Kronberg Academy mit Musik gegen den Klimawandel – Harald Leschs Botschaft und die Vier Jahreszeiten

Sie sind auf ihrer Klima-Tournee beste Freunde geworden: Der Astrophysiker Harald Lesch und Martin Walch, Solist und Leiter des Merlin Ensemble Wien machen den Klimawandel hörbar zum Thema, das uns alle angeht. Foto: Patricia Truchsess

Kronberg (aks) – Mal was anderes bei der Kronberg Academy: Da steht der bekannte Fernsehmoderator, Harald Lesch, Astrophysiker und Professor für Physik an der Ludwig-Maximilian-Universität München, auf der Bühne und plaudert locker und frei über die Entstehung unserer Galaxis und über den Klimawandel. Seit ihrer Tournee durch Deutschland sei Martin Walch, der an diesem Abend mit seinem Merlin Ensemble Wien in der Stadthalle brilliert, ihm ein ziemlich guter Freund geworden. Der Abend erschüttert die Zuschauer in der voll besetzten Stadthalle (mit Coronalücken) gleich doppelt: Der Weckruf hat es in sich – mit Musik und mit der Botschaft eines Wissenschaftlers. Die Interpretation der Vier Jahreszeiten von Vivaldi (1720) ist hörbar gegen den Strich gebürstet, „plastisch aufgeraut“, was den expressiven acht Solisten virtuos gelingt. Darin steckt bereits die akustische Warnung, dass die vier Jahreszeiten in Zukunft nicht mehr so „typisch“ differenziert wahrnehmbar seien, wie von Vivaldi komponiert. Dass aus dem Abend nicht der Vorabend der Apokalypse wird, ist Leschs Talent zu verdanken, schlagfertig und mit Witz zu einem ernsten Thema Stellung zu beziehen.

Raimund Trenkler, Vorsitzender des Vorstands der Kronberg Academy, scheint selbst gespannt auf die „etwas andere Veranstaltung der Kronberg Academy“. Der Abend werde nicht zur reinen Beglückung führen, sondern widme sich einem brennenden Thema: Dem Klimawandel, vor dem auch die Kronberg Academy nicht Augen und Ohren verschließen wolle. Er betont dabei nicht ohne Stolz, dass das Casals Forum der erste klimaneutrale Konzertsaal inklusive Umweltmanagementsystem werde. Seine Bitte an das Publikum – und darüber hinaus: „Die Kraft der Musik wirken lassen, denn sie ist eine von Menschen gemachte Naturgewalt!“

Galaktische Energie

Zur Musik des „Santo Sepolcro“ von Vivaldi schildert Lesch, wie unsere Galaxis entstand mit einem neuen Stern, „nicht zu heiß nicht zu kalt – die Sonne“. Es gesellten sich Jupiter und Saturn dazu und es gab noch Platz für Terra mit ihrem Trabanten Luna. Durch „das Bombardement von Uranus“ gelangte ein interstellarer Stoff auf die Erde: Wasser, das weder Venus, deren Nebel immer noch nicht gelichtet seien, noch der rote Planet, Mars, halten könnten. Lesch: „Was will das Silicon Valley da oben?“

Da die Erde leicht geneigt ist, entstanden die vier Jahreszeiten je nach Neigung der Erde zur Sonne, im Winter kalt, im Sommer warm – bis jetzt. Am Mikrofon ist der charismatische Physiker ganz in seinem Element und so bringt er die Zuschauer trotz des todernsten Themas zum Lachen. Selbst komplexe Inhalte präsentiert er flott mit einem Augenzwinkern und erntet so nicht nur Sympathien, sondern viel Verständnis. Martin Walch, der kongeniale Violonist an seiner Seite, ergänzt die planetare Genesis um musik-historische Details.

Die heutige Aufführung mit, neben Martin Walch, den sieben Solisten Ingrid Friedrich (Violine), Cornelia Lörcher (Violine), Mechtild Sommer (Viola), Luis Zorita, er spielt ein Cello von Ruggiero, das im Besitz Pablo Casals war, Yosef Avraham (Kontrabass), Allen Smith (Fagott) und Daniela Fietzek (Cembalo) statt mit einem großen Orchester, habe Antonio Vivaldi mit seinen Musik-Schülerinnen damals schon so besetzt, um auch in kleineren Salons aufzutreten. Dass das Merlin Ensemble nach 30 gemeinsamen Jahren in bester Harmonie spielt und den Solistenpersönlichkeiten gerecht wird, trägt zum großen Musikgenuss an diesem Abend bei. Dabei kann sich der Ironiker Lesch die Bemerkung nicht verkneifen, mit einem Satz zu schildern,s wie innig und präzise die Proben abliefen: „Kinder, wir atmen nicht zusammen!“ Dabei klang alles perfekt, feixt er.

Jahreszeiten – nur noch in der Erinnerung?

Die vier Konzerte Vivaldis beschreiben die für jede Jahreszeit typischen Gefühls- und Wetterlagen mit allen charakteristischen Klängen und Geräuschen vor 300 Jahren, aber was ist heute noch „typisch“ und was nur noch Erinnerung?

Der Frühling mit Vogelstimmen und das Kläffen des Hundes, heitere Aufbruchstimmung und das „Balzen der Bratschen“ etwa? Mit den Worten: „24 Grad schon im Frühling und es wird noch wärmer, viel wärmer“, leitet der Erzähler Lesch zum Sommer über: 93 Tage Sommer, mit dem längsten Tag am 21. Juli. „Es brennt in Yakutien, in British Columbia und in Kalifornien, es ist noch nicht Sommer, es kommen heiße Tage auf uns zu.“

Der Wissenschaftler erklärt: Die Sonne wärmt uns und hält uns am Leben, die Erdatmosphäre, eine Art „Wärmestrahlungslampe“, reguliert die Temperatur auf durchschnittlich plus 15 Grad Celsius. Doch der Kohlenstoff der letzten Jahre setzt ihr zu. Dass das Phänomen menschengemacht sei, sei von der Wissenschaft mit der Isotopenanalyse bewiesen: „Der Treibhauseffekt ist kein natürlicher Effekt“, ist Lesch wichtig zu betonen.

„Weil auch die Gletscher auf dem Felde schmelzen, steigen die Meere…“, so hängt jedes Element am anderen. Das Merlin Ensemble Wien, das teils auf 350 Jahre alten Instrumenten mit unvergleichlichem Klang spielt, die schon mehr dem Klima ausgesetzt waren als wir alle, setzt ein mit „dem Sommer“, der in dieser Interpretation besonders bedrohlich wirkt, schwer, sonnentrunken und düster mit Gewittern. Die Umsetzung der flirrenden Hitze und gleißenden Sonne mit peitschenden Gewittern in strahlend schöne Musik wühlt auf. Müssen wir uns in Zukunft vor dem Sommer fürchten?

Ein kurzes Intermezzo gilt Harald Lesch, der bei der Generalprobe nach Herzenslust vom Publikum „ausgefragt“ wird. Seine Antworten sind an brillanter Präzision und feiner Ironie nicht zu übertreffen. Er weiß, wovon er spricht, hat er doch auch schon einmal die Wahlaussagen der AfD, die die menschengemachte globale Erwärmung leugnen, widerlegt. Seinen Humor hat er trotz der darauf folgenden Hassattacke im Netz offensichtlich nicht verloren. Er stehe jeden Morgen auf und mache einfach – „wie ein Duracell-Häschen“. Für ihn gibt es „keine Alternative zum Optimismus“, da hält er es wie Camus, der sich „Sisyphos als glücklichen Menschen“ vorstellte. Sein Motto klingt einfach: „Wir kriegen das schon hin!“ Das habe er von seiner Familie: „Handle so, dass du nachts gut schlafen kannst.“ Er appelliert eindringlich: „Die Erde ist ein Planet mit richtig viel Energie.“ Selbst wenn wir heute den Ausstieg beginnen, könnten wir den Klimawandel nicht sofort stoppen, dafür brauche es 20 bis 25 Jahre. Statt Dämonen anzurufen, sollten wir Respekt gegenüber der Natur zeigen: „Die Natur als Gegenüber ist nicht verhandelbar, die wird sich an uns nicht anpassen.“ Zur Energiewende müssten wir jetzt die Grundsteine („Raus aus den fossilen, rein in die erneuerbaren...“) legen, auch wenn in Deutschland 40 Jahre verschenkt wurden, weil auf Wissenschaftler niemand hören wollte. Das Anthropozän nennt er lieber Kapitalozän und Pyrozän, das Zeitalter des Feuers.

Winter, die zu Sommer werden

Harald Lesch hält das Schluss-Plädoyer, an seiner Seite Martin Walch, der ihm zustimmt: „Musik, Kunst und Wissenschaft sind enger miteinander verbunden, als Sie denken! Musik bedeutet Erdung. Wir leben (nach dem Fehlverhalten der letzten 200 Jahre) auf dünnem Eis! Sorgen wir dafür, dass es in den galaktischen Chroniken nicht heißt, „es hat nicht gereicht“: Dabei hatten sie (Sie) doch alle Möglichkeit… Es brauchte eine schwedische Schülerin, wie erbärmlich, was für eine Armut!“ Weiter geht es mit dem Herbst, auch hier ist die Spannung spürbar: Jagdhörner, Hundegebell, fröhliches Feiern und heftige Stürme erklingen. Der Winter gleitet fröhlich mit den Schlittschuhläufern dahin, doch der Gegensatz zwischen winterlichem Frost draußen und der Kampf um ein wenig Wärme ist hart wie Eis. So war es früher. Und heute? Regen auf Spitzbergen. „Eigentlich ist es da saukalt!“ Fragen wir uns selbst: „Kommen jetzt nur noch Winter, die Sommer sind?“



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