Lesetipps aus der Stadtbücherei – von den Mitarbeitern für die Leser

von links nach rechts: Maxim Fitzgerald (FSJler), Dorothe Starke, Angelika Becher, Renate Göhler-Michel, Daniela Barbu (Leitung), Renate Steyer und Kolja Giershausen. Foto: privat

Kronberg (kb) – In diesem Jahr stellen die Mitarbeiter der Stadtbücherei für die Leser des Kronberger Boten ihre Lieblingsbücher, -filme, etc. vor.

Daniela Barbu, Leiterin Stadtbücherei

Der Gesang der Flusskrebse/Delia Owens. - München: Hanserblau, 2019

Kya Clark ist das jüngste von fünf Kindern. Sie lebt zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern im Marschland in North Carolina. Sie ist 6 Jahre alt, als ihre Mutter die Familie verlässt. Nach und nach verlassen auch die anderen Geschwister die Hütte im Marschland. Ein ganzes Jahr lebt sie mit ihrem Vater allein, der in dieser Zeit noch versucht, ein besserer Vater zu werden. Anfangs hat man noch Hoffnung, dass ein Zusammenleben beider Personen möglich sein könnte, doch dann verschwindet auch diese Hoffnung. Auf sich gestellt und ohne Schulbildung lernt Kya zu überleben. Sie lebt unter einfachsten Bedingungen und kämpft um jede Mahlzeit. Den Menschen in der nahegelegenen Kleinstadt geht sie aus dem Weg und eine Schule besucht sie nicht. Die Natur gibt ihr Halt, versorgt sie und spendet ihr Trost. Sie beobachtet die Pflanzen, die Fische und die Seevögel. Dank eines Jugendfreundes ihres Bruders lernt sie Lesen und Schreiben. Sie lernt Chase Andrews kennen und lieben. Als Chase tot aufgefunden wird, wird Kya zur Verdächtigen. Einzigartige Figuren, wunderbare Naturbeschreibungen, eine gefühlvolle Sprache und Spannung bis zur letzten Seite. Für mich eines der besten Bücher dieses Jahres.

Metropol/Eugen Ruge. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt Verlag GmbH, 2019

Für seinen Debütroman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ wurde Eugen Ruge 2011 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Damals ging es um das Schicksal seiner Familie in der untergehenden DDR. Mit dem Buch „Metropol“ hat er erneut einen Roman mit autobiografischem Hintergrund geschrieben. Der Berliner Autor springt einige Jahre zurück und zeichnet das Leben seiner Großmutter ab 1936 in der Sowjetunion nach. Auf der Flucht vor den Nazis ist die Kommunistin Charlotte mit ihrem Mann Wilhelm in die UdSSR emigriert. Beide arbeiten in einer Organisation, in der Kommunisten aus dem Ausland tätig sind. Schon bald rückt die „Große Säuberung“ in den Mittelpunkt ihres Daseins. Diktator Stalin lässt grundlos Menschen, die seine Macht gefährden könnten, verhaften und zum Tode verurteilen. Eine Zeit der Angst und der Denunziation beginnt. Auch Charlotte und Wilhelm sind bedroht. Dem Autor gelingt es hervorragend, den Schrecken greifbar zu machen. Der Terror drang bis ins Privatleben vor. Das tägliche Leben bestand aus Schlange stehen für Grundnahrungsmittel und warme Stiefel. Man hatte Angst vor jedem falschen Wort. Das stalinistische Trauma wirkt bis heute nach, nicht nur in Russland, sondern in ganz Osteuropa. Die Themen Überwachung, Misstrauen und verdrehte Wahrheit sind heute aktueller denn je.

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Angelika Becher

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek / David Whitehouse. - München: Wilhelm Heyne Verlag, 2016

Der 12-jährige Bobby Nusku wächst bei seinem alkoholabhängigen Vater und dessen einfältiger Freundin auf. Er weiß nicht ,was mit seiner Mutter passiert ist und ist verstört, dass sie ihn von heute auf morgen verlassen hat. Um sie nicht zu vergessen, trägt er Haare von ihr und kleine Stofffetzen, die er aus ihren Kleidungsstücken herausgeschnitten hat, mit sich herum. In der Schule ist er ein Außenseiter. Er freundet sich mit Sunny, seinem Schulkameraden an, der ihn beschützen möchte. Als sein Freund Sunny plötzlich wegzieht, ist Bobby völlig allein. Erst die Freundschaft zum Nachbarsmädchen Rosa und ihrer Mutter Val, die Putzfrau in einem Bücherbus ist, gibt ihm Hoffnung. Die drei verstehen sich ohne viele Worte und als Val sich gezwungen sieht, die Kinder und sich selbst zu beschützen, fahren sie mit dem Bücherbus auf eine abenteuerliche Reise quer durch England. Unterwegs gesellt sich der Einzelgänger Joe zu ihnen, der von der Polizei gesucht wird. Im Gepäck haben sie nur das Nötigste, ihre Freundschaft und eine Menge guter Bücher. Im Verlauf der Reise werden schmerzhaft die alten Wunden der Vergangenheit aufgerissen. Hilfe erhalten sie dabei das ein und andere Mal durch Hinweise aus den Büchern, die sie im Bücherbus umgeben. So erhält der Leser neben der spannenden, rasant geschriebenen und berührend warmherzigen Geschichte auch gleich noch eine Menge Literaturtipps. Getrieben und verfolgt von der Polizei endet die Reise mit dem Bücherbus schließlich kurz vor dem Abgrund und findet einen fulminanten Abschluss. Wer ein Buch zum Thema Freundschaft, Verbundenheit und Familie sucht, der ist hier genau richtig.

Achtsam Morden: Kriminalroman / Karsten Dusse. – München: Wilhelm Heyne Verlag, 2019

Björn Diemel ist ein erfolgreicher Anwalt und Strafverteidiger. Er betreut ausschließlich einen brutalen Großkriminellen, der ihn rücksichtslos fordert und hat dementsprechend sehr wenig Zeit für seine Familie. Um seine Arbeit und die Zeit mit der Familie wieder in eine gute Balance zu bringen zwingt ihn seine Frau, ein Achtsamkeits-Coaching zu besuchen. Björn ist skeptisch, aber Joschka Breitner, der sympathische Coach, überzeugt ihn mit seinem Konzept: Der Kurs mit der Achtsamkeit, bewusstem Atmen und Zeitinseln funktioniert tatsächlich. Björn beginnt, das Konzept anzuwenden. Als sein Mandant ihm ernstliche Probleme bereitet, bringt er ihn einfach um – nach allen Regeln der Achtsamkeit. Die Prinzipien der Achtsamkeit verändern Björns Leben grundlegend: Er verbringt endlich mehr Zeit mit seiner kleinen Tochter, entspannt das Verhältnis zu seiner Frau, klärt die ausbeuterische Arbeit in der Kanzlei und findet auch für die Probleme mit der Mafia immer wieder geniale Lösungen. Karsten Dusse treibt die Anwendung der Achtsamkeitsübungen in Björns Leben konsequent auf die Spitze. Pures Lesevergnügen für alle, die Spannung, Anregungen für die eigene Achtsamkeit im Leben und eine gute Portion schwarzen Humor mögen.

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Maxim Fitzgerald

Schöne neue Welt: ein Roman der Zukunft / Aldous Huxley. - Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verl., 2009

In dieser Welt als einer der einflussreichsten Romane des 20. Jahrhunderts geltenden Dystopie von Aldous Huxley, werden Menschen für bestimmte Rollen in der Gesellschaft gezüchtet und erzogen. Die Welt wird von Kontrolleuren, welche Teil der Alpha-Plus-Klasse sind, regiert, das Leben von Menschen niedrigerer Klassen wird wie eine Ressource behandelt. Die Menschen werden durch Konsum befriedigt und ihre Kritik- und Denkfähigkeit durch Drogen benebelt. Im Verlauf der Geschichte werden Vor- und Nachteile, sowie der Sinn eines Lebens in einer „perfekten“ totalitären Diktatur thematisiert und es wird für eine weniger perfekte, jedoch freiere Gesellschaft, appelliert.

Chernobyl: eine Serie von SKY und HBO (DVD), 2019

Die fünf Folgen lange Miniserie Chernobyl von HBO zeigt den Ablauf und die Folgen der Katastrophe in Tschernobyl 1986 sowie den Umgang und die Reaktion der Betroffenen und Regierung. Die Serie bleibt überwiegend den wahren Ereignissen treu, jedoch sind auch Elemente geändert worden, beispielsweise wurde die Gruppe aus Wissenschaftlern durch die Figur Ulana Chomjuk verkörpert. Eine kritische Einstellung der Sowjetunion gegenüber ist an einigen Stellen stark spürbar. Mit gut geschriebenem Dialog, fantastischen schauspielerischen Darbietungen sowie mit wundervollem Musik- und Sounddesign und gelungenem Schnitt und einer allgemeinen Liebe für Detail bietet Chernobyl dem heutigen Publikum eine größtenteils realistische Reproduktion einer der größten von Menschen geschaffenen Katastrophen und stellt das Problem menschlicher Fehlbarkeit dar.

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Kolja Giershausen

Burning – DVD Capelight Pictures, 2019 (Südkorea 2018) „Burning“ war letztes Jahr der Überraschungshit aus Südkorea, der auf Haruki Murakamis Kurzgeschichte „Scheunenabbrennen“ basiert. Mittelpunkt der Geschichte ist Jongsu, der seine Freundin Haemi sehnlichst aus ihrem Urlaub in Afrika wieder erwartet. Als er sie vom Flughafen abholt, schleppt sie jedoch den reichen Schnösel Ben mit an, den sie im Urlaub kennengelernt hat. Ben gibt sich als zutiefst geheimnisvoller Freund, der sich nicht mehr von Haemis Seite löst und kriminelle Charakterzüge trägt. Zunehmend entwickelt sich die Beziehung der drei Freunde zu einer Ansammlung von Mysterien. Mit „Burning“ erschafft der Regisseur Lee Chang-Dong eine einzigartige Atmosphäre, die aus gutem Grund mit Preisen überhäuft wurde und von der Presse gefeiert worden ist.

Permanent Record: Meine Geschichte/ Edward Snowden. - Frankfurt: S. Fischer Verl., 2019

In den Memoiren des amerikanischen Whistleblowers beschreibt Edward Snowden sein Leben von seiner Kindheit bis hin zu seinen schicksalhaften Erkenntnissen, die seine moralischen Werte auf die Probe stellten. Seine Entdeckungen von den Überwachungsmethoden der amerikanischen Geheimdienste lesen sich so spannend wie ein Krimi und weihen den Leser in die dunkelsten Geheimnisse von NSA und CIA ein. Snowdens Buch stellt den Lesern die Frage, wie wichtig einem die eigene Privatsphäre ist, die man im Zeitalter des Internets häufig unbewusst auf der Strecke lässt.

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Renate Göhler-Michel

Capernaum – Stadt der Hoffnung (DVD). - Alamode Filmdistribution, 2019 (LIB/F 2018)

Capernaum kommt aus dem Arabischen und ist eine Metapher für einen Ort voller Wahnsinn und Chaos. Zain ist gerade einmal 12 Jahre alt und steht bereits zum zweiten Mal vor Gericht. Beim ersten Mal war er der Angeklagte, nun ist er selbst der Ankläger seiner eigenen Eltern. Er verklagt sie, weil sie ihn auf die Welt gebracht haben. In chronologisch geordneten Rückblenden erzählt der Film die Vorgeschichte. Zain schildert dem Richter, was er in seinem jungen Leben bisher alles erleben musste. Seine elfjährige Lieblingsschwester Sahar wird von den Eltern an den Vermieter als Ehefrau verkauft. Zain rebelliert gegen diese Heirat und läuft von zuhause fort. In den Slums von Beirut findet er bei einer jungen Mutter aus Äthiopien Unterschlupf. Während Rahil Gelegenheitsarbeiten nachgeht, kümmert er sich um ihren kleinen einjährigen Sohn. Als Rahil jedoch eines Tages verhaftet wird, nimmt Zains Schicksal eine weitere dramatische Wende: Er muss zusätzlich Verantwortung für das Baby übernehmen. Dass es der Regisseurin Nadine Labaki in diesem Spielfilm gelingt, diese überzeugend darzustellen, liegt sowohl an den dokumentarisch wirkenden Bildern von den Originalschauplätzen in Libanons Hauptstadt als auch an den intensiven schauspielerischen Leistungen der Akteure, allen voran Zain al Rafeea, einem syrischen Flüchtlingsjungen, der inzwischen in Norwegen Asyl gefunden hat. Mich hat der Film sehr beeindruckt und berührt und ich kann ihn nur weiterempfehlen.

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Dorothe Starke

Klare Sache / Denise Mina. - Hamburg: Argumente Verlag mit Ariadne, 2019

Anna McDonald ist Hausfrau und Mutter zweier Töchter. Eines Morgens wird ihr Leben aus der Bahn geworfen. Sie hört einen True-Crime-Podcast über das Bootsunglück der „Dana“, bei der der Besitzer und dessen beide Kinder ums Leben kommen. Für Anna gibt es Verbindungen zu ihrem eigenen Leben, denn sie kannte den Besitzer. Und zusätzlich eröffnet Annas Ehemann, dass er Anna verlässt und mit ihrer besten Freundin Estelle zusammenziehen möchte. Anna steht vor den Scherben ihres Lebens. Gemeinsam mit Fin, dem verlassenen Ehemann ihrer Freundin Estelle, begibt sich Anna auf die Spuren ihrer eigenen Vergangenheit und recherchiert zu dem mysteriösen Unglück an Bord der „Dana“. Ein genialer, wilder Roadtrip, der mit Erzählungen und Geschichten spielt, der mit vielschichtigen Charakteren gewürzt ist und schlicht und einfach ein grandioser Krimi ist. Wahrscheinlich auch der allererste Krimi überhaupt, der sich mit dem jungen Format der Podcasts auseinandersetzt und es äußerst pfiffig einbaut.

Schneetänzer/Antje Babendererde.- Würzburg : Arena Verlag, 2019

Kurz vor seinen Abiturprüfungen begibt sich Jacob auf eine Reise von Deutschland in den wilden Norden Kanadas, in die verschneite und von Wäldern umgebene Kleinstadt Moosonee. Hier leben fast ausschließlich Cree-Indianer und einer davon ist Jacobs Vater, von dem er bis vor Kurzem noch nichts wusste. Nun macht er sich auf die Suche nach seinem Vater, nach seinen Wurzeln, nach Antworten auf seine Fragen. Warum hat seine Mutter ihn all die Jahre belogen? Ist sein Vater wirklich ein verantwortungsloser Trinker, wie sie sagt? Und wird Jakob sich wieder an seine Kindheit in Moosonee erinnern? Es wird eine Reise mit tödlichen Gefahren, aber auch eine Begegnung mit der Liebe. Mystisch und spannungsvoll erzählt die Autorin die Geschichte vom Leben der Cree-Indianer, die auch heute noch in der Wildnis Kanadas leben. „Schneetänzer“ ist ein einfühlsames Porträt der Cree-Indianer im Norden Kanadas, ihrer Kultur und ihrem Leben in der heutigen Zeit. Gleichzeitig ist es ein spannender Jugendroman, ein Abenteuerroman und eine Liebesgeschichte, in dem sich Jacob auf die Suche nach seinen Cree-Wurzeln begibt. „Schneetänzer“ ist vielschichtig, faszinierend und ergreifend. Authentisch und äußerst lesenswert ab 14 Jahren.

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Renate Steyer

Verloren in Eis und Schnee: David Morosinott. - Stuttgart: Thienemann, 2019

Verloren in Eis und Schnee – so heißt der Jugendroman des italienischen Autors David Morosinotto, der vom Kriegsbeginn 1941 in Russland aus der Perspektive 13-jähriger Kinder erzählt. Die Zwillinge Nadja und Viktor Danilow geraten in unterschiedliche Züge, als sie mit Hundert anderen Kindern aus der bedrohten Stadt Leningrad evakuiert werden. Viktor gelangt in eine Kolchose am Rande des Urals. Nadja schafft es nur bis Schlüsselburg. Sie sind zweitausend Kilometer voneinander getrennt und setzen alles daran, wieder zueinanderzufinden. Das Buch gibt einen sehr guten Einblick in die damalige Situation der Bevölkerung und die politische Lage Russlands. Die abgebildeten Karten und Fotos aus damaliger Zeit runden die Erzählung ab und man kann sich vieles noch besser vorstellen. Ein spannender, historischer Roman für Jugendliche.

Buchreihe: Gabriel Allon: Thriller/Daniel Silva. – München : Piper Verlag

Wohl inspiriert durch seine Zeit als Auslandskorrespondent hat Daniel Silva im Jahr 2000 die Figur des „Gabriel Allon“ geschaffen. Er ist der Protagonist in Daniel Silvas bisher 18 Bänden. Darin greift der Autor Themen wie Terrorismus, Kunst, Kirche und Geheimbünde auf. Der Israeli Gabriel Allon ist Agent und von Beruf eigentlich Kunstrestaurator, muss sich aber immer wieder mit Profikillern statt mit Kunstwerken auseinandersetzen. Durch seine Nationalität fließt immer wieder auch eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust ein. „Der russische Spion“ ist sein neuester Thriller. Daniel Silva war Top-Journalist des CNN: Er verbrachte lange Jahre als Auslandskorrespondent im Nahen Osten und am Persischen Golf. Wie kein anderer versteht er es, politisch brisante Themen und spektakuläres Insider-Wissen zu Hochspannung zu vereinen. Er entwirft Konstellationen, die durchaus auch in der Realität denkbar wären. Bisweilen erschrickt man und hält unwillkürlich inne. Allerdings nicht lange – dazu sind Silvas Bücher viel zu fesselnd.



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