Geschichten rund um den Turm
Aktuell
Letzte Woche war es so weit. King Charles III. machte mit Frau Camilla für drei Tage Deutschland die Aufwartung. Kronberg stand jedoch dieses Mal nicht auf dem Besuchsprogramm. Das war früher anders. Los ging es mit Victoria Kaiserin Friedrich. Diese hielt als älteste Tochter von Queen Victoria zeitlebens engen Kontakt zu ihrer Mutter. Kaum ein Tag verging, an dem nicht ein Brief von ihr aus Berlin nach London ging. Diese intensive Verbindung hielt auch an, nachdem sie als Kaiserwitwe 1894 endgültig in ihr Schloss Friedrichshof nach Kronberg gezogen war. Bereits ein Jahr später kam die Queen im Frühjahr 1895 auf dem Rückweg von der Französischen Riviera per Zug für einige Stunden in die Burgstadt. Zu neugierig war wohl die Frau Mama auf das neue Heim ihrer Tochter. Die Taunus-Zeitung hielt damals fest: „Cronberg, 26. April. Die Königin von England traf mit einem aus 6 Wagen bestehenden Sonderzuge um 12 Uhr 10 Min. auf hiesigem Bahnhofe ein. Nachdem die Kaiserin Friedrich die Mutter im Salonwagen begrüßt hatte, verließ letztere unter Beihilfe eines indischen Dieners, der in seiner Nationaltracht die Königin auf ihren Reisen begleitet, den Wagen und schritt dem bereitstehenden Hofwagen zu, in welchem die hohe Frau, die Kaiserin Friedrich und Prinz Friedrich Karl von Hessen Platz nahmen. Die Auffahrt zum Schlosse Friedrichshof erfolgte über Cronberg in drei Hof-Equipagen und mehreren Privatfuhrwerken. Auf der Fahrt durch die reich beflaggte Stadt wurden die hohen Herrschaften von dem zahlreich erschienenen Publikum und der aufgestellten Schuljugend ehrfurchtsvoll begrüßt. Auf Schloß Friedrichshof besichtigte die Königin sofort in dem mitgebrachten Mylord [das war einen kleine, von einem Esel gezogene Kutsche – Anm. d Verf.] die Parkanlagen.
Die Queen notierte in ihrem Tagebuch über den Besuch in Schloss Friedrichshof.: „Ein schöner Vormittag früh. Nach kurzer Fahrt kamen wir zur Pförtnerloge und dann zum großen, prächtigen Schloss Friedrichshof, das man unmöglich beschreiben kann. Man fährt unterhalb eines Portikus und betritt einen sehr geräumigen, hohen Saal. Eine Marmortreppe führt nach oben zu einem schönen geräumigen Gang, auf beiden Seiten die Wohnzimmer, reizend und bequem, voll von schönen Sachen und Bildern. Bevor ich ins Haus ging, drehte ich eine Runde in meiner kleinen Eselkutsche durch den wundervoll neu angelegten Garten. Ich pflanzte einen Baum und besuchte die Stallungen. (…). Wir aßen alle zusammen zu Mittag im herrlichen Esszimmer, in welchem sich eine Kopie der Tribüne des königlichen Kabinetts der Sankt George’s Chapel in Windsor befindet. (…). Das Esszimmer sowie zwei prächtige Gesellschaftszimmer und eine Bibliothek befinden sich im Erdgeschoss, letztere mit Blick auf die Terrasse..(...). Fuhren um 4 Uhr nach Homburg ab, wo die Leute sehr freundlich waren und sich freuten, mich zu sehen. Nahm dort Abschied von der lieben Vicky am Bahnhof.“ Wie der Tagebucheintrag zeigt, sah es Kaiserin Friedrich sehr gerne, wenn ihre hohen Gäste als Geschenk einen Baum für ihren Schlosspark mitbrachten. So pflanzte 1896 das russische Zarenpaar, Nikolaus II. und seine Frau Alix von Hessen -Darmstadt, bei ihrem Besuch in Friedrichs-hof eine Libanon- und Atlaszeder, die sich heute zu prächtig-mächtigen Bäumen entwickelt haben. So hielt es aktuell auch Charles III. in Berlin. Er pflanzte im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Park von dessen Amtssitz Schloss Bellevue eine Manna-Esche, um damit an das Lebenswerk seiner Mutter, Elisabeth II, zu erinnern. Im März 1901 kam dann König Edward VII. als nächster britischer Monarch in die Burgstadt. Der Grund war leider ein trauriger: Der König wollte nochmals seine Schwester sehen, denn dieser ging es damals aufgrund eines Krebsleidens bereits sehr schlecht und sie war auf den Rollstuhl angewiesen. Fünf Monate später verstarb die Kaiserwitwe dann nach langer Leidenszeit am 5. August. Erneut sah Kronberg King Edward im Jahr 1907 auf Schloss Friedrichshof. Jetzt tauschte er sich mit seinem Neffen Kaiser Wilhelm II. auf politischer Ebene aus. Ein wichtiges Thema war dabei die kaiserliche Flotte, durch die sich die Briten zunehmend bedroht sahen. Die Ankunft des britischen Königs am Kronberger Bahnhof hat der Kronberger Apotheker und Filmpionier Julius Neubronner für die Nachwelt per Film, der im Internet abrufbar ist, festgehalten. Anlässlich des 100. Todestages von Kaiserin Friedrich vertrat schließlich im August 2001 Prinzessin Anne, Queen Elisabeths einzige Tochter, offiziell als Princess Royal das britische Königshaus bei einer vom Haus Hessen veranstalteten Historikertagung auf Burg Kronberg.
Vor zwei Jahren ging es dann nochmals „very British“ auf Schloss Friedrichshof zu, als hier eine Reihe von Filmsequenzen des Films „Spencer“ gedreht wurden. Der Streifen greift die problematische Beziehung von Prince Charles, dem jetzigen King Charles III., mit seiner Ex-Frau Diana auf. Für die echte Lady Di stand die bekannte US-Schauspielerin Kirsten Stewart vor der Kamera. Ansonsten können alle anglophilen Kronberger ihre Sehnsucht nach dem United Kingdom alljährlich von Oktober bis April das Wochenende über bei English Afternoon-Tea mit Scones und Clotted Cream, Sandwiches und Tartes auf sehr angenehme Weise stillen. Nicht unerwähnt soll zudem unsere langjährige Partnerstadt Aberystwyth in Wales bleiben. (war)