Kronberg (war) – Voller Erfolg für Inge Freise, Christiane Schmidt, Andrea Stemmler und Carmen Töpfer. Das ehrenamtlich aktive Damenquartett des Arbeitskreises Museum im Burgvereins lud anlässlich des 124. Todestages von Victoria Kaiserin Friedrich zu einer Gedenklesung in den Wappensaal der Burg ein. Vorgelesen wurde aus dem Buch „Briefe der Kaiserin Friedrich“, welche Sir Frederick Ponsonby Ende der 1920-er Jahre veröffentlichte.
Knapp 80 Interessenten waren der Einladung am Sonntagabend nachgekommen, um gespannt den kurzweiligen und spannenden Ausführungen der vier Vorleserinnen zu folgen. Unterstützt wurden sie dabei durch das einfühlsame Klavierspiel der Pianistin Evgenia Povolotskaya, Studentin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, mit Werken von Chopin und Johann Sebastian Bach, denn diese Komponisten hörte auch die musikaffine Kaiserin gerne.
Bekanntlich verbrachte die Gattin des „99 Tage-Kaisers“ Friedrich III. ihre Witwenjahre in Kronberg auf Schloss Friedrichshof, dem heutigen Schlosshotel, von 1894 bis zu ihrem Tod am 5. August 1901. Kurz zuvor kam Ende Februar 1901 nochmals ihr Lieblingsbruder Edward – im Juni 1902 zum englischen König Edward VII. gekrönt – in Begleitung seines Privatsekretärs Frederick Ponsonby zu Besuch. Letzterem übergab die Witwe einen Großteil ihrer intensiven Privatkorrespondenz, die sie zeitlebens mit ihrer im Januar 1901 verstorbenen Mutter, Queen Victoria, geführt hatte. So sollte verhindert werden, dass die teils mit recht intimem Inhalt versehenen Schriftstücke nach ihrem Tod in die Hände ihres ältesten Sohnes Wilhelm, seit 1888 Kaiser Wilhelm II., fielen. Ponsonby gelang es die Briefe unbemerkt nach London mitzunehmen, um sie dann fast 30 Jahre später zu veröffentlichen. Als Grund für diesen Schritt gab er an, damit gegen das vielfach in seinen Augen zu Unrecht negative Bild angehen zu wollen, welches sich mittlerweile bezüglich der Kaiserwitwe in der Öffentlichkeit gebildet hatte.
Die Briefauszüge, welche die vier Damen zum Vorlesen aus dem Briefkonvolut ausgewählt hatten, zeigten eindrücklich das durchweg spannungsgeladene Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, das Shakespeare in seiner Dramatik nicht hätte besser darstellen können. Im Grunde genommen spiegelte sich der Konflikt zwischen der damals unangefochtenen britischen Weltmacht und dem aufstrebenden Zweiten Deutschen Kaiserreich als neidischer Emporkömmling und Konkurrent auf der großen Weltbühne zwischen Kaiserin Friedrich, die in vielen Ansichten doch eher „die überlegene Engländerin“ geblieben war, und Sohn Wilhelm, der nicht zuletzt allzu oft aus Trotz gegenüber seiner Mutter eine antibritische Haltung einnahm, im kleinen innerfamiliären Kreis wider. Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich, stand als Vater etwas hilflos bis überfordert dazwischen. Kaiserin Friedrich war diese unheilvolle britisch-deutsche Rivalität, gerade auch für die Zeit nach ihrem Tod, sehr bewusst. So schreibt sie in einem Brief an ihre Mutter, dass Wilhelm ihr eine „unerschöpfliche Sorge“ sei. In einem anderen Schriftstück wünscht sie sich, wenn sie ihrem Sohn „doch nur ein Schloss vor den Mund zu setzen vermöge“.
Doch wusste sie nur zu genau, dass sie so gut wie keinen Einfluss auf Wilhelm ausüben konnte. Letztendlich veranlassten sie diese permanenten Auseinandersetzungen mit ihrem ältesten Sohn dazu, Berlin nach dem Tod ihres geliebten Mannes zu verlassen, um ihren Witwensitz weit entfernt in Kronberg zu nehmen. Für den Ruf Kronbergs war es damals sicherlich ein glücklicher Umstand, eine so prominente Neubürgerin aus dem gerade amtierenden Kaiserhaus aufnehmen zu dürfen, für die Kaiserwitwe hingegen anfangs eher ein trauriger Grund. Doch bald schon fühlte sich die „Hohe Dame“ in der Burgstadt sehr wohl und die Beziehung zwischen den beiden entspannte sich zwar daraufhin merklich, aber ein gewisses gegenseitiges Misstrauen blieb bis zum Schluss bestehen, wie die Übergabe der Briefe von Kaiserin Friedrich an Ponsonby im Frühjahr 1901 deutlich zeigt.