Mathias Tretter so souverän wie sein aktuelles Bühnenprogramm

Der Kabarettist Mathias Tretter überzeugte mit anspruchsvollem Programm und geistreicher Analytik. Foto: privat

Kronberg (hmz) – Politische Satire gibt es noch. Aber Kabarettisten haben eine deutlich spürbare Konkurrenz von Politikerinnen und Politikern selbst bekommen, die zuweilen in den öffentlichen Bereichen für die lebenswirkliche Realsatire sorgen. Keine neue Erkenntnis, aber ein weitverzweigtes und grenzenloses Phänomen mit zunehmender Präsenz. Der Kabarettist Mathias Tretter nennt sein neues Bühnenprogramm „Souverän“ und spielt damit sowohl auf die Souveränität des Staates nach innen und außen an als auch auf das Prinzip der Volkssouveränität. Wie souverän er selbst seinen Weg zwischen Comedy und politischer Satire ausbalanciert hat, mag jeder selbst beurteilen. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“

Mit dem Zitat von Carl Schmitt, Jurist und deutscher Philosoph in der NS-Zeit, setzte Tretter einen Maßstab: „Er war auch so ein Großmaul, sonst wäre er nicht Görings Eierlikör geworden. Deutschlands ärgster Advokat schrieb den berühmten Satz 1928, seitdem kauen wir drauf rum. Kaum hundert Jahre später ist an jeder Ecke Ausnahmezustand – aber wer ist Souverän?“ Der Demokratie scheine die Herrschaft allmählich abhandenzukommen, „weshalb sie aber noch lange nicht die Selbstbeherrschung verlieren sollte“, meint Tretter. Satire darf alles – nur nicht langweilen und der Kabarettist bot ein hochrespektables politisches Kabarett, gesellschaftskritisch, wobei er weitgehend auf Gesinnungsmoralismus verzichtete und nur ein wenig polarisierte.

Er blieb dabei stets auf dem „doppelten Boden“ der Souveränität, erst recht mit Ansgar, seinem Alter Ego, einem Gelehrten, der eine Kunstgalerie eröffnet hat, mit einer chinesischen Pianistin verheiratet ist, eine bürgerliche Existenz aufgebaut hat und auf dem Weg ins All ist. Ganz souverän und überzeugt, dass gegen den Endzeit-Blues nur der „Stammtisch hilft“. Ansgar, der aus Leidenschaft bekiffte Freund, der mit seinen 51 Jahren frisch von der Uni kommt und meint: „Bekifft sein ist ein Ausnahmezustand und ich habe mich für ihn entschieden.“ Der Aufguss in der Sauna mit altem Knoblauchschnaps ist völlig in Ordnung und dass es für die „männliche Version von Taylor Swift“ sogar noch zu seiner persönlichen Weltraummission reichen sollte, kommt hingegen überraschend – schließlich ist Ansgar davon überzeugt, niemals in den Himmel zu kommen.

Seine Flucht ins All endet abrupt, Sciene-Fiction bleibt eben spannend. Was die Astrologie schon immer wusste – die Zukunft liegt in den Sternen.

Die schnelllebige Zeit ist ein zentrales Thema von Tretter. „Können wir uns sicher sein, ob Markus Söder zwischenzeitlich nicht etwa seine eigene Partei PMS (Partei Markus Söder) gegründet hat?“ Robert Habeck als Wirtschaftsminister und eigentlich ein Philosoph ist Zielscheibe, genau wie Friedrich Merz. Tretter lässt sich über Steuerflüchtlinge und Steueroasen aus, zum Beispiel über ein Geschäftshaus auf den Cayman Islands, „das 1.200 Unternehmen beherbergt und in dem sich 19 Angestellte einen Briefkasten teilen – willkommen im Steuerparadies der Gegenwart“. Auch die US-Präsidentschaftswahlen sind ein willkommenes Thema, schließlich die Multi-Milliardäre Elon Musk und Jeff Bezos, die Ansgar zum Kaffeekränzchen in die ultimative Freihandelszone auf den Mars beamt.

Tretter steht mit seinem Programm mit beiden Beinen tief im Sumpf weltweiter Krisen und er gibt sich dabei ganz souverän. Er beschäftigt sich mit der Macht sozialer Netzwerke und dem Siegeszug des Populismus in Politik und Gesellschaft. Der Kabarettist brilliert mit scharfsinniger, politisch-philosophischer Sprachanalytik und greift dabei hin und wieder zur allgemeinen Erheiterung auch in die Comedy-Kiste. Es bleibt bei geistreichen Wortspielen und er hält das anspruchsvolle Niveau über kurzweilige zwei Stunden – ganz souverän.



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