Leserbrief Aktuell

Unser Leser, Jürgen Specht, Kronberg, schreibt uns zum Thema „DRK-Campus“:

Zurecht hat der Magistrat der Stadt Kronberg Bedenken beim Projekt DRK-Campus Kronberg. Denn es handelt sich um ein Gebiet um die Walter-Schwagenscheidt-Straße und Geschwister-Scholl-Straße. Hier sind in einer sensiblen, ökologischen, grünen Ortslage sowohl Ein- und Zweifamilienhaus-Bewohner als auch Mieter des städtischen Ernst Winterberg Hauses und die in der DRK Alten- und Pflegeeinrichtung lebenden Menschen massiv betroffen.

Indem der DRK-Landesverband sagt: „Sofern jedoch weiterhin kein Einvernehmen erreicht werden kann, … müsse die Verlegung der Altenpflegeschule an einen anderen Ort geprüft werden … auch außerhalb des Hochtaunuskreises.“ („Bei geplantem DRK-Campus wird Gesprächsfaden wieder aufgenommen“, KB vom 21.12.2022), wendet er die überkommene Drohung des Ausnahmezustandes an und dies ist kein souveränes demokratisches Verhalten.

Diese Drohung setzt die gewählten Gremien und die Bürger unter unangemessenen Druck. Damit wächst die Gefahr – wie schon oft in Kronberg geschehen – einer Ja-und-Amen-Lösung. Warum wird hier kein B-Plan erstellt? Das häufig vorgebrachte Kostenargument von Seiten der Politik ist nicht stichhaltig, denn B-Pläne werden zwar von Steuergeldern bezahlt, ermöglichen aber mehr Allgemeinwohl, weil anders als beim §34-Verfahren die Mitwirkungsmöglichkeiten wesentlich größer sind.

Es muss einen auch alarmieren, wenn von Seiten des Ersten Stadtrates erklärt wird: „Es gibt eine Bandbreite von Varianten“ (KB vom 21.12.2022). Die Kronberger Öffentlichkeit hat bisher keine Kenntnis davon, geschweige denn die vielen Anwohner.

Der DRK-LV Hessen will einen Neubau statt einer Renovierung. Demgegenüber steht das Ziel der Kronberger Politik, in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden. Selbst der eher konservative Bund deutscher Architekten und Architektinnen (BdA) empfiehlt mittlerweile, mehr zu renovieren statt abzureißen, also Instandsetzung der älteren Bausubstanz und Um- und Anbauten, die ein harmonisches Gesamtensemble ergeben, möglichst auch in Holzbauweise. Denn die CO²-Belastung u.a. infolge von Baumüll ist enorm. So hat gerade Robert Kaltenbrunner, Referent im Bundesbauministerium, in einem Zeitungsartikel aufgeführt, dass jeder Bundesbürger durch Straßen-, Fabrik- und Wohnungsbau etc. entstehenden Bauabfall mit 360 Tonnen belastet ist. Dies entspricht zwei vollgetankten Jumbojets, das Recycling dieser Abfallstoffe ist minimal.

Dass das DRK von einer kostenintensiven Renovierungsmaßnahme spricht, negiert damit, dass die Kosten für die Klimazerstörung der nächsten Generation aufgebürdet werden, welche vielleicht gar nicht mehr adäquat aufgebracht werden können. Hat das DRK kommunal, regional und weltweit nicht auch neben der Wohlfahrt ebenso die Aufgabe einer allgemeinen Caritas? Ich finde es schockierend, dass ein Gebäude aus den 1980er-Jahren heute schon ‚Schrott‘ sein soll, was im Übrigen der Augenschein in keiner Weise bestätigt.

Es gibt mittlerweile Architekturbüros, die Entwürfe zur ökologischen und klimaneutralen Renovierung und Erweiterung bestehender Gebäude anfertigen können. Man muss sie nur beauftragen! Wenn also die ambitionierten Klimaziele der Stadt Kronberg keine Farce sein sollen, müssen alle Beteiligten dringend umdenken und anders handeln lernen!

Mehr und mehr verstört es mich, dass auch die Kronberger Grünen „eine einvernehmliche Lösung fordern“ (KB vom 21.12.2022), ohne eine Problemanalyse vorzunehmen. Wo bleibt ihr kreatives Denken und innovatives Handeln – auch wenn das oftmals unpopulär war? Ich höre ansonsten den Dichter Shakespeare aus seinem jahrhundertealten Grab rufen: „Eurer Wut hält keine Schönheit stand.“



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