Warum schneidet eigentlich das Fischmesser nicht?

Kaiserserviette samt Kaisergedeck (Quelle: Mikael Horstmann, Deutsches Museum für Kochkunst und Tafelkultur, Frankfurt am Main) Foto: privat

Kronberg (war) – Warum hat das Fischmesser eine stumpfe Klinge? Weshalb waren die Servietten früher weit größer als heute? Auf diese und noch viele weitere interessante Fragen und Aspekte aus der Gastronomie wusste Mikael Horstmann, Kurator des kaum bekannten Museums für Kochkunst und Tafelkultur in Frankfurt, kompetente Antworten und Informationen zu geben. Eingeladen war der Esskultur-Experte kürzlich vom Burgverein, um zum Thema „Der gedeckte Tisch durch die Jahrhunderte“ im Rahmen der noch bis zum 18. August geöffneten Ausstellung „Mahlzeit – Burg Kronberg bittet zu Tisch“ auf der Burg zu referieren.

Seinen historischen Streifzug startete Horstmann bei den Kelten, deren Relikte noch heute auf dem Altkönig und im Bereich „Goldgrube“ bei Oberursel zu finden sind. Bei diesem längst untergegangenen Volk kam es durchaus vor, dass im Rahmen von Mahlzeiten Schwertkämpfe durchgeführt wurden. Ob das am hohen Konsum von Met lag, der damals als Honigwein in großen Kesseln angesetzt wurde, sei dahingestellt. Alkohol kann bekanntlich die Kampfbereitschaft und Hemmschwelle zu aggressivem Verhalten fördern. Weit ruhiger ging es da bei den alten Römern zu, die ihr Festmahl gerne im Liegen einnahmen. Dafür setzten sie neben den Fingern bereits Gabeln ein. Auch Servietten waren damals schon in Gebrauch. Kein Wunder, denn bei liegender Nahrungsaufnahme ist die Kleidung recht schnell von Speis bedeckt und Trank benetzt.

Natürliche (Finger)-Gabel

Im Mittelalter war es Usus, beim Essen sein eigenes Besteck in Form von Löffel und Messer einzusetzen. Gabeln waren so gut wie nicht in Gebrauch, allenfalls in adeligen Kreisen zum Darreichen von Fleisch. Stattdessen dienten die Finger als natürliche Gabel. Aktuell erinnert das mittlerweile allseits beliebte „Fingerfood“ an diese alte Sitte, wenn dieses heute auch meistens in kleinen Schalen und Gläsern serviert mit Gabel oder Spieß zum Mund geführt wird. Gegessen wurde früher vielerorts aus einer gemeinsamen Schüssel. Brotscheiben oder kleine Holzbretter hielten oft als Tellerersatz her. Horstmann weiter: „Interessanterweise gab es nicht selten für die Getränke nur einen Becher für alle. Jede Person bekam portionsweise die jeweilige Flüssigkeit gereicht, danach wurde der Becher gereinigt und neu befüllt. So konnte insbesondere der Verbrauch von alkoholischen Getränken kontrolliert werden.“

An vielen Adels- und Bischofshöfen übernahmen im Lauf der Zeit Experten bestimmte Aufgaben am Tisch, wie der Truchsess, welcher die Tafel beaufsichtige. Der Mundschenk kümmerte sich um die Getränke und der Vorschneider zerteilte das Fleisch. Von diesen Hofämtern stammen bestimmte Ehrenbezeichnungen ab. In unserer Gegend trägt beispielsweise die Familie der Schenken von Schweinsberg noch heute den entsprechenden Ehrentitel im Adelsnamen.

Da sich die Kleider und Gewänder der Wohlhabenden im Spätmittelalter immer teurer und aufwendiger gestalteten, setzten sich besonders große Servietten zu deren Schutz beim Mahl ab dem Spätmittelalter mehr und mehr durch, nachdem sie seit den Römern wieder in Vergessenheit geraten waren. Die Serviettenstoffe waren damals zwar dünner, dafür aber weit dichter gewebt. So ließen sich die Textilien sehr gut falten. „Noch heute ist in Österreich die Faltung der Kaiserserviette in Lilienform für Staatsbankette eine spezielle Fertigkeit, die kaum noch jemand an der Wiener Hofburg beherrscht. Zum krönenden Abschluss werden dann in die zwei Blütenöffnungen links und rechts jeweils eine Kaisersemmel und ein Hörnchen gesteckt“, verriet der Referent. Deren aufwendiges Falten ist jedoch nicht unbedingt sehr hygienisch, da das Berühren der Serviette mit fremdem Händen vor ihrem Einsatz eigentlich weitgehend zu vermeiden ist. Am besten wird sie am Tisch per Besteck gereicht.

In der gehobenen Gastronomie hat es sich durchgesetzt, dem Gast für jede Speise eigenes Geschirr samt Besteck und für jedes Getränk ein spezielles Glas zu reichen. Der Einsatz von möglichst viel Porzellan, Glas und Silber diente wohl anfangs dazu, stolz den Reichtum eines Haushaltes zu demonstrieren. Horstmann weiter: „Manch einer wundert sich heutzutage, dass das Fischmesser keine scharfe Schneide hat. Das macht bei unzerteiltem Fisch durchaus Sinn, um nicht die Gräten aus Versehen zu durchtrennen. Bei Fischfilet ist diese Vorsichtsmaßnahme aber nicht länger notwendig“. Gabel und Löffel wurden früher im Gegensatz zu heute umgedreht eingedeckt, damit sich deren Zinken oder Kelle nicht in den zumeist langen und rüschenbesetzten Ärmeln der Kleidung verfangen konnten. Eigene Teller für Brot setzten sich erst durch, als dieses zunehmend am Tisch geschnitten statt gebrochen wurde. So lässt sich das Anschneiden von Tischtüchern und Zerkratzen von Tischplatten vermeiden. Dabei dominieren weiße Tischdecken noch immer. Zum einen ist so am besten zu erkennen, ob das Tischtuch sauber ist, zum anderen ließ sich früher nur weiße Wäsche bleichen. „Zu überlegen ist, ob eine Tischplatte mit schöner Oberfläche überhaupt immer eines Tischtuches bedarf“, so Hortmanns abschließende Überlegung.

Noch ein Hinweis zum Schluss: Das eingangs erwähnte Kochkunst-Museum befindet sich im Holzgraben 4 (Rückseite Zeil 83). Öffnungszeiten sind sonntags von 15 bis 17 Uhr. Kontakt per E-Mail an museum[at]tafelkultur[dot]com oder via Telefonnummer 069-550939.



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