Tag der Architektur – Fassade verbirgt spannende Baugeschichte und Posthistorie

Kronberg (war) – Am 24. und 25. Juni steht bundesweit der „Tag der Architektur“ im Fokus. Dieses Jahr lautet das Motto: „Architektur verwandelt.“ Der Termin soll Anlass sein, das Haus des Architekten und Diplomingenieurs Max-Werner Kahl im Minnholzweg genauer unter die Lupe zu nehmen, denn hinter der Fassade dieses Gebäudes verbirgt sich eine spannende und nicht alltägliche Baugeschichte inklusive einem Stück Posthistorie. Auf diese wird von Kahl schon mit einem Text auf der Unterseite des Vordachs am Hauseingang hingewiesen.

Die ganze „Angelegenheit“ hängt damit zusammen, dass der 1950 in Frankfurt geborene Kahl aus einer alten „Postler-Familie“ stammt. Zu dieser Zeit war der Brief- und Paketversand mit der Telefonie noch unter dem Dach der „guten, alten“ Bundespost als staatseigenes Unternehmen vereint. Schon Kahls Vater, Maximilian Kahl, stand als Architekt und im schönsten Behördendeutsch formuliert als „Planer für Großbauvorhaben der Oberpostdirektion“ in Frankfurt am Main in Diensten der Bundesbehörde. Kahl dazu: „Mein Vater hat unter anderem für die Post die Planung des Fernmeldehochhauses in Frankfurt durchgeführt. Daher verfüge ich noch über einige kolorierte Originalpläne dieser markanten Frankfurter Stilikone aus den 50er Jahren.“ Für uns heute kaum mehr vorstellbar ist, dass das von 1954 bis 1956 errichtete und 2004 leider abgerissene Fernmeldehaus mit gerade 70 Meter Höhe einmal nach dem Dom das höchste Haus in der Mainmetropole war. Auch erste Vorentwürfe für den Frankfurter Fernmeldeturm, der im Volksmund ‚Ginnheimer Spargel‘ heißt, stammen von Kahls Vater.

Kein Wunder also, dass sich Sohn Max-Werner ebenfalls bei der Bundespost verdingte, denn wie heißt es doch so schön: Wie der Vater so der Sohn. Nach erfolgreichem Studium an der Ingenieursschule in Idstein und anschließend an der Fachhochschule in Wiesbaden „heuerte“ er ebenfalls bei der Post an, um hier als Technischer Postoberamtsrat in der Hochbauabteilung für die Projektsteuerung und Realisierung von Großbauvorhaben wie der Herr Papa bis zu seiner Pensionierung aktiv zu sein.

1965 zog die Familie von Frankfurt in das damals noch eigenständige Schönberg in die sogenannte Postsiedlung um. 1976 erwarb dann Kahl im Minnholzweg das 1951 erbaute, ehemalige Verstärkeramt. Den kaum 60 Quadratmeter „großen“ Zweckbau wandelte und erweiterte der kreative Architekt daraufhin für seine inzwischen mehrköpfige Familie zu einem geräumigen Wohnhaus mit rund 150 Quadratmetern Nutzfläche, die sich über drei Etagen getreu dem eingangs erwähnten Motto „Architektur verwandelt“ erstreckt.

Kahl zu der Funktion des Verstärkeramts: „Diese Einrichtungen existierten früher deutschlandweit, um als so genannte kabelgebundene Relaisstationen die technisch unvermeidbaren Leitungsverluste in den Telefonkabeln auszugleichen. Alle 15 bis 17 Kilometer war eines dieser Ämter als standardisiertes Normgebäude vonnöten. Das entspricht genau der Strecke vom Fernmeldehochhaus in Frankfurt als Zentrale bis nach Kronberg.“ Es war exakt festgelegt, über welche technischen Einrichtungen diese Normgebäude zu verfügen hatten. Dazu zählte ein Netzersatz-Dieselaggregat für die Notstromerzeugung samt Batterieraum und WC. So konnte das Fernmeldenetz auch bei externem Stromausfall für eine gewisse Zeit weiter betrieben werden. Die Mauerstärke war auf 50 Zentimeter Wandstärke aus feuerfesten Ziegeln festgelegt. Auch die Kabelschächte mussten aus nichtbrennbaren Materialien errichtet sein. Kahl weiter: „Zudem wurde Frostsicherheit verlangt, welche die Holzwolle enthaltenden Heraklit-Platten garantierten. Wegen ihres Aussehens werden diese bis heute im Fachjargon als Sauerkrautplatten bezeichnet.“

Als die Verteilerämter in den 1970er-Jahren aufgrund technischer Weiterentwicklung obsolet wurden und eine bis heute existierende Ortsvermittlungsstelle als Nachfolgeeinrichtung in Oberhöchstadt gebaut worden war, erwarb Kahl kurzerhand das zum Verkauf stehende Verstärkeramt im Minnholzweg, da er sich zu dieser Zeit ohnehin wohnungsmäßig verändern, sprich vergrößern wollte. „Wichtig war mir als Architekt, dass der Charakter des Normgebäudes auch nach dem Umbau weiterhin bis zu einem gewissen Grad ablesbar blieb.“

Bei dem Um- und Ausbau des Objektes forderten einige örtliche „Besonderheiten“ Kahls Fachwissen und Einfallsreichtum heraus. So war wegen der Hanglage des Grundstücks ein Gefälle von 8 Metern in der Planungsphase zu berücksichtigen. Kahl dazu: „Das verlangte ein aufwändiges Unterfangen der hangseitigen Fundamente des Hauses. Zum Glück konnte ich damals auf erfahrene, bodenständige Maurer aus dem Sudetenland, zurückgreifen, die ihr Handwerk bestens verstanden. Bis heute haben sich weder Risse an den Wänden noch irgendwelche Setzungen im Fundamentbereich gezeigt, was zeigt, dass die ‚Jungs‘ vor fast 50 Jahren sehr solide gearbeitet haben. Zudem beansprucht das Erdreich im Bereich des Minnholzwegs geologisch gesehen erhöhte Achtsamkeit, da dieses aus sehr empfindlichem Faulfels besteht, der im Taunus übrigens häufig vorkommt und bei Kontakt mit Luftsauerstoff sehr schnell verwittert, wie der Name bereits sagt.“

Im Laufe der Jahre hat sich Kahl mit der Restaurierung und Substanzerhaltung einer Reihe weiterer historischer Bauwerke in der Burgstadt einen Namen gemacht. Dazu zählen die katholischen Kirchen Sankt Peter und Paul sowie Sankt Alban in Schönberg. Im Jahr 2005 brachte er zudem den sehr baufällig gewordenen Burckhartsturm wieder „in Schuss“, indem er den Bau in ein nicht alltägliches, behagliches Domizil mit immerhin 110 Quadratmetern Wohnfläche auf mehreren Ebenen umwandelte. Der Turm war einst Bestandteil der Stadtbefestigung, um temporär sogar als Ortsgefängnis zu dienen. Furore machte der umtriebige Architekt erneut vor einigen Jahren durch die aufwändige Sanierung von Louis Jacobis damals sehr heruntergekommenen Geburtshauses in der Bad Homburger Altstadt. Jacobi, wie Kahl von Haus aus Architekt, ist bis heute durch den Wiederaufbau der Saalburg im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. bekannt. Zudem hatte Kaiserin Friedrich diesem die Bauleitung bei der Instandsetzung der Kronberger Burg Ende des 19. Jahrhunderts übertragen.

Aber auch im fernen Afrika ist Kahl bis heute äußerst agil, agiert er doch seit 30 Jahren für die in Mammolshain ansässigen Klosterfrauen des Opus-Spiritus-Sancti-Ordens quasi als deren „Konvent-Baumeister“. Die Nonnen unterhalten unter anderem in Tansania am Fuße des fast 6.000 Meter hohen Kilimandscharos einige Einrichtungen. Dort hat Kahl neben der Magnificat-Church mit dem Amani-House eine Begegnungsstätte samt kleinem Museum sowie die Himo-Dining-Hall zur Verpflegung der Internatsschüler und das Lekrumuni-Hospital entworfen und von Ortskräften bauen lassen. Dabei achtet der Architekten darauf, dass die Gebäude durchweg im lokalen Stil gestaltet und von örtlichen Kunstschaffenden ausgeschmückt werden. „So laden die Bauten die Einheimischen, wie die Massai, von Beginn an zum Eintritt ohne große Hemmschwellen ein, da diese ihnen vertraut vorkommen“, bemerkt Kahl zu seiner „Bauphilosophie“ im Hochland von Tansania.



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