Kronberg (mw) – „Villen und Landhäuser im Vordertaunus – Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet“ ist der Titel der neuen Publikation, die der Hochtaunuskreis gemeinsam mit den Städten Königstein im Taunus und Kronberg im Taunus herausgegeben hat. Der Autor präsentierte die Neuerscheinung, im Beisein von Landrat Ulrich Krebs, den Bürgermeistern Christoph König (Kronberg) und Leonhard Helm (Königstein) im Kronberger Rathaus. Kaum ein Ort hätte passender für die Vorstellung des reich bebilderten Bandes sein können, stellte Bürgermeister König zur Begrüßung der geladenen Gäste im Rathaussaal fest. Denn das Rathaus ist eine der zahlreichen bedeutenden Villen im Vordertaunus, deren Entstehung – und Prägung der Region bis heute – der Autor Johannes Martin Müller in seiner 320 Seiten starker Veröffentlichung beschreibt. Wie viele der Kronberger und Königsteiner Villen atmet die Villa Bonn selbst nach 100 Jahren als Rathaus noch etwas sehr Herrschaftliches aus, stellte König zur Begrüßung seiner Gäste fest. Das sei überall spürbar, man brauche sich nur umzublicken, sein Büro sei einst der Speisesaal der Villa Bonn gewesen und die eigens für das Personal angelegten, versteckten Verbindungswege gibt es ebenfalls noch zu entdecken.
Johannes Martin Müller hat für das Buch seine 2019 erstellte Masterarbeit im Fach Historische Geografie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg überarbeitet. „Es ist ein Verdienst des Autors, erstmal unsere Region als Villenlandschaft in den Blick zu nehmen und als Ganzes zu analysieren“, so der Landrat. „Das Werk ist sehr umfassend und ich denke, es ist sehr wertvoll für uns, dass es so etwas jetzt gibt“, ergänzte König.
Müller forscht als qualifizierter Kulturlandschaftsexperte bereits seit vielen Jahren zum Themenkomplex großflächiger Villenlandschaften, unter anderem am Starnberger See, im Berliner Grunewald und eben hier am Taunusrand bei Frankfurt. In einem Panorama fächert Müller die Bedingungen auf, die zur Entdeckung und Erschließung der Landschaft geführt haben. Ihm geht es, wie er erläutert, nicht nur um Architektur und Landschaftsgestaltung, sondern auch um die soziologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Dimensionen des Taunus als „Freizeitmuseum der Belle Époque“. „Nirgendwo gewinnt man einen derart umfassenden Einblick in die ehemalige Lebenswelt der wilhelminischen Elite wie am Taunusrand“, sagt der 34-Jährige, der vier Jahre an seinem Werk gearbeitet hat. Es sei besonders interessant für ein wissenschaftlich interessiertes Publikum, da es mit seinen historischen Dokumenten, handschriftlichen Briefen, Grundrissplänen bis zu kuriosen Brieftauben-Luftaufnahmen aus dem Nachlass von Dr. Julian Neubronner sehr viel Material berge, diene aber ebenso als unterhaltsames Bilderbuch. Dem stimmten die Bürgermeister und der Landrat gerne zu. Bürgermeister Leonhard Helm wies hin auf die große Bedeutung, die es für das Verständnis der wirtschaftlichen Entwicklung des Vordertaunus habe. Die Beleuchtung vieler kleiner und großer Aspekte in dem Buch mache es ungemein spannend, diese Zeit zu verstehen, in der sich vieles verändere.
Die Bedingungen für den Zuzug in den zuvor bäuerlich-arm geprägten Taunus waren die schöne Natur mit ihren Heilquellen als frühe Ansätze des Kurwesens genauso wie die Entwicklung einer Malerkolonie, aber auch die nahe Lage zu Frankfurt, machte Müller deutlich. Tatsächlich entdeckten die Frankfurter Bankiers und Unternehmer den Taunus für sich als Sommerresidenz. Ähnlich wie es die reichen Römer seinerzeit zu tun pflegten, seien die Villen selbst zum „otium“, zum Rückzugsort der arbeitenden Frankfurter Elite geworden. Einen weiteren Aspekt, den Müller in seinem Werk detailliert beleuchtet, ist der Witwensitz der Kaiserin Friedrich (Schloss Friedrichshof). Durch den Zuzug der Kaiserin Friedrich wird der Vordertaunus zu einem Anziehungspunkt der vornehmen Gesellschaft. Das wiederum förderte die Verdichtung der Villen mit ihren ausladenden Gärten, die bis heute die Kulturlandschaft des Vordertaunus prägen.
Die Villa Bonn der Bankiersfamilie Bonn ist ein solcher Sommersitz. Wie der Autor bei der Präsentation anschaulich schilderte, sei der Aufwand mit Personal und Gepäck enorm gewesen, um damals tatsächlich von April bis Oktober in den Zweitwohnsitz, die Sommerresidenz, umzuziehen. Die Villa Bonn sei auf diesen Hügel nach dem Konzept „der schönen Aussicht“, mit Blick nach Frankfurt und nach Königstein, in den Taunus hinein, konzipiert worden. Der Kulturlandschaftsexperte hat sich in dem Buch auch mit technischen Details beschäftigt: Wer hatte bereits einen Fernsprechanschluss? Und mit Freizeit gestaltenden: Wie viele Tennisplätze gab es innerhalb der privaten Gartenanlagen? Und er hat über verschiedene Wasserbauelemente wie Wasserleitungen und die Wasserbaukunst vertiefend geforscht. Bei den herrschaftlichen Villen wurde oftmals viel Wert darauf gelegt, sie in eine wasserreiche Landschaft einzubetten.
Helm, König und Krebs sind sich einig, dass in Müllers Neuerscheinung viel Interessantes und Wissenswertes zusammengetragen wurde. Man erlebe die starke britische Tradition, den wilhelminischen Adel und das Frankfurter Bildungsbürgertum, „das sich ganz selbstverständlich seine Villen neben den Adel ebenfalls auf die Hügel gestellt hat“, fügte Helm hinzu. Bis heute sei die Nachfrage auf den Vordertaunus ungebrochen und es sei wichtig, sich die Besonderheiten dieser Region bewusst zu machen und sie für das Stadtmarketing und den Tourismus zu nutzen.
Verlagsleiterin Dr. Annette Nünnerich-Asmus warb für das „spannende Buch“ und dafür, sich der eigenen Schätze bewusst zu sein. „Es ist eine Region, die prosperiert.“ Der Vordertaunus mit seiner Villenlandschaft müsse sich nicht verstecken. „Und die Villen in dieser Lage mit ihren Gartenanlagen verdienen ihre besondere Erhaltung“, betonte sie.
Autor Johannes Martin Müller dankte abschließend noch einmal den Archivaren, Fachleuten und Geldgebern (unter anderem einem großzügigen privaten Spender, der anonym bleiben möchte), ohne deren „großartige Unterstützung die Umsetzung nicht möglich gewesen wäre. Vor allem das Kreisarchiv des Hochtaunuskreises und die Stadtarchive Königstein und Kronberg standen mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Dort liegen jede Menge Schätze“, warb er für deren Besuch und machte mit vor Forschungsfreude leuchtenden Augen klar, dass ihm ein zweiter Band von „Villen und Landhäuser im Vordertaunus“, beispielsweise mit Schwerpunkt auf den Gartenanlagen, gefallen würden.