„Die Rasselböck“ entführen ihre Besucher vom Obsthof bis nach Mallorca

Was diese Urlaubsgäste am Strand von Mallorca zu sagen haben, das hörten die Besucher der Theatergruppe „Die Rasselböck“, ob sie wollten oder nicht. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Nach gelungener Premiere im vergangenen Jahr war der Verein für Dialektik- und Brauchtumspflege „Die Rasselböck“ zum zweiten Mal im Obsthof Krieger zu Gast. Die Nachfrage auf die Karten war so groß, dass sogleich zwei Termine vorgesehen wurden, um die insgesamt 200 Besucher fassen zu können. Nach einem halben Jahr wöchentlicher Proben, am Ende sogar zweiwöchentlicher, war der große Tag für die Laienschauspieler endlich gekommen und das Lampenfieber – selbst bei den erfahreneren Mitspielern der Oberhöchstädter Theatergruppe – dementsprechend groß.

Improvisation ist alles

Doch zunächst wurden die Requisiten in die Schankwirtschaft getragen, die ersten Freunde empfangen und schon kam er, der große Moment, auch wenn auf der improvisierten Bühne in der Kelterhalle des Obsthofs Krieger der Vorhang nur sprichwörtlich aufging. Bis zum Sonntagmorgen habe man sich mit der Entscheidung Zeit gelassen, wo denn nun gespielt werde, erklärte der Vorsitzende der Rasselböck, Michael Endres, der die Gäste in geschliffenem Hessisch begrüßte und durch das Abendprogramm führen sollte. Doch das unkalkulierbare Schauerwetter machte den Auftritt auf der Terrasse vor idyllischer Apfelbaumkulisse unmöglich. So musste binnen kürzester Zeit improvisiert werden – vor der Kelterhalle wurde noch ein zusätzliches Zelt aufgebaut – und es musste zusammengerückt werden. Die Besucher nahmen es gelassen, ließen sich bereits vor Beginn der Aufführung Steak und Schoppen schmecken und kamen der Aufforderung von Michael Endres gerne nach, dem unbekannten Tischnachbarn rechts und links munter zuzuprosten.

Sorgen um Mutter Natur

Einen kleinen Moment mussten sich die erwartungsfrohen Besucher noch gedulden: Didi Krieger verriet zunächst, was in dem fruchtig-süßen Willkommenscocktail zusammengemixt war: „Apfelwein, Wodka und Limettensaft. Er informierte über die eigenen Produkte wie Erdbeerwein, Honigwein, auch sortenreiner Apfelwein und erinnerte daran, dass trotz Schauerwetter am Wochenende das große Problem der Obstbauern die anhaltende Trockenheit ist. „Es fehlen uns 350 Liter Wasser pro Quadratmeter.“ Längst ständen die Bäume mit ihren Wurzeln trocken, versuchten durch die Feuchtigkeit in der Luft das fehlende Wasser zu kompensieren und werfen die Blätter ab, um die Frucht noch zu retten. Im Winter hatte die dicke Schneeschicht gefehlt, die langsam Wasser in die Erdschichten absickern lässt, genauso wie der Bodenfrost, der den Bäumen Winterruhe gestatte und dafür sorge, dass sie, nicht zu früh für mögliche Frostnächte, wieder austreiben.

„Wir fahrn emal fort“ oder nicht?

Diese Sorgen um die Mutter Natur waren schnell weggewischt, als es mit den Rasselböck nun los ging. Unter dem Motto „Wir fahrn emal fort“ fanden sich die Theaterbesucher in einem Reisebüro wieder. Die Geschichten, die sie hier erleben sollten, strapazierten deren Lachmuskeln von der ersten Minute an. Martina Hölzle-Endres war es einmal mehr gelungen, die kurzen Sketche mit den unterschiedlichen Reisebürokunden und den zwei Reiseverkehrskauffrauen (eine von ihnen war sie selbst) auf den Leib zu schneidern. Das erste Pärchen wollte eigentlich zur Goldenen Hochzeit eine Flugreise buchen. Doch die Begrifflichkeiten, mit denen sie die Reisebürodame konfrontierte, sollten die älteren Leute gänzlich überfordern. Sie hatten keine Chance, die vielen Anglizismen zu verstehen. Da war von „baggage“ die Rede, aber die wollten doch alleine reisen, nicht mit ihrer ganzen „Bagasche“. Und kann man denn auch ab Kronberg fliegen, fragten sie die nette Dame, die mit der Zeit etwas nervös wurde. Denn, egal ob vom Check-In, von No Smoking oder Airbus die Rede war, es gab ein Missverständnis nach dem anderen. Stand By? „Gute Frau, wir wollen doch keinen Stehplatz!“ Am Ende war dem Jubelpaar klar: die Flugreise wird auf die Diamantene Hochzeit verschoben und bis dahin wollen sie einen vhs-Englischkurs besuchen. Der Morgen sollte für die Reiseverkehrskauffrau allerdings noch viel komplizierter werden. Aufgebracht erschien eine langjährige gute Kundin, „Frau von der Linden“, im Reisebüro. In bestem Westfälisch – allein das schon reizte zum Lachen, wenn man es denn nach ihrer „Übersetzung“ verstand – machte sie ihrem Ärger Luft. Warum sie jedoch mit dem Rechtsanwalt drohte, wurde der auf ganzer Linie geforderten Reisebürodame erst am Ende klar: Was war nur falsch an der Kulturreise in den Libanon nach Beirut? – Dass die Wagner-Festspiele in Bayreuth und nicht in Beirut stattfanden!

Kaum hatte diese gut betuchte Dame das Reisebüro wieder verlassen, tauchte dort ein Sachse auf. Doch nach einem heimlichen Schluck aus dem Schnapsfläschchen umschiffte die geschickte Kauffrau an diesem Morgen zumindest bei ihm jede Klippe – allerdings ohne etwas zu verkaufen. Er war für keine Urlaubsform zu gewinnen: Die Feinschmeckerreise nach Frankreich schreckte ihn genauso ab, „um Himmels willen, Froschschenkel und Schnecken, auf keinen Fall“, wie der Aktivurlaub, „viel zu anstrengend“ oder die viel zu gefährliche Flugreise: „Die flieschen und klatschen dann runter!“ „Kuldur?“, die haben wir in Frankfurt direkt vor der Haustür genau wie den Langener Waldsee, der wenigstens nicht so salzig wie das Meer ist.“ Was blieb da übrig? Die versierte Reiseverkehrskauffrau hatte die Faxen dicke: „Wissen Sie was, dann bleiben sie halt in ihrem Garten, lassen sich von ihrer Freundin Handkäs‘ in den Mund stopfen und gehen sie einmal die Woche ins Kaiser-Wilhelm Bad nach Bad Homburg.“ Ohne es zu wissen, hatte sie ihm die Lösung präsentiert. „Das ist wirklich eine super Idee“, war seine Antwort. Schneller als sie ihren Mund schließen konnte, stand er auf, ließ ein paar Groschen für die Kaffeetasse auf dem Tisch liegen und hatte bester Laune das Reisebüro wieder verlassen. Reisekauffrau Nummer zwei, die als Ablösung kam, schien da durchaus verkaufstüchtiger: Zumindest war sie kurz davor, einem Pärchen, das ein günstiges Angebot für ein Wochenende zu zweit suchte, für rund 16.000 Euro einen Mix aus allen angebotenen Sondertarifen zu verkaufen: „Sie können dann mit 60 Erwachsenen und 180 Kindern in einem Sonderzug mit Schlafwagen und Kinderbetreuung eine Woche quer durch Deutschland fahren.“

Das Angebot – die Möglichkeit der kleinen Pension in der Eifel – hörten die beiden am Ende nicht mehr. Sie hatte ihn am Hemdsärmel aus dem Verkaufsraum gezerrt, um dem „Schnäppchen“ zu entkommen. Damit war der kurzweilige Theaterabend Mundart jedoch noch lange nicht zu Ende.

Strandgeflüster auf Mallorca

Mit dem Stück „Strandgeflüster“ ging es schließlich doch noch auf eine Flugreise bis nach Mallorca, wo drei unternehmungslustige Damen und zwei Pärchen, wie Sardinen am Strand liegend, ungewollt die Gespräche der anderen mithörten. Die Streitigkeiten, die die Ehepartner miteinander hatten, dürfte die drei Damen motiviert haben, ihre nächste Reise geradewegs wieder alleine zu buchen. Ohne Partner, der die Erholung ohnehin nur durch völlig konträre Interessen bei der Freizeitgestaltung oder mit Eifersuchtsdiskussionen von Episoden aus vergangenen 20 Jahren schmälert. Alleingelassen wurden auch die Daheimgebliebenen nicht. Martina Hölzle-Endres hatte für die Daheimgebliebenen ein Stück selbst geschrieben, dass im „Nasser Hof“ spielte, in Reminiszenz an die Kultstätte der Rasselböck, den inzwischen abgerissenen Nassauer Hof in Oberhöchstadt und den Erfahrungen der Theatgergruppe mit einer, vorsichtig ausgedrückt, etwas „ungehobelten“ Bedienung. Zwar konnten die Ziegen an diesem nassen Sommerabend während des Stückes nicht „mitmeckern“, es krachten keine Äpfel von den Bäumen auf die Tische und es konnte keine rosige Abendstimmung am Taunushang genossen werden, aber das tat der Stimmung in Kelterhalle und Zelt bei Worscht und Wein keinen Abbruch: Es wurde viel gelacht und auch geschunkelt an diesem lustigen Abend bei den Rasselböck, die flotten Stimmungslieder von Matthias Waldschmidt (Keyboard) und Wolfgang Hüttel (Gitarre) machten es möglich.

Es spielten in 15 eigens konzipierten Rollen: Hildegard Jäger, Otto Sehr, Ursula Seel, Carola Ruegg, Petra und Klaus Flössel, Dirk Markgraf, Gabi Holler, Irmgard Bettenbühl und Martina Hölzle-Endres. Für die Technik zuständig war Steffi Naumann.

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