Mit Sturmgebraus durch die Sintflut – Die Kinderoper „Noahs Flut“ begeisterte in der Johanniskirche

Die Arche schwimmt durch das Kirchenschiff der Johanniskirche Fotos: privat

Kronberg (brh) – Da war was los am vorigen Sonntag in der ausverkauften Johanniskirche in Kronberg: Gespannte Stille herrschte, als das vielköpfige Orchester den Chorraum betrat. Mucksmäuschenstill erwarteten kleine und große Zuhörer den Beginn von Benjamin Brittens Kinderoper „Noahs Flut“, und sie durften gleich nach dem mit wuchtigen Paukenschlägen eingeleiteten Orchestervorspiel zu einem Gemeindechoral einsetzen. Tolle Sache, was dann kam: Die Stimme Gottes, eines zu Recht erzürnten Weltenherrschers, erklang, hörbar auf Rache aus ob der Sündhaftigkeit und der Amoralität der Menschheit, die zu zerstören er nun trachtete. Einzig Noah und seine Familie waren auserkoren, die Sintflut zu überstehen. Man kennt die Geschichte ja aus der Bibel. Aber ob damit wohl jeder so einverstanden gewesen war? Noah und seine Söhne Sem, Ham und Jaffet hatten Überzeugungsarbeit zu leisten, und vor allem die Frau Noahs mit ihren „Tratschen“ mochte nicht unbedingt den Worten ihres Gatten Folge leisten.

Benjamin Britten

Dem britischen Komponisten Benjamin Britten ging es zeitlebens darum, Kinder und Jugendliche für Musik zu begeistern – man denke an „The Young Person’s Guide to the Orchestra“. So eben auch mit der Kinderoper „Noahs Flut“ (Noah’s Fludde), die er in der Art eines mittelalterlichen Mysterienspiels gestaltete: Amateure und professionelle Musiker, Sänger, Schauspieler sind hier eingebunden, und auch das Publikum wird einbezogen.

Ensemble in Kronberg

In St. Johann waren dies die Sängerinnen und Sänger des Kinder- und Jugendchors, die mit Begeisterung und ungeheurer Disziplin ihre Partien spielten, ohne jemals aus der Rolle zu fallen. Das Orchester, besetzt mit neun professionellen Musikern und einer ganzen Schar von deren Schülerinnen und Schülern, ließ Sturm, Gewitter und Regen toben, dass es nur so eine Art hatte. Dazu waren etliche Schlaginstrumente nötig, auch eine Windmaschine, auch ein Instrument, das Britten eigens für dieses Stück erfunden hatte: Eine Reihe von Tassen unterschiedlicher Größen wurde angeschlagen, um die Regentropfen zu symbolisieren. Dekanatskantor Bernhard Zosel koordinierte Orchester und Sänger mit großer Präzision und Eindringlichkeit.

Die kompetente, überzeugende Lichtgestaltung hatte Thomas Rösener von der Oper Frankfurt übernommen – in einem solchen Licht war die Johanniskirche wohl noch nie zu sehen gewesen, bis hin zum Regenbogen, der im Schlussbild das Weltgericht überstrahlte. Josephine Rösener, die als ausgebildete Sängerin nicht nur die Kinder und Jugendlichen des Chors betreut, wirkte hier als Bühnenbildnerin (assistiert von Barbara Behling und Katrin Schneider) sowie Regisseurin, und sie gab die widerborstige Frau Noah in geradezu hexenhafter Gestaltung mit ihrem warmen Mezzosopran, der aber durchaus auch in schrille Hysterie verfallen konnte.

Die Tiere, die gerettet werden sollten, zogen feierlich unter Absingen von immer dringlicher werdenden „Kyrie eleison“-Rufen in die Kirche ein und nahmen in der kreativ gezimmerten Arche Platz. Balduin Schneeberger, ein junger Schweizer Bariton, gab den Noah mit Standhaftigkeit und nicht nur stimmlicher Durchsetzungskraft. Uwe Wendt verlieh dem Gott, der aus dem Hintergrund erscholl, seine sonore, mal wütende, mal versöhnliche Stimme. Ham, Sem und Jaffett, Noahs Söhne, wurden gegeben von David und Moritz Kaiser sowie Johann Gläßer, ihre Frauen wurden dargestellt von Louise Orrh-Tannenberg, Liv Steffes und Felicitas von Buchwaldt. Heftig rumorte und tobte es im Orchester, als die Sintflut begann und schließlich, nach 40 Tagen und Nächten, ihren Höhepunkt erreichte, bis endlich das Toben der Elemente nachließ und Noah schließlich einen Raben (Julian Schacht) und eine Taube (Carolina von Hoffmeister) ausschicken konnte, um trockenes Land zu suchen. Beide agierten mit großem Ernst und weit flatternder Gestik. Wunderbar gurrte die Taube mit einer flatterzüngelnden Blockflöte aus dem Orchester. Mit großer Ernsthaftigkeit und unbeirrt von Zuschaueraugen flatterten die beiden Vögel durch den Mittelgang, um schließlich olivenzweigbewehrt zu Noah zurückzukehren.

Britten hatte eine Kinderoper geschrieben – aber eine, die Symbolkraft besitzt und die auch Menschen fortgeschritteneren Alters in Begeisterung versetzte. Groß war der Applaus, der schier nicht enden wollte, für eine rundum gelungene Aufführung.

Brigitta Hermann

Eine junge Darstellerin der Kinderoper

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