Kronberg (as) – Das Konzept des Kammermusikfestes der Kronberg Academy verfängt immer wieder aufs Neue. „Chamber Music Connects The World“ heißt es seit dem Eröffnungskonzert am vergangenen Samstag wieder acht Tage lang im noch immer neuen und beeindruckenden Casals Forum am Victoriapark in Kronberg. Das Konzept besteht darin, dass junge Musikerinnen und Musiker, die Juniors, gemeinsam mit ihren Lehrmeistern an der bedeutenden Akademie für Streichinstrumente, den Seniors, gemeinsam in musikalische Welten eintauchen. Das Lehren, Lernen und Auftreten geschieht unter einem Dach und verbindet insbesondere an den Tagen des Kammermusikfestes die Musizierenden mit allen, die dieser Musik in öffentlichen Proben oder in einem der acht Konzerte lauschen wollen. Das Format ist auch eine Liebeserklärung an das, was die klassische Musik wirklich ausmacht. Die Begriffe „Familie“ und „Liebe“ verbinden viele der rund 50 jungen Mitwirkenden – wie eine Befragung im Programmheft verrät – mit der Musik in den kleinen, intimen Gruppen, in denen Großes entstehen kann.
Liebeserklärung war – auf gewisse Weise passend zum Muttertag – auch der Titel des Konzerts am vergangenen Sonntagabend. Der Hauptteil des Konzerts, das ausgedehnte Adagio der unvollendeten 10. Sinfonie von Gustav Mahler (1860–1911), ist ebenfalls eine Liebeserklärung gewesen, allerdings die eines unglücklichen Mannes an seine 20 Jahre jüngere Frau Alma, eine femme fatale des frühen 20. Jahrhunderts, die sich gerade mit dem berühmten Architekten Walter Gropius eingelassen hatte (den sie später heiraten sollte) – und deren Zuneigung und Nähe sich Mahler so sehr wünschte. Arrangiert für 16 bis 21 Streicher kamen bei der Aufführung im ausverkauften Großen Saal des Casals Forums 21 junge Musikerinnen und Musiker plus Senior Gidon Kremer an der Violine auf die Bühne– eine beträchtliche Zahl für eine Kammermusik und die mit Abstand größte Gruppe während des gesamten Festivals.
Was die jungen Frauen und Männer ihren Instrumenten (neun Violinen, fünf Violas bzw. Bratschen, fünf Violoncelli und zwei Kontrabässe) an Klangvielfalt und -tiefe entlockten, das war schon Meisterklasse. Der Zuhörerende konnte den zerrissenen, ja schon schwerkranken Gustav Mahler in dissonanten Klängen entdecken, dann aber auch wieder den liebevollen und hingebungsvollen Maler – Schmerz und Schönheit wurden bei dem langsamen Adagio durch die Juniors und Kremer in jeden einzelnen Ton gelegt – ein großer Pausenapplaus war ihnen damit sicher.
Gidon Kremer, der das Konzept der Juniors und Seniors vor 24 Jahren selbst entwickelt hatte, war zum Auftakt des Konzerts auch schon in einem Streichquintett bei Anton Bruckners feinem Intermezzo d-Moll zu hören gewesen.
Einer Liebeserklärung glich auch der feurige letzte Teil des Konzerts – die Liebe des Hanseaten Johannes Brahms (1833–1987) für die ungarische Volksmusik, die dieser nach seinem Umzug nach Wien entdeckt hatte. Temperamentvoll und mit vollem Körpereinsatz ging das Klavierquartett mit Leanne McGowan (Violine), Eike Coetzee (Viola), Itai Navon (Piano) und Senior Miklós Perényi (Violoncello) bei der Sache bei Brahms‘ Nr. 1 g-Moll op. 25 aus dem Jahre 1861 ans Werk. Gar furios und feurig geriet der vierte und letzte Satz, ein Rondo alla Zingarese, der seine Anklänge an die Musik der Sinti und Roma nicht verfehlte. Ein fulminantes Finale, nach dem das begeisterte Publikum das Quartett gleich dreimal mit donnerndem Applaus auf die Bühne zurückholte – es war die vollendete Liebeserklärung des Publikums an die Kunstschaffenden oder auch die äußerst geglückte Verbindung, die Kammermusik herzustellen versteht.
Weitere Konzerte bis Sonntag
Das Festival „Chamber Music Connects The World“ geht noch bis zum Sonntag, 19. Mai. Für die Konzerte am Donnerstag, Freitag und Sonntag gibt es noch reguläre Tickets, für Samstag können sich Interessierte auf die Warteliste setzen lassen. Darüber hinaus sind auch die Proben vormittags und nachmittags öffentlich. Weitere Informationen unter www.kronbergacademy.de