Trauer um ehemaligen Stadtrat Günter Budelski

Günter Budelski vor fünf Jahren bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

Foto: Puck

Oberhöchstadt (pu) – Schon längere Zeit kämpfte Günter Budelski mit nachlassenden Kräften und einem verschlechterten Gesundheitszustand. Dennoch kam sein Tod am späten Abend des 15. April, wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag letztendlich überraschend. Durch seine zahlreichen in der Stadt hinterlassenen Spuren wird er jedoch in lebhafter Erinnerung bleiben.

So war der Verstorbene als Stadtältester, Stadtrat a.D., Gründungsmitglied der Kronberger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Gründer der Selbsthilfegruppe Asthma und Allergie und Mitbegründer des MTV-Lauftreffs einer der bekanntesten und profiliertesten ehrenamtlichen Kommunalpolitiker und Vereinsvertreter der Burgstadt. In Würdigung dieses herausragenden Engagements steckte ihm Landrat Ulrich Krebs (CDU) vor fünf Jahren, nur zwei Tage, nachdem Budelski für langjährige Verdienste mit der Willy Brandt-Medaille die höchste Auszeichnung der Sozialdemokraten erhalten hatte, in den Räumen des Museums Kronberger Malerkolonie in der Streitkirche das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ans Revers.

Eine weit über die Stadt hinaus strahlende Ehrung „und du, lieber Günter, hast es wirklich verdient“, unterstrich auch Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) während der Veranstaltung. Seitdem Budelski vor damals fast 55 Jahren, am 25. Juni 1965, nach Oberhöchstadt gezogen war, setzte er sich herausragend in den Bereichen Soziales, Kultur, Sport und Gesundheit, „und natürlich für ‚seinen‘ Stadtteil Oberhöchstadt“ für das Gemeinwohl ein. „Was auch immer es war und heute noch ist, ganz aktuell engagierst du dich auch bei der Flüchtlingshilfe Kronberg, du tust es mit vollem Einsatz, ganzer Leidenschaft und viel Herzblut“, beschrieb Temmen den vorbildlichen Bürger.

Diese vorbildliche Einsatzfreude, das Setzen von Impulsen auf unterschiedlichen Feldern, war eng mit der Herkunft des Geehrten verknüpft. Geboren wurde er am 22. Juli 1940 in Königsberg in Ostpreußen als Sohn eines Schiffsbauers. Angesichts der sich zuspitzenden lebensbedrohlichen Lage musste die fünfköpfige Familie im Januar 1945 die Heimat verlassen. Die Flucht führte bei minus 20 Grad per Schiff über die Ostsee, über Pillau nach Brunsbüttelkoog, später nach Westfalen und hinterließ ihre einschneidenden Spuren in Form eines Asthma-Leidens.

Laudator Ulrich Krebs erinnerte ganz bewusst an diese Ereignisse vor über 75 Jahren, die verdeutlichten, dass Budelski dieses Schicksal positiv angenommen und alles in seiner Macht stehende getan hatte, um nicht nur mit dieser Krankheit zu leben, sondern darüber hinaus anderen Menschen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Der Landrat nannte in diesem Zusammenhang neben der Selbsthilfegruppe Asthma und Allergie, dessen Vorsitz der fast 80-Jährige von Beginn an viele Jahre innehatte und dem MTV-Lauftreff auch den Einsatz für die Belange der Radler. „Sie haben als Pressesprecher die Interessen und Bedürfnisse der Kronberger Radfahrer in die Öffentlichkeit gebracht!“ Die ebenfalls bei der Feierstunde anwesende aktuelle stellvertretende ADFC-Vorsitzende Jutta Kabbe attestierte dem Jubilar dabei durchaus ungewöhnliche Methoden. „Günter motivierte mich vor 25 Jahren dazu, der Stadt Kronberg eine rostige Speiche zu überreichen, um auf die schlimmen Zustände für Radfahrer aufmerksam zu machen.“ „Buddes“ kommunales Wirken dauerte 20 Jahre, davon 17 Jahre als ehrenamtlicher Stadtrat. Zum 60. Geburtstag wurde ihm der Titel „Stadtältester“ verliehen.

Als alles andere als gewöhnlich darf auch der berufliche Werdegang Budelskis bezeichnet werden. Nach nur achtjähriger Schulzeit verließ er mit 14 Jahren die Schule, entschied sich 1955 für eine Lehre als Buchbinder bei der Firma Deilmann (Westfalen), bestand 1958 die Gehilfenprüfung als „Handwerksbuchbinder“ vor der Handwerkskammer Gelsenkirchen. Nach abgeschlossener Lehre zog er nach München und fand Arbeit in einem Industriebetrieb. Dort machte er durch sein ausgeprägtes Rechtsverständnis und sein Engagement in Gewerkschaft und Jugendarbeit auf sich aufmerksam.

Jüngster Betriebsrat Deutschlands

Die Kollegen erkannten bald, „der Junge hat es drauf“, was dem 19-Jährigen zunächst die Wahl zum gewerkschaftlichen Vertrauensmann in der Großbuchbinderei Grimm-Blecher (300 Mitarbeiter) einbrachte, wenig später grüßte er als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und damit jüngster Betriebsrat Deutschlands, was mangels vorliegender Volljährigkeit (damals noch bei 21 Jahren liegend) nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich war. Günter Budelskis Blick ging weiterhin geradewegs voraus. Er war zweimal als Initiator der Neuordnung des Berufsbildes Buchbinder mit einer Anpassung des Berufsbilds an die jeweils neuen Erfordernisse beteiligt.

Da hatte es ihn schon lange der Liebe namens Julia wegen nach Oberhöchstadt verschlagen. In einer großen Frankfurter Druckerei arbeitend, machte er zunächst seine Meisterprüfung, später eine weitere Prüfung zum staatlich geprüften Drucktechniker. Als Betriebsrat machte er sich auch in Frankfurt einen Namen. Und damit nicht genug. 1963 in die SPD eingetreten, beschloss er außerdem, sich für die Kommunalpolitik zu engagieren. Selbst von politischen Gegnern wurden ihm Offenheit, Gradlinigkeit, Bodenständigkeit und Humor attestiert, bei aller Streitbereitschaft in der Sache lasse er nie die Fairness vermissen und trete entschieden gegen Ungerechtigkeit ein. „Bleib uns mit allen Ecken und Kanten erhalten“, so der Wunsch des SPD Ortsvereinsvorsitzenden Thomas Kämpfer vor fünf Jahren.

Zur Sprache kam an diesem Festvormittag auch die Sportlichkeit Budelskis. So nahm er beispielsweise an 15 Marathonläufen teil, unter anderem in New York und an den legendären Nonstop-Staffelläufen von Kronberg nach Le Lavandou und später nach Ballenstedt. „Ich bin meiner Krankheit davongelaufen“, so Budelski damals.

Seit 1984 bis vor etwa zwei Jahren betrieb der Jubilar eine Handwerkliche Buchbinderei/Buchrestaurierung-Werkstatt. Band Zeitschriften, restaurierte alte Bibeln, Handschriften, Lederbände und Ähnliches. Wie er in seiner abschließenden Rede in aller Bescheidenheit verriet, hielt er es mit dem ebenfalls aus Königsberg stammenden Philosophen Immanuel Kant „Man tut etwas, weil man einfach etwas tun muss“. Bei aller Einsatzfreude war ihm gerade auch während seiner langen schweren Krankheitsphase nochmals bewusst geworden, wie viel Kraft, Geborgenheit und Rückzugsmöglichkeit ihm die Familie gab. Seine beiden Kinder Christine und Markus hatten ihm fünf Enkelkinder geschenkt und auch ihnen vermittelte er das Motto seines Lebens „Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens“.

Möglichst viel Zeit mit der Großfamilie zu verbringen, war ihm ein großes Anliegen. Zahlreiche Kronbergerinnen und Kronberger sowie Freunde aus den Nachbarstädten freuten sich, dass es „Budde“, wie er liebevoll genannt wurde, im Februar noch vergönnt war, den 70. Geburtstag seines Schwagers Hans Willi Schmidt im Rollstuhl sitzend mitzuerleben. Nunmehr heißt es, endgültig Abschied zu nehmen.

Die Trauerfeier wird jedoch aufgrund der aktuellen Beschränkungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, damit möglichst viele Wegbegleiter dabei sein können.



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