Luther und Hartmut von Kronberg: Begegneten sich die beiden vor 500 Jahren?

Die Tafel am Bethmannhof gibt über Luthers Aufenthalt in Frankfurt Auskunft.

Fotos: Ried

Kronberg (war) – Am 17. April jährte sich der weltberühmte Auftritt von Martin Luther vor Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms zum 500. Mal. Zwar hatte bereits im Januar 1521 Papst Leo X. den Kirchenbann über den Reformator ausgerufen, aber die Reichsfürsten erreichten bei Kaiser Karl, Luther vor Verhängung der Reichsacht über ihn in Worms zu seinen reformatorischen Schriften zu befragen. In der Literatur ist immer wieder zu lesen, dass Hartmut XII. von Kronberg – bekannt als „der Bekenner“ – Luther sowohl in Frankfurt traf, als dieser auf dem Weg nach Worms dort übernachtete, als auch bei seinem Auftritt vor dem Kaiser in Worms. Doch anhand historischer Quellen lässt sich die direkte Begegnung der beiden nicht belegen. Wenn überhaupt, dürfte ein Zusammentreffen noch am ehesten in Worms zustande gekommen sein. Auf seinem Weg von Wittenberg nach Worms traf Luther von Friedberg kommend am 14. April in der Messestadt ein, um im „Haus zum Strauß“ am Kornmarkt zu übernachten. Luther war in Frankfurt ein viel gelesener Autor, denn seine Schriften – heute wären es Bestseller – waren wegen des regen Buchhandels auf den Messen, die hier jeweils im Frühjahr und Herbst stattfanden, weitverbreitet. Nach Aussage von Dr. Sabine Hock, die sich als Historikerin intensiv mit Luther in Frankfurt beschäftigt hat, soll Luther dann mit einigen Patriziern wie Hamman von Holzhausen, Philipp Fürstenberger und Arnold von Glauburg über Glaubensfragen diskutiert haben. Hock sind jedoch keine Archivalien bekannt, die Hartmut von Kronberg als Teilnehmer dieser „Diskussionsrunde“ erwähnen. „Es ist durchaus denkbar, dass er dabei teilgenommen hat, nur wir wissen es nicht“, so ihre Aussage. Auch eine Anfrage am Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt bei Dr. Michael Matthäus, einem ausgewiesenen Experten der Frankfurter Reformationsgeschichte, fiel negativ aus.

Wie sieht die „Sachlage“ in Worms aus? Hier kam der Reformator am 16. April an und blieb bis zum 26. April. Der Reichstag selbst, auf dem sich Luther vor dem Kaiser zu seiner in den Augen der katholischen Kirche ketzerischen Lehre erklären sollte, dauerte vom 27. Januar bis 26. Mai 1521. Zu diesem war Karl V., der zwei Jahre zuvor in Frankfurt zum König gewählt worden war, eigens aus Spanien angereist. Am 23. Oktober 1520 in Aachen zum Kaiser gekrönt, hielt er sich dann ab Ende November in Worms auf. Im Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden werden die beiden Belehnungsurkunden für Frank und Hartmut aufbewahrt, die in Worms auf den 24. und 26. Januar 1521 unmittelbar vor Beginn des Reichstags ausgestellt sind. Die Dokumente halten fest, dass beide Kronberger anteilsmäßig mit dem Schloss (die heutige Burg) samt Neu- und Altstadt von Kronberg inklusive dem Dorf Eschborn im Namen von Kaiser V. belehnt wurden. Zudem ist dokumentiert, dass die beiden den dazu gehörigen Lehnseid ordnungsgemäß geleistet hatten. Dieser Vorgang war ein routinemäßiger Verwaltungsakt, den sehr wahrscheinlich Beamte der kaiserlichen Hofkanzlei durchführten. Daher steht fest, dass Hartmut und Frank Ende Januar 1521 in Worms zugegen waren. Das heißt jedoch nicht, dass Hartmut auch im April 1521 hier während des Auftritts von Luther präsent war. Es könnte durchaus so gewesen sein, aber es existierten wieder einmal keine eindeutigen Quellen oder Hinweise dafür. Der Kronberger Lokalhistoriker Helmut Bode schreibt dazu in seiner Biografie „Hartmut XII. von Cronberg – Reichsritter der Reformationszeit“: „Am 16. April fuhr Luther in seiner Mönchstracht in einem offenen Wagen in Worms ein.(…). Ob sich in der staatlichen Reiterschar, die den Wagen bis zum Stadttor geleitete, auch Hartmut befand, ist ungewiss, aber sehr wahrscheinlich.“ Hier ist zu fragen, warum Hartmut später nie selbst darüber berichtete. Weiter heißt es bei Bode: „Wir wollen hier nicht den ganzen Ablauf des Reichstags schildern, uns vielmehr auf das beschränken, was mit Hartmut im Zusammenhang steht, wem er dort begegnete, mit wem er sprach. Mit Luther hat er sich mehrfach besprechen können.(…). Der Eindruck, den er aus den Schriften des Wittenberger Professors gewonnen hatte, wurde nun vertieft durch Luthers Persönlichkeit.“ Des Weiteren spekuliert Bode: „Ob Hartmut dem Kaiser damals eine Schutzschrift für Luther überreichte oder überreichen ließ, muss offen bleiben.“ Wie gesagt, das sind durchweg Spekulationen, die sicherlich ihren Sinn haben, aber letztlich unbewiesen sind. Diesbezügliche Anfragen bei Dr. Gerold Bönnen, der dem Wormser Stadtarchiv vorsteht sowie Dr. Olaf Mückain, dem wissenschaftlichen Leiter des Museums der Stadt Worms und Kurator der diesjährigen rheinland-pfälzischen Landesausstellung* in Worms zum 500. Jahrestags des weltberühmten Reichstags, ergaben wie in Frankfurt negative Antworten. Auch dem international renommierten Experten für die Frühgeschichte der Reformation und Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, Prof. Thomas Kaufmann, sind keine Archivalien geläufig, die ein Zusammenkommen von Hartmut mit Luther in Worms 1521 belegen. Bemerkenswert ist, dass Luther in einem Brief, den er am 12. Mai 1521 auf Latein von der Wartburg an Melanchthon geschrieben hatte und der heute in Jena in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek archiviert ist, festhält, dass Hartmut von Kronberg seine jährliche kaiserliche Pension von 200 Gulden aufgekündigt habe, „weil er nicht mehr länger dem Kaiser dienen wolle, der auf die Gottlosen hört“. Diese Zuwendung erhielt der Kronberger seit 1519 von Kaiser Karl V. für Dienste zur Sicherung seiner Wahl zum König in Frankfurt. Dieses Schriftstück zeigt, dass Hartmut XII. dem Reformator durchaus im Jahr 1521 präsent gewesen sein muss.

*Die Landesaustellung in Worms „Hier stehe ich. Gewissen und Protest 1521 – 2021“ kann vom 3. Juli bis 30. Dezember 2021 besucht werden.

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