolfgang Haas physisch auf Augenhöhe begegnen möchte, muss man ungefähr um die 1,90 Meter Körperlänge aufweisen. Ansonsten fällt es jeder Person recht leicht, dem Menschen hinter dem Höhenmaß zu begegnen, denn man nimmt seinerseits unmittelbar Akzeptanz und Respekt für das jeweilige Gegenüber wahr. Unabhängig davon, ob es ihm bekannt ist oder nicht. Ein klassischer Moment einer seit Dekaden existenten Haltung in seiner Persönlichkeit. Er ist ein prominenter Mensch in Kronberg, gleichzeitig uneitel und sich „der Sache an sich“ verpflichtet fühlend.

Sozialdemokrat im Werdegang

Der aktuelle SPD-Fraktionsvorsitzende trat im Jahr 1972 der Sozialdemokratie mit Parteibuch bei. Wie viele andere und zahlreiche seiner späteren Genossinnen und Genossen wurde er vom Charismatiker und späteren Bundeskanzler Willy Brandt motiviert. „Ich wollte unbedingt ein Teil davon sein“, erwähnt er im Gespräch. Da war Wolfgang Haas 19 Jahre jung. Nun feierte er nach einem bereits ertrag- und facettenreichen Leben am Montag, den 30. Oktober, seinen 70. Geburtstag. Über 50 Jahre SPD-Mitgliedschaft und 47 Jahre Mandatsträgerschaft für die Partei in Kronberg im Taunus in verschiedenen Positionen liegen hinter ihm. Im Jahr 1977 kam er in den Ortsbeirat Kronberg, dort blieb er bis zum Jahr 2001; seit dem Jahr 1997 hatte er auch das Amt des Ortsvorstehers inne, was ihm nach eigenen Aussagen in seiner politischen Karriere „mit die schönste Zeit“ bescherte. Wolfgang Haas lächelt während dieser Aussage dezent, seine Augen leuchten kurz auf. Man merkt, dass es tatsächlich so war. Aber auch an die Zeit zwischen den Jahren 2011 und 2016 in der Großen Koalition mit der CDU erinnert er sich gerne, sie sei sehr produktiv und von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen. Zum CDU-Mann Reinhard Bardtke habe er persönlich ein gutes Verhältnis gehabt, getragen von gegenseitiger Wertschätzung und Sympathie. Seit dem Monat März im Jahr 2001 ist er nun bis heute Stadtverordneter im Kronberger Stadtparlament und nun ein stückweit wehmütig: „Ich habe den Eindruck, dass der gemeinsame Blick auf die Zukunft der Stadt Kronberg in der Kommunalpolitik gelitten hat. Es gab schon immer deutliche Unterschiede, aber der Blick auf das Wohlergehen Kronbergs war doch immer vom Konsens getragen, egal welche Parteicouleur jemand trug. Das ist bedauerlicherweise anscheinend abhandengekommen“, schmerzt ihn dieser Aspekt sichtlich. Als Fraktionsvorsitzender seiner SPD Kronberg weiß Haas selbstverständlich auch um die aktuellen Geschehen und Diskussionen und trifft damit sicherlich einen Punkt.

Ausbildungsleiter

Beruflich hat Wolfgang Haas allen Grund, von Erfolg zu sprechen. Als einer von drei Brüdern kam wie damals in der Familie häufig die Ansage: Du musst arbeiten. Und so begann Wolfgang Haas im Alter von 16 Jahren eine Ausbildung zum Industriekaufmann in Frankfurt und schloss diese ab. Im Alter von 28 Jahren machte er dann noch sein Fachabitur und arbeitete insgesamt über 40 Jahre im Ausbildungswesen, am längsten für den größten Flughafenbetreiber Deutschlands in Frankfurt. Fast 12 Jahre lang trug er dann dort auch die komplette Leitung der Abteilung für berufliche Bildung auf seinen Schultern. Am Ende seiner Laufbahn hatte er 51 Leistungsjahre auf dem Rentenkonto. Noch heute arbeitet er einmal wöchentlich bei einer Stiftung des Betriebs und leitet die Geschäftsstelle. Regionale Bildungsprojekte und Berufsorientierungsprogramme mit dem Fokus auf Haupt- und Realschülerinnen und -schülern werden durch die Stiftung gefördert.

Handballer

Wolfgang Haas war gleichzeitig nicht nur Ausbildungsleiter beim größten deutschen Flughafenbetreiber und langjähriger Kommunalpolitiker, er war auch Sportler aus Leidenschaft. Er widmete sich Leichtathletik und Fußball, aber vor allem dem Handball. Gerne erinnert er sich an die Zeiten, in denen sein ebenfalls sportlicher Vater ihn und die ganze Mannschaft in einem VW-Variant zum Spiel kutschierte, teilweise reisten Mannschaftsmitglieder im Kofferraum mit. Seine Eltern waren wie er sehr aktiv beim MTV Kronberg.

Kronberger Altstadt und Familie

Ein weiteres Kronberger Monument war für Haas selbst eine wichtige Konstante und Bezugsperson: Hans Willi Schmidt, der derzeitige ehrenamtliche Dezernent für Integration in Kronberg und langjährige Vorsitzender des Altstadtkreises, in dem Wolfgang Haas persönlich seit 26 Jahren Mitglied ist. Zu Schmidt hat er offenkundig ein enges und vertrauensvolles Verhältnis. Seinem großem Netzwerk ist es zu verdanken, dass im Jahr 2000 im Kronberger Rathausgarten nach langen vergeblichen Bemühungen ein Weinberg angelegt werden konnte. Wolfgang Haas erlebt sich insgesamt als Kind der Kronberger Altstadt, der er bis zum heutigen Tag treu bleibt und wo er seit 47 Jahren wohnt. Mittlerweile tut das auch seine Tochter wieder, die Lehrerin wurde. Eins der drei Enkelkinder seiner Lebensgefährtin begleitet Haas oft zum Fußballtraining der SG Oberhöchstadt und so wurde er zum „Fußball-Opa“. Er macht das sehr gerne und weiß noch genau, wie schön er es selbst erlebte, wenn seine Eltern das taten und somit Interesse für ihren Sohn auf dem Sportplatz zeigten. Die ehrenamtlich Tätigen des Vereins schätzt Haas sehr, für ihn leisten sie eine wichtige Form sozialer Arbeit.

Tradition und Heimat

Während Wolfgang Haas das alles erzählt, sitzt er außerhalb der Öffnungszeiten auf einer Holzbank am Fenster im Kronberger Lokal „Zum Weinberg“, das über ein halbes Jahrhundert lang von seinen Großeltern Anni und Fritz Haas betrieben wurde. Heute weisen sowohl ein Zusatz am Straßenschild als auch eine Unterschrift unter dem Schriftzug des Lokals darauf hin. Sein Vater hatte zudem im Hinterhaus einen Metall verarbeitenden Betrieb. Politisch links ging es seit jeher in der Familie zu, auch zu Zeiten, in denen es das eigene Leben gefährden konnte. So war die Wirtschaft auch Rückzugsort für dieses politische Spektrum. Die Schankerlaubnis für die Gaststätte wurde bereits im Jahr 1906 auf Wolfgang Haas‘ Urgroßeltern ausgestellt und hängt heute im Rahmen an der Wand des Wirtshauszimmers. Unter anderem sind Abbildungen seines Vaters und seiner Großeltern als geschnitzte Profile an den Holzbänken angebracht und zu finden. Es ist in der Tat eine authentisch erhaltene Einrichtung im Detail, wie man sie heute nur noch selten vorfindet. Im Rathausgarten pflegt Wolfgang Haas dann auch noch gemeinsam mit anderen den kleinen Weinberg der Stadt Kronberg. 60 Reben sind vorhanden und generieren im Schnitt 300 Flaschen Wein im Kalenderjahr. Die Ernte selbst ist schon ein Ereignis und wird dementsprechend zelebriert. Eine weitere Tradition pflegt Haas seit dem Jahr 1969; seitdem hat er hat ein Zeitungsabonnement der Frankfurter Rundschau. Zwei Tageszeitungen sind heute für ihn tägliche Pflichtlektüre. Sein Herz schlägt auch für Kabarett und Varietéveranstaltungen. Das neue Theater in Frankfurt-Höchst besuchte er ebenso oft wie die Käs´ und die Stalburg im Frankfurter Nordend. Am Ende des Gesprächs zahlt Wolfgang Haas in der Wirtschaft das konsumierte Glas Wasser und die Johannisbeersaftschorle ganz bewusst an der Theke, auch wenn er als Eigentümer der Räumlichkeiten vermutlich eingeladen gewesen wäre. Auch das gehört zu seinem Prinzip der Wertschätzung von Arbeit, denn er weiß genau, was das und soziale Gerechtigkeit bedeuten. Es sollte und müsste mehr von dieser Sorte Mensch geben.

Der Sozialdemokrat Haas neben dem holzgeschnitzten Konterfei seiner Großmutter Anni Haas im Gastraum des „Weinbergs“

Wolfgang Haas vor dem Lokal „Zum Weinberg“, das über ein halbes Jahrhundert von seinen Großeltern und Urgroßeltern betrieben wurde Fotos: Göllner

Über dieses Kopfsteinpflaster der Altstadt ist der ehemalige Ausbildungsleiter sicherlich unzählige Male gelaufen.

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