Thome zeichnete ein lebendiges Bild der Geschichte Taiwans

Stephan Thome Foto: privat

Kronberg (kb) – Es war ein sehr heißer Abend und auch im schattigen Innenhof des Dingeldeinhauses war die Hitze des Tages noch spürbar, als sich etwa zwanzig Gäste zu der Lesung von Stephan Thome einfanden. Stephan Thome, 1972 in Biedenkopf in Hessen geboren, stellte sein im Herbst 2021 erschienenes Buch „Pflaumenregen“ vor. Ursprünglich war die Lesung bereits für Oktober vergangenen Jahres geplant, wurde aber wie so vieles wegen Corona verschoben. Stephan Thome, der zurzeit für ein Stipendium in Lüneburg weilt, hat seinen Wohnsitz in Taipeh in Taiwan und ist mit einer Taiwanesin verheiratet. Der Roman „Pflaumenregen“ behandelt die Geschichte Taiwans im 20. Jahrhundert. Die zentrale Figur des Romans ist Umeko, was Pflaumenkind bedeutet. Stephan Thome hat viel recherchiert, letzte Zeitzeugen gefunden und befragt, um möglichst authentisch über die Zeit der japanischen Besatzung während des zweiten Weltkrieges und über die Zeit, als die „Festländer“ Taiwan davon befreit haben, zu erfahren. Eine Befreiung, die eher einem Beutezug glich und von Repressalien begleitet war. Er erzählte von der Bedeutung eines inselweiten Aufstands gegen die chinesischen Besatzer 1947, der ein entsetzliches Blutbad zur Folge hatte und dessen bis heute gedacht wird. Nach dem Aufstand stand die Insel für knapp vier Jahrzehnte unter Kriegsrecht und konnte erst danach wieder zu einer eigenen Identität finden. Wobei, nach Thomes Worten, die Identitätsfindung ein aktueller Prozess ist. Auf die Frage, wie die Taiwanesen zu der chinesischen Bedrohung stehen, gab er ein durchaus differenziertes Bild. Ein sehr kleiner Teil fühlt sich auch politisch China zugehörig, eine größere Gruppe ist dem Chinesischen kulturell verhaftet, will aber nicht von dem Regime in Peking entmündigt werden. Und ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung setzt ganz auf die politische und kulturelle Unabhängigkeit Taiwans. In diesem Zusammenhang betonte Stephan Thome die Bedeutung der USA und deren Bereitschaft, einem aggressiven China entgegenzutreten, falls es zum Ernstfall käme. Neben seiner umfassenden Kenntnis der Geschichte Ostasiens und der aktuellen politischen Situation in Taiwan beeindruckte Stephan Thome durch seine Sprache. Und das betraf nicht nur die Stellen, die er aus dem Buch „Pflaumenregen“ gelesen hat. Auch die kurzen Berichte zu dem Land, zu seiner eigenen Hochzeit in Taiwan und den kulturellen Eigenheiten des Landes kamen druckreif, lebendig und mit einem außergewöhnlich reichen Wortschatz daher.

Es war für alle ein lohnender Abend, auch wenn nach Aussage von Dirk Sackis die Kosten der Lesung leider nicht gedeckt werden konnten.



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