Klangwelten aus drei Jahrhunderten beim Preisträgerkonzert im Altkönig-Stift

Pianistin Anna Naretto begleitete am Flügel den aus Kanada gebürtigen virtuosen Cellisten Bryan Cheng im Preisträgerkonzert, bei dem er mit dem mit 3.000 Euro dotierten Förderpreis des Altkönig-Stiftes ausgezeichnet wurde. Foto: Schumacher

Kronberg (pf) – Eigentlich hatte der Cellist Bryan Cheng, der am Samstagabend mit dem Förderpreis des Altkönig-Stifts ausgezeichnet wurde, ein ganz anderes Programm mit Werken nicht nur von Claude Debussy und Manuel de Falla, sondern auch von Max Bruch und Evard Grieg präsentieren wollen, aber nachdem sein Studienkollege und Pianist Jérémy Moreau, der an der Kronberg Academy bei Sir András Schiff studiert, krank geworden war, musste er es ändern. Übrig blieb im Mittelteil die Cellosonate d-Moll von Claude Debussy. Und von Manuel de Falla spielte er als Zugabe nur das Lied „Nana“ aus seinen „Siete conciones populares españolas”, die er ursprünglich alle sieben hatte spielen wollen.

Eine Reise durch ganz unterschiedliche Klangwelten kündigte er nun seinem Publikum an, denn das Konzert, bei dem ihn die italienische Pianistin Anna Naretto am Flügel begleitete, begann mit Ludwig van Beethovens Cellosonate Nr.3 A-Dur op. 69 und endete mit Dmitri Schostakowitschs Cellosonate d-Moll op. 40, einem Werk, mit dem der Komponist “dem ,cantabilen Ausdrucksgehalt' eines der schönsten Denkmale in der Celloliteratur gesetzt hat”, wie es im Kammermusikführer “Villa Musica” heißt.

Beethovens Komposition, erläuterte der aus Kanada gebürtige Cellist, der schon eine steile internationale Karriere gemacht hat und seit vergangenem Jahr von Wolfgang Emanuel Schmidt im Studiengang Kronberg Academy Professional Studies ausgebildet wird, ist die erste Cellosonate, in der Cello und Klavier gleichberechtigt miteinander musizieren. Das gesangliche Thema des ersten Satzes wird daher vom Cello solo eröffnet. Wegen dieses ausgewogenen Verhältnisses zwischen den beiden Instrumenten wurde Beethovens Cellosonate op. 69 zum Vorbild für spätere Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms.

Einen völlig anderen Charakter hat die Cellosonate von Claude Debussy, der 35 Jahre nach Beethovens Tod geboren wurde und der sich auf dem Titelblatt der veröffentlichten Sonate selbstbewusst “Claude Debussy. Musicien français” nannte, plante er doch mit seinen sechs Sonaten, von denen er nur drei vollendete – die Cellosonate war 1915 die erste – eine Verherrlichung der “Musique française” in bewusster Abgrenzung von der Musik der „Austro-Boches“, mit denen Frankreich gerade Krieg führte. Im Stil ist die Sonate von Eleganz und poetischem Zauber geprägt – Eigenarten, die Debussy als typisch französisch empfand.

1934, knapp zwei Jahrzehnte später, entstand Dmitri Schostakowitschs Cellosonate d-Moll op. 40, “ein Bekenntnis zur klassisch-romantischen Formtradition”, so der Kammermusikführer. Aber so sehr die Themen im ersten Satz auch an die Spätromantik erinnern, in der Durchführung wird mit den unerbittlich hämmernden, sich wiederholenden Rhythmen der Schostakowitsch sichtbar, der sich sein Leben lang mit der russischen Obrigkeit und den stalinistischen Kunstrichtern anlegte. Anfang 1936 erschien in der Prawda der Artikel “Chaos statt Musik”, durch den Schostakowitsch zum verfehmten Komponisten wurde. Noch während der mit dem Cellisten Viktor Kubatzki, dem er die Sonate widmete, auf Tournee war, las er, dass man ihm “linke Zügellosigkeit statt einer menschlichen Musik” vorwarf.

Bryan Cheng gelang es virtuos, diese unterschiedlichen Klangwelten auszuloten und hörbar zu machen. Ein Konzerterlebnis, das ebenso berührte wie begeisterte. Und als er später gemeinsam mit Anna Naretto durchs Foyer ging, in dem sich das Konzertpublikum noch bei einem Glas Sekt über das soeben Erlebte austauschte, erhielten beide spontan noch einmal dankbaren Applaus.



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