„Welches Wohnen können wir uns in Zukunft leisten?“

Kronberg (kb) – Diese Fragestellung des Vereins „Aktives Kronberg“ als Titel für die Veranstaltung in den Kronberger Lichtspielen stieß auf großes Interesse. Die Vorstandsvorsitzende Andrea Poerschke begrüßte die zahlreichen Teilnehmenden mit der Frage, wie es gelingen kann, die divergierenden Ansprüche an Stadtentwicklung mit einem Bauen für breite Bevölkerungsschichten, der notwendigen seriösen Finanzierbarkeit und einem nachhaltigen Umweltschutz in unserer Stadt in eine ausgewogene Balance zu bringen. Der Verein wollte am Beispiel des Baufelds V Möglichkeiten zur Gestaltung aufzeigen und zur Diskussion darüber anregen. Er hatte dazu Prof. Natalie Heger des Fachbereichs Architektur der Frankfurt University of Applied Sciences eingeladen. Sie hatte gemeinsam mit Studierenden ihres Fachbereichs Konzepte für das Baufeld V erarbeitet und sie im Februar dieses Jahres im Kronberger Rathaus ausgestellt.

Andreas Schmitt, Kai Bülow und Martin Rahmes waren weitere Podiumsteilnehmer der Veranstaltung, sie kommen aus der Immobilienbranche und arbeiten als Bauplaner, Bauträger oder Projektentwickler.

Die Referentin verwies zunächst auf den abnehmenden Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen und stellte Kriterien für ein lebenswertes Wohnquartier und ressourcenschonendes Bauen vor, die bei der Planung zukunftsfähiger Städte maßgeblich sein sollten. Diese sind unter anderem die Verminderung des Flächenverbrauchs, Klima Resilienz, Weiterverwendung von bestehenden Strukturen und die Realisierung von Dichte und Gemeinschaft.

Für die Entwicklung der studentischen Arbeiten zum Baufeld V gab es Vorgaben der Stadt: 60 Wohnungen, drei Geschosse, 100 Stellplätze, 50 Prozent Freiraum und die Freilegung des Winkelbachs. Alle Projekte zeigten kreativ und detailreich, wie mit unterschiedlichen Konzepten Anforderungen an ein lebenswertes Wohnquartier mit hoher Aufenthaltsqualität realisiert werden können. Manche Beispiele sahen eine Clusterung von Häusern mit lockerer Bauweise, gemeinschaftlichen Räumen und Orten der Begegnung vor.

Begrünung

Ein Beispiel integrierte etwa neue Streuobstwiesen inmitten der Bebauung, alle Konzepte sahen ein hohes Maß an Begrünung in den Freiflächen, auf den Dächern oder an den Fassaden vor. Interessant war die Diskussion über das Quartiersparkhaus, das allen Beispielen zugrunde gelegt wurde. Und dies, obwohl durch die unmittelbare Nähe zur S-Bahn ein Parkhaus fraglich ist, weil es zu Lasten von Wohnungen geht. Ein Entwurf sah eine spätere Nutzung als Kita, eine Umnutzung zu Wohn- oder Büroräumen oder gar als Spiel-/Freifläche, z.B. für eine Skaterbahn, vor. Auch ein Abtragen eines in Modulbauweise errichteten Parkhauses war eine Option, die dadurch auf ein sich in Zukunft veränderndes Mobilitätsverhalten eingehen könnte. Eine Tiefgarage wurde in Hinblick auf diesen Punkt und aus ökonomischen Gründen in keinem der Entwürfe vorgesehen.

Die Frage nach der Finanzierbarkeit von bezahlbarem Wohnraum war nicht Gegenstand des studentischen Projekts. Dies wurde zum Thema der anschließenden Diskussion mit den Experten aus der Immobilienbranche, die zahlreiche Hindernisse durch Gesetzgebung und Vorschriften aufführten. Andreas Schmitt, Architekt und Geschäftsführer der blfp planungs GmbH, nannte als Beispiele die Auflagen der Bauherren respektive der Politik, Probleme bei den Baugenehmigungen, die fehlende Digitalisierung, die Unterschiede der Vorschriften in den Bundesländern und die Tatsache, dass die Energieeffizienz über alles gestellt würde. Er betonte, dass die Wohnungspreise durch die Regulierung mitbestimmt seien. Er forderte, beim Bauen den Lebenszyklus der Menschen zu berücksichtigen, Beständigkeit und Langlebigkeit zu fördern.

Gemeinschaftsflächen

Kai Bülow, der geschäftsführende Gesellschafter der Depant Bauträger GmbH & Co. KG, unterstützte die Forderung nach einem Bauen, das auf Teilen und ein Miteinander ausgerichtet sei. Er regte an, dass alles, was man nicht oft nutzt, in Gemeinschaftsflächen umgewandelt werden sollte. Dies bedeute einen Verzicht auf Besitz, nicht aber auf Funktionen. Kitas dürften kein Renditeobjekt sein, die Gemeinwohlorientierung sollte im Vordergrund stehen. Er und Andreas Schmitt zollten den Studierenden großen Respekt für ihre Ideen. Martin Rahmes schloss sich dieser Anerkennung an. Als Geschäftsführer der HS ImmoInvest GmbH arbeitet er an einem Projekt in Berlin, das generationenübergreifendes Wohnen ermöglicht und die Vision eines möglichst lange selbstbestimmten Lebens verfolgt. Anhand seines Beispiels des Stephanus Quartiers in Berlin- Köpenick mit einer Kita im EG, Studenten- und Seniorenwohnungen in den Obergeschossen wurde der Mehrwert eines gemischten Nutzungskonzepts mit verschiedenen Wohnformen deutlich: Sicherheit im Alter, Gemeinschaft und soziale Geborgenheit. Studenten unterstützen hier Senioren, im Gegenzug erhalten erstere eine vergünstigte Miete. Für gemischt genutztes Wohnen gebe es seiner Auffassung nach keine kritische Größe. Für seine Projekte in Berlin würden nur sehr wenige Garagenplätze in Tiefgaragen eingeplant, da die Berliner Bauordnung keine Stellplatznachweise vorsieht. Dies ist ein bewusstes Steuerungselement, um Verkehr, aber vor allem Baukosten, deutlich zu reduzieren. Das Gebäude erhielt die höchste Bewertung eines ökologischen Zertifikats: das DGNB-Siegel in Platin. Auf die konkrete Frage der Moderatorin des Abends, Andrea Poerschke, wie bezahlbarer Wohnraum für junge Familien oder Alleinstehende, zum Beispiel mit einem Mietpreis von elf Euro pro Quadratmeter geschaffen werden könne, beantwortete Martin Rahmes damit, dass der Kaufpreis von Grundstücken, die in öffentlichem Eigentum seien, dazu auf null gesetzt werden müsse. Es wurde vorgeschlagen, Kooperationsmodelle zwischen Kommunen und privaten Investoren zu schaffen, die Nutzbarkeit in den Vordergrund zu stellen und ein viertes Geschoss vorzusehen. Mehr Geschosse ermöglichen niedrigere Gesamtkosten und damit niedrigere Mieten, und mehr Wohnraum auf gleicher Fläche zugunsten von weniger versiegeltem Freiraum.

Aktives Kronberg hat mit dieser Veranstaltung der Kronberger Öffentlichkeit, der Verwaltung und der Politik ein Angebot gemacht: Es gibt viele gute Beispiele für attraktive neue Wohnquartiere in unserer Region und darüber hinaus. Wenn kreative Köpfe – Studenten wie Projektentwickler – nach zeitgemäßen Ideen gefragt werden, kommt es zu Entwürfen, die über die bekannten Standardlösungen hinausgehen und einen Blick in die Zukunft eines gemeinschaftlich orientierten Zusammenlebens geben. Dies alles wäre auch in Kronberg möglich, wenn man sich hier von der Fokussierung auf die Anzahl notwendiger Parkplätze lösen und von der Diskussion zu Entscheidungen kommen könnte.

Soziale Bedürfnisse

Welches Wohnen können wir uns in Zukunft leisten? Tatsächlich können wir uns nur ein Wohnen leisten, das die sozialen Bedürfnisse der Menschen im Blick hat, ihnen bei einer Miete von maximal einem Drittel des verfügbaren Einkommens genügend finanziellen Spielraum für ihre Altersversorgung lässt und das in aller Konsequenz den ökologischen Anforderungen für den Umweltschutz Rechnung trägt.

Letztlich liegen diese Maxime in der Verantwortung aller, nämlich der Kronberger Bürgerinnen und Bürger, die dies einfordern sollten und der Mandatsträger aller Parteien und Wählergemeinschaften, die steuern und entscheiden.

Daniel Rinck(als Mitglied und Mitorganisator wie auch Anita Lenz) , Martin Rahmes, Kai Bülow, Frau Prof. Dr. Natalie Heger, Andrea Poerschke, und Andreas Schmitt
Foto: privat



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