Traditionelle Gaststätten waren einst der soziale Kitt–Hans Robert Philippi schreibt an einem Buch zur Stadtgeschichte

Kronberg (hmz) – Sie gehörten in jedes Dorf, genauso wie der Kirchturm, die Bäckerei oder die Metzgerei: die Gaststätten oder, besser gesagt, die Dorfkneipen. Kronberg hatte in früheren Zeiten eine beachtliche „Kneipenkultur“. Dicht an dicht standen sie und einige bildeten Jahrhunderte lang den Mittelpunkt des sozialen Lebens in der damals noch kleinen Stadt Kronberg. Deren soziale Tradition ist fast vollständig untergegangen. Andere Formen des sozialen Kontaktes sind an ihre Stelle getreten. Es war deshalb höchste Zeit, an dieses gesellige Leben zu erinnern. Hans Robert Philippi hat sich diesem Thema in seinem Buch „Kronberger Gaststättengeschichten. Historisches, Kurioses, Heiteres“, das allmählich seiner Fertigstellung entgegensieht, im Rahmen einer langwierigen Recherchearbeit gewidmet. Nicht nur die Texte in diesem Buch lassen die vergangene Zeit und die handelnden Menschen wieder aufleben, es sind vor allem die zahlreichen Bilder, meistens Postkarten, die die Leserschaft in vergangenen Zeiten schwelgen lassen. 29 Gaststätten zählte der Autor anhand von Dokumenten, die Aufschlüsse vom Jahr 1680 bis in die Neuzeit geben. Zu den meisten konnte er eine kleine historische Abhandlung erstellen, wenn das entsprechende Material noch vorhanden war. Die Schwierigkeit: „Während des dritten großen Stadtbrands im Jahre 1792 ging auch das Kronberger Rathaus in den Flammen unter. Mit ihm verbrannten wohl nahezu alle Archivalien. Die Stadt Kronberg hatte ihr Gedächtnis verloren“, erklärt Philippi den Umstand, dass er teilweise nur noch auf Fragmente zurückgreifen konnte.

„Der trümmerhafte Zustand der Quellen erlaubt es nicht, die Lebensgeschichte aller Gaststätten in Kronberg lückenlos darzustellen. Es war auch nicht das Ziel, eine wissenschaftliche Forschungsarbeit vorzulegen, akribisch das letzte Detail zu finden und niederzuschreiben. Es sollte vielmehr anhand gefundener Nachweise, Berichte und Erzählungen die Bedeutung der gastlichen Stätten für das städtische Leben in der Vergangenheit aufgezeigt werden sowie deren Geschichte über die Zeit“, so der Autor. Knapp 300 Seiten umfasst seine Arbeit, das Buch wird dann im Selbstverlag erscheinen, wobei der Zeitpunkt noch offen ist.

Einige der Gasthäuser haben die Zeiten überdauert wie etwa der „Adler“, das älteste Gasthaus, der „Neue Bau“, „Schützenhof“, der „Grüne Wald“, das „Posthaus“, „Zum Weinberg“ und der „Bürgelstollen“. Beim ersten Durchblättern des Manuskripts wird deutlich, dass die Lektüre wohltuend unterhaltsam und so manches nicht so ganz „bierernst“ gemeint ist. Mit einfachen Stuben, in denen Gäste und Reisende bewirtet wurden, fing es an. Das war der Ausgangspunkt, aus dem heraus sich dann im Laufe der Jahrhunderte eine äußerst vielfältige Gastronomie entwickelt hat. Heute ist von der urigen Kneipe über das Traditionslokal und die einladende Gaststätte bis hin zum exquisiten Gourmettempel alles in Kronberg vertreten.

Angefangen hat alles damit, dass Philippi einen Anruf von der Volkshochschule-Hochtaunuskreis mit der Anfrage erhalten hat, ob er zum Thema „Wirtschaft“ einen Vortrag halten könnte.  „Das hätte ich sicher gekonnt, aber so ganz war es nicht mein Thema. Da lag mir die Wirtschaft im Sinne von Gastronomie schon näher“, erinnert er sich augenzwinkernd. Er habe dann mit seinen Recherchen begonnen und hatte schließlich so viel Stoff zusammen, dass er einen Vortrag gestalten konnte. Das Manuskript legte er allerdings wieder zur Seite und es ruhte dann bis ins Jahr 2014 in der Schublade. Er hatte andere Prioritäten: Politik, Stiftung Kronberger Malerkolonie und aktive Mitgliedschaft in diversen Vereinen. Als er schließlich im Rahmen seiner Stadtführungen zum Thema aufgefordert wurde, sein Wissen über Kronbergs Gaststätten-Tradition niederzuschreiben, wurde aus Philippis Idee allmählich ein konkretes Vorhaben, allerdings nicht gleich. Fünf Jahre später nahm sein Projekt dann Gestalt an und er fing an, das bisher Bekannte aus allen bis dahin vorliegenden Veröffentlichungen zusammenzutragen. „Ich konnte dabei auf Hanna Feldmann und Wolfgang Ronner zurückgreifen, wobei ich mich bei letzterem gefragt habe, was er noch nicht geschrieben hat. Niemand hat Kronbergs Geschichte so umfassend dokumentiert wie er.“

Bei seiner „Gaststättengeschichte“ wurde Philippi dann doch fündig und fand viel Erzählenswertes und so manche Besonderheit heraus. Etwa die erste Stromversorgung eines Gasthauses oder die telefonische Nachtverbindung nach Frankfurt. „Der Gastwirt musste herausgeklingelt werden, damit er die Verbindung herstellen konnte. Das war damals eine große Errungenschaft.“ Die Gaststätten „waren der soziale Kitt, hier fand der Austausch über Gott und die Welt statt und es wurden Geschäfte abgewickelt. Ein Trank besiegelte den rechtswirksamen Abschluss. Der Spruch ‚darauf trinken wir einen‘ weist noch heute auf diesen Brauch hin.“

Ganz besonders dürften Philippis etymologische Ausführungen sein. Die Leserschaft erfährt Interessantes über die Herkunft und Entwicklung der Wörter im Zusammenhang mit der Gastronomie, etwa die Bedeutung von „Mahlzeit“ und viele andere Begrifflichkeiten, die in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeflossen sind. Ein Kapitel widmet er den Redewendungen. Zum Beispiel, was es bedeutet, „in der Kreide zu stehen“ oder „Schwamm drüber“. Was die „Krawallschachtel“ war und warum sie außerhalb der Stadtmauern stand, gehört zu den Episoden, die die „dunkle“ Seite der Kneipenkultur aufzeigt.

Hans Robert Philippi will mit seinem Buch ein weiteres, bislang ungeschriebenes Kapitel in der Kronberger Stadtgeschichte aufschlagen, das neue Facetten der Burgstadt mit seiner langen Tradition zeigt.

Der ehemalige Frankfurter Hof

Der Ratskeller Fotos: privat

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