Kronberg (aks) – Ob die kleine Vicky, die als älteste Tochter der Königin Victoria von England am 21. November 1840 im Buckingham Palace das Licht der Welt erblickte, sich je hätte vorstellen können, dass ihr Ururgroßenkel Donatus Landgraf von Hessen ihr durch alle Zeiten und Sphären hinweg zum Geburtstag gratulieren würde? Technologie und Internet machten es möglich, wegen der Pandemie kontaktlos und somit virtuell Vickys 180. Geburtstag zu feiern. 50 „geladene Gäste“ hatten sich per Zoom an ihren Laptops zuhause oder in ihren Büros zeitgleich zugeschaltet, um die Kaiserin Friedrich, die ihre letzten Jahre nach dem Tod ihres Mannes, Friedrich III, dem 99-Tage-Kaiser, im bezaubernden Schloss Friedrichshof verbrachte, hochleben zu lassen und an ihr Leben zu erinnern. Landgraf Donatus machte im prunkvollen Foyer den Anfang, nach den wirklich atemberaubenden Drohnenaufnahmen des märchenhaften Anwesens mit einem Park, in dem jeder einzelne Baum eine lange Geschichte erzählen kann und in dem Rosen und Orchideen von der Kaiserin selbst liebevoll gepflegt wurden. Der prachtvolle Golfplatz ist eine weitere Attraktion des heutigen 5-Sterne Schlosshotels, nicht nur für Golfspieler. Er sei selbst aufgeregt, da er eine Schlossführung in diesem Format zum ersten Mal in seinem „Lieblingshaus“ unternehme, wo er selbst zwei Jahre gelebt habe. Bestens sekundiert von Dominik Ritz, General Manager Schlosshotel Kronberg, und Dr. Markus Miller, Leiter des Museums Schloss Fasanerie. Beide kennen das Haus und dessen Schätze wie ihre Westentaschen und machten im Interview immer wieder auf interessante Details aufmerksam. Dr. Miller beschreibt Victoria als hochgebildet, sehr diszipliniert und fleißig, die ihre Korrespondenz mehrsprachig erledigte und Kunst aus aller Herren Länder sammelte, die sie im roten Salon ausstellte. Als Malerin pflegte sie die Kontakte zur Kronberger Malerkolonie, die eingeblendeten Bilder sind äußerst kunstfertig und zeugen von ihrer Liebe zu Italien und zu sonnigen Gefilden. Kamera und Mikrofon folgen im Sauseschritt, die beiden Herren sind schnell zu Fuß über die roten Teppiche, kennen sich aus in roten und blauen Salons, versteckten Wendeltreppen, historischen Suiten, die von Victoria und ihrer Familie bewohnt wurden. Ihre Geburtstagsfeier hätte wahrscheinlich im Speisesaal, dem jetzigen Restaurant des Schlosshotels, stattgefunden, mit Speisen aus der Schlossküche, mit Kronleuchtern und Schachbrettmuster-Fliesen, die Platz für ganze Ochsen am Spieß bot und seit ein paar Jahren auf Induktion umgestellt hat. Den daheimgebliebenen Zuschauern bereitete diese virtuelle Reise am Bildschirm sichtbare Freude. Man spürte die Begeisterung und das Staunen über so viel Prunk und Schönheit, die in den Chat-Kommentaren spontan ihren Ausdruck fanden. Eindrucksvoll ist die große Freitreppe, die Victoria majestätische Auftritte ermöglichte, wenn sie von dort Konzerte und Feiern im Foyer eröffnete. Ihr Geist erfüllte die heute menschenleeren „Heiligen Hallen“, mangels Gästen, die dort zu besseren Zeiten gern stilvoll vor dem großen Kamin Kaffee und Kuchen genießen und das eine oder andere Gläschen Sekt. Seit 1954 ist das Schlosshotel, 1893 im britischen Tudor Stil erbaut, im Eigentum der Hessischen Hausstiftung. Mit der Öffnung neuer Locations und neuer Gastronomiekonzepte ging man diesen Sommer mit der Zeit. Das „Cottage“ des Hofmarschalls wurde zum beliebten Treffpunkt in der Nähe des Rosengartens und im Pop-Up-Restaurant als Hommage an Heinrich von Hessen, italienisch „Enrico d‘Assia“, blieb selten ein Tisch frei.
In der Bibliothek mit ledergebundenen Büchern, die Victoria selbst zusammengestellt hat und in der sie sich besonders gern zur Tea Time aufhielt, die bis heute hier zelebriert wird, geht der Schlossspaziergang zu Ende. Dieser Raum atmet Ruhe und Ernst und ist ein guter Ort, die Welt draußen zu lassen. Hier finden sich zum Abschluss in trauter Runde die drei Akteure zur angekündigten Weinprobe zusammen. Bärbel Weinert, Direktorin des Weinguts Prinz von Hessen, gesellt sich zu den Herren und hat bereits Gläser und die ausgewählten Flaschen bereitgestellt. Sie begrüßt die per Internet zugeschalteten Weinliebhaber, die nun alle zeitgleich den Wein verkosten dürfen, der ihnen vorher mit der Post zugestellt wurde. Eine geistreiche Idee für ein wenig festliche Geselligkeit zu Ehren Victorias, die sich oben im Himmel sicher ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, dass die Welt unter ihr sich bereits in den frühen Nachmittagsstunden zuprostet. Bestimmt hat sie ein Auge zugedrückt und der Veranstaltung mit den edlen Tropfen aus dem Rheingau ihren Segen geschenkt. Der „Kabinett Royal“ von 2019, aus Riesling-Trauben rund um den Johannisberg, der in großen Holzfässern reift, scheint in seiner „Vielschichtigkeit“ wie geschaffen für besondere Augenblicke – nicht nur für königliche Hoheiten (der Preis ist übrigens äußerst volksnah!). Er glänze durch Finesse und feine Mineralität, so Weinert, und macht Lust auf mehr. Mit der „Steckenpferd Spätlese“ von 2018 könne man auch ein Mittagessen ersetzen, launig plauderte die junge Direktorin über die Experimentierfreudigkeit des Weinguts: „das ist unsere DNA“ . Das letzte Fläschchen ist ein Sekt aus dem Haus Prinz von Hessen, der aber erst am 21. November, am Geburtstag, getrunken werden sollte.
Was für eine wunderbare Idee, den Geburtstag der Kaiserin würdevoll in ihrem Privatschloss zu begehen und den Gästen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie lebe hoch: Eine Engländerin in Kronberg, die das Beste aus beiden Kulturen in ihrem Lebensstil vereinte. Happy birthday, Vicky, and Cheers!
Kaiserin Victoria, die sich Kaiserin Friedrich nannte, im Sommer 1900 im Kreise ihrer sechs Kinder. Dritter von links ist Kaiser Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser, sowie ganz rechts Prinzessin Margarete, die Urgroßmutter von Donatus Landgraf von Hessen, der gut gelaunt durch den Familiensitz Schloss Friedrichshof führte und seiner Ururgroßmutter im Netz mit einem Glas Kabinett Royal stilvoll zuprostete.
Foto: Hessische Hausstiftung