Landesregierung will Ortsgerichten Grundstückschätzungen entziehen

Kronberg. – Die Landesregierung will den Ortsgerichten die Schätzung von Grundstückswerten entziehen. „Dabei gehört diese Aufgabe zu den Hauptaufgaben der Ortsgerichte“, so die SPD Kronberg. „Wir haben uns an MdL Elke Barth, wohnungspolitische Sprecherin der SPD Hessen gewandt. Zusammen mit dem rechtspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion hat sie nun eine Anfrage an die Hessische Landesregierung gestellt“, informieren die Kronberger Sozialdemokraten. Ortsgerichtsvorsteher und -schöffen fragen sich, was künftig ihre Aufgabe sein soll, wenn sie de facto keine Grundstückswertschätzungen mehr machen dürfen, da die Finanzämter diese nicht mehr anerkennen, wenn sie nicht durch einen zertifizierten Sachverständigen durchgeführt wurden. Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer fragen sich, wie kompliziert die Schätzung ihrer Grundstücke durch die neuen Auflagen werden soll. „Der Vorteil der Ortsgerichte ist nämlich ihre Ortskenntnis“, so die SPD. Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Gerald Kummer, der selbst lange Ortsgerichtsvorsteher war, und Elke Barth fragen die Landesregierung mittels folgendem Fragekatalog:

1. Wie viele Fälle von Schätzungsurkunden, die vor Änderung des §198 Abs. 2 BewG von Ortsgerichten ermittelt wurden, sind der Landesregierung bekannt, die nicht den Anforderungen eines Verkehrswertnachweises entsprachen?

2. Wie viele Fälle mangelhafter Gutachten von Verkehrswertschätzungen sind der Landesregierung bekannt, die von den Finanzämtern aus diesem Grund abgelehnt wurden?

3. Wie war ihre Position bei der Veränderung des §198 Abs. 2 BewG, welche am 25. Juni 2021 im Bundesrat beschlossen wurde?

4. Liegen ihr Anhaltspunkte dafür vor, dass die Grundstücksschätzungen durch die Ortsgerichte in den überwiegenden Fällen über dem Bodenrichtwert des Gutachterausschusses lagen?

5. Wie sieht sie die zukünftige Einbindung der Ortsgerichtsschöffen in die Ortsgerichte, welche bisher überwiegend über die Immobilienbewertung stattfand?

6. Wie beurteilt sie die Qualität künftiger Verkehrswertgutachten, wenn die räumliche Distanz zwischen Gutachter und begutachtetem Objekt zunimmt?

7. Plant die Landesregierung eine Finanzierung oder Bezuschussung der Fortbildung für die Ortsgerichte, um eine Zertifizierung nach DIN EN ISO/ IEC 17024 zu ermöglichen?

8. Welche Aufgaben sieht sie für die Ortsgerichte in Zukunft?

Der stellvertretender Vorsteher des Ortsgerichts III Kronberg, Paul-Dieter Emmel, zu den Plänen der Landesregierung: „Wenn wir, das Ortsgericht, Wertermittlungen von Immobilien erstellen, die das Finanzamt nicht anerkennt, wird kein Bürger mehr zu uns kommen. Wertermittlungen durch Sachverständige sind um ein Vielfaches teurer als die Gutachten durch die festgelegten Preise des Landes Hessen.“ Die Gutachten des Ortsgerichts Schönberg seien professionell (nach Ross und Brachmann) und formal unantastbar aufgestellt. „Die hessischen Bürger, die von der Änderung erfahren haben, sind empört und hoffen, dass sie weiter von den Ortsgerichten ihre Immobilien schätzen lassen dürfen.“

SPD erwartet schnelle Aufklärung

„Wir danken Elke Barth und Gerald Kummer für ihre schnelle Initiative. Paul-Dieter Emmel, stellvertretender Vorsteher des Ortsgerichts Schönberg, hatte sich an uns gewandt und wir haben uns wiederum an die SPD-Landtagsfraktion gewandt. Denn nur auf Landesebene kann hier noch Einfluss genommen werden.“, sagen der SPD Kronberg Ortsvereinsvorsitzende Thomas Kämpfer und die Stadtverordneten Helga Michaelis, Wolfgang Haas und Gabriela Roßbach.

„Wir erwarten, dass die Landesregierung die Fragen zügig beantwortet und werden die Öffentlichkeit sofort informieren. Wir bleiben dran“, versichern SPD-Fraktion und -Vorstand.

Die Ortsgerichte der Nachbargemeinden Sulzbach und Bad Soden haben gegen den Erlass der Landesregierung bereits Widerspruch eingelegt. Nach Aussage der Ortsgerichtsvorsteher würden den Bürgern durch die Neuregelung sehr hohe Kosten entstehen. Für eine Wertschätzung einer Immobilie von angenommen 500.000 Euro wären künftig 3.124 Euro (z. B. Gebühr des Gutachterausschusses) anstelle von 342 Euro bisher beim Ortsgericht zu zahlen. (mw)



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