Die Schlafzimmer-Idylle trügt, gleich wird hier scharf geschossen. Carola Nierendorf (mit Kalaschnikow) und Enrico Freudenberg von den „hannemanns“.
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Kronberg (aks) – „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen - man weiß nie was man kriegt,“ so fabulierte einst Forrest Gump in dem weltberühmten Film von 1994. Auch die Bonboniere des Amateurtheatervereins „die hannemanns“, die entschlossen Wind, Wolken und Corona im Victoriapark trotzten, enthielt allerlei komödiantische Leckerbissen, amüsante Sketche und köstliche Bonmots. Das zahlreich erschienene Publikum erwartete auf der Freispielbühne im Park, die dort seit zehn Jahren steht, voller Vorfreude das quirlige Ringelreihen zum Thema Männer und Frauen.
Die Schauspieltruppe aus Kronberg, die seit 50 Jahren nicht nur Kronberger bestens unterhält, hatte mit Robert Miers den jüngsten „Mitspieler“ zur „Ouvertüre“ auf die Bühne geholt. Der klimperte fröhlich ohne Noten und erstaunlich virtuos für seine jungen Jahre auf dem Keyboard, nicht nur Ohrwürmer wie „All of me“ von „Legend“ und „Bella ciao“, sondern auch zum Finale eine eigene Komposition und sorgte damit für eine zu Herzen gehende Einstimmung. Der kleine Robert genoss sichtlich den Applaus.
Die sehr jungen Damen Maria Freudenberg und Marie Weissbecker verhalfen dem Stück von Kurt Tucholsky „Colloquium in utero“ von 1932 zu unschuldiger Kindlichkeit und natürlich naiver Zuversicht. Der Dialog der Zwillinge im Mutterleib, den sie „nur für neun Monate gemietet haben“, stimmte nachdenklich. Während der eine ewige „Dottersack“ lieber drinnen bleibt, denn „es sind bewegte Zeiten“ und die Welt ist voller Warnungen („Ich bleibe hier – was soll man noch draußen“?), ist der andere für das Abenteuer außerhalb der Mama-Geborgenheit: „Ich gehe raus“ – schließlich stehe man unter dem „Schutz der Staatsanwaltschaft und der Kirche“ und ernsthafte Sorgen um die Welt müsse man sich nicht machen. (Und die Mutter wundert sich über das Gestrampel in ihrem Bauch.) Ja, „es sind bewegte Zeiten“, befand auch Moderatorin Daniela Freudenberg, die wortgewandt und schlagfertig durchs Programm führte. Corona sei für alle eine große Herausforderung, doch solange es irgendwie ginge, würden „die hannemanns“ weiter proben und mit viel Spielfreude auftreten: „Ein Jahr ohne Lampenfieber geht gar nicht!“. Man arbeite bereits am Programm für das Frühjahr 2021. Die engagierte Sprecherin wünschte sich persönlich trotz aller Differenzen zwischen Männern und Frauen ein harmonisches und vor allem treues Miteinander…So eingestimmt, ging’s sogleich weiter mit Führerscheinprüfungen und Vorstellungsgesprächen, Bundestagsreden und einer höchst komplexen Familienaufstellung, die zur Militärdienstbefreiung dienen sollte. Als feministisch kämpferisch und urkomisch entpuppte sich das „Vorstellungsgespräch“, in dem Annette Sterzel dem neuen Chef mal so richtig die Meinung sagt, und ohne Rücksicht auf Verluste ordentlich vom Leder zieht. Zufrieden und ohne Job kehrt sie dem Büro den Rücken. Da sie im Lotto gewonnen hat, so stellt sich heraus, kann sie „jetzt endlich mal die Meinung sagen“: „Die Wahrheit sagen kostet viel, aber ich kann es mir endlich leisten.“ Allen Schauspielern gebührt ausgiebiges Lob, denn sie zogen die Zuschauer in ihren Bann und bescherten ihnen, wie versprochen, „unbeschwerte Stunden“, auch mit wenig Requisiten und zurückhaltenden Kostümen und ganz ohne akustische und visuelle Knall-Effekte, mit und ohne Mundschutz.
Hier auf der Freilichtbühne zählten allein Komik und eine Sprache, die nicht nur karikiert, sondern auch berührt. Ob auf Hessisch oder Sächsisch, geflüstert, gejammert oder geplärrt, die 16 Schauspieler in wechselnden Rollen brachten alle auf vergnügliche Gedanken. Keine einfache Aufgabe, das wusste schon Molière. Nach der Pause ging es turbulent weiter. Da trog die Schlafzimmer-Idylle auf der Bühne mit zwei flauschigen Betten für Carola Nierendorf und Enrico Freudenberg, in der Mitte ein Telefon. Bei Anruf passierte allerdings kein Mord, doch es entspann sich ein Eifersuchtsdrama à la Loriot. Derb karikierte Szenen einer Ehe um die Frage: Wer rief mitten in der Nacht an? Für die Ehefrau steht fest, das war die Geliebte, und so löchert sie ihren Gatten, bis der ermattet in sein Lager sinkt. Als er seine Frau im Tiefschlaf wähnt und er sportlich gekleidet zu seinem Stelldichein aufbricht, greift sie zum Sturmgewehr. Eine Warnung an alle Männer also, auch Frauen schießen scharf! Das gilt sicher auch für Handyanrufe!
Dass angeblich jede dritte Frau fremdgeht, mag die Männer betrüben, da tut es nur jeder Vierte, aber so insgesamt scheinen sich die Geschlechter nichts zu schenken…Da passte das kleine Dramulett „Lottchen beichtet“ mit Karin Krantz, „Grande dame“ „der hannemanns“, die ihre Rolle als naive Verführerin und Verführte mit unschuldigem Augenaufschlag und blonden Locken überzeugend spielte. „Glaubst du das von mir, was ich von dir glaube?“, so sprach die femme fatale voller Unschuld: „Eine Frau ist viel alleiner als jeder Mann!“. Sie kann auch Diva sein, in dem Sketch „Ehemänner“, wo sie die biedere Ehefrau von der Unschuld des Gatten überzeugt und sie nach Hause schickt, während er schon vor der Tür auf das Rendez-vous wartet. Alle Klischees wurden bei „Mai Ling“ bedient: Wolfgang Thöns à la Gerd Polt freut sich an seiner „Asiatin“ Mai Ling, die er „preiswert“ für 5.000 Euro im Katalog erworben hat. Eine sehr sachliche Romanze, die Vorzüge sind schnell heruntergeleiert: „Sie schmutzt nicht, wie der Asiate an sich nicht schmutzt“, außerdem sei sie sehr anschmiegsam, sehr leicht, leider zu groß fürs Kinderbett – aber eine runde Sache, rundherum.“ Man müsste weinen, wenn es nicht so komisch wäre… Wahrhaftig eine runde Sache rundherum auf der eckigen Freibühne im Victoriapark, Kleintheater präsentiert von leidenschaftlichen Laienschauspielern zur allgemeinen Erheiterung! Mit enormem Einsatz und großer Spielfreude aller Beteiligten besiegten „die hannemanns“ unter erschwerten Bedingungen alle Planungsunsicherheiten sowie den Wettergott – und dies alles bei freiem Eintritt.
Der Hut machte später beim Ausgang die Runde, jede Spende war freiwillig. Eine Wiederholung gibt es Sonntag, 13. September um 16 Uhr! Danach hoffen alle auf das Frühjahr 2021 mit dem Einakter „Schreiadler“, der sicher „schreiend“ gute Unterhaltung garantiert.