Zwei Konzerte, ein Atem – Das Kronberg Festival eröffnet mit Schubert und Beethoven

Kronberg (nl) – Im Kronberger Casals Forum wird das Hören zum Nach-Innen-Horchen. Unter dem Motto „Good Vibrations“ lädt das Kronberg Festival dazu ein, Musik nicht nur zu konsumieren, sondern sie als Wechselspiel zwischen Klang und Körper, Geist und Gefühl zu erfahren. Raimund Trenkler und Friedemann Eichhorn, Gründer und künstlerischer Leiter der Kronberg Academy, formulieren kein geringeres Ziel als Musik als ein Ereignis zu erleben, das trösten, heilen, beflügeln kann.

Am Eröffnungsabend geschah genau das. Sir András Schiff dirigierte das Chamber Orchestra of Europe, ein Ensemble, das seit Jahrzehnten durch seine kultivierte, kammermusikalisch geprägte Klangkultur Maßstäbe setzt. Das erste Konzert um 18 Uhr eröffnete Franz Schubert: die Entr’acte Nummer 3 in B-Dur und die Ballettmusik Nummer 2 aus „Rosamunde“. Das war Musik von schwebender Leichtigkeit, die den Raum des Großen Saals erfüllt.

Es folgte Beethovens Tripelkonzert in C-Dur op. 56, bei dem William Hagen (Violine), Bryan Cheng (Violoncello) und Martina Consonni (Klavier) die Solopartien übernahmen. Schiff formte mit dem Orchester einen schlanken, atmenden Klang, die drei Solisten agierten nicht als Virtuosen im Wettstreit, sondern als gleichberechtigtes Trio in feinem Dialog mit dem Ensemble.

Besonders auffällig: der warme, tragende Ton Bryan Chengs, dessen Violoncello sich mühelos über das Orchester legte, ohne je zu dominieren. Sein Spiel hatte eine Mischung aus Eleganz und innerem Glühen, die dem Largo eine beinahe kontemplative Tiefe verleiht. William Hagen antwortete darauf mit einer Geige, die mit hellwach artikulierter Präzision und geschmeidiger Phrasierung den musikalischen Dialog führt.

Zwischen den beiden entstand ein kammermusikalischer Faden, der sich auch in den Tutti-Passagen nicht verliert. Das ist eine seltene Balance von individueller Stimme und gemeinsamer Struktur.

Die drei Sätze erklangen ohne Pause. Eine Entscheidung, die den dramaturgischen Fluss betont und das Publikum ohne Unterbrechung in die Binnenwelt des Werks zieht. Gegen 19.15 Uhr endete ein Konzert, das vom Deutschlandfunk mitgeschnitten wurde.

Am späteren Abend folgte um 20.15 Uhr das zweite Konzert. Schuberts fünf Menuette mit sechs Trios D 89 standen am Beginn. Maria Włoszczowska leitete das Chamber Orchestra of Europe von der Konzertmeisterposition aus. Der Zugang war klar strukturiert und stilistisch differenziert: rhythmische Prägnanz in den Menuetten, fein abgestufte Artikulation in den Trios, alles ohne überflüssige Sentimentalität.

Im Anschluss erklang Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73. Sir András Schiff übernahm den Solopart und die Leitung. Der erste Satz entfaltete sich in einer transparenten Lesart, die den klassischen Aufbau betont und auf demonstrative Virtuosität verzichtet. Im Adagio gelang ein ruhiger, konzentrierter Fluss, der die harmonische Spannung des Übergangs zum Finale präzise nachzeichnete. Das abschließende Rondo war klar gegliedert, mit bewusst zurückgenommener Dynamik, die die Struktur des Satzes in den Vordergrund rückte.

Auch dieses Konzert wurde ohne Pause gespielt und endete gegen 21.20 Uhr. Es war ein durchdacht gestalteter Doppelabend, dessen dramaturgische Linie von Schubert zu Beethoven und vom frühen Abend bis in die Nacht trug.

Zwei Programme, zwei Perspektiven und doch ein gemeinsamer Atem. Das Kronberg Festival zeigte schon am ersten Tag, wie kluge Dramaturgie, herausragende Interpreten und ein akustisch idealer Raum zusammenwirken können, um Musik erfahrbar zu machen; nicht als Ereignis der Oberfläche, sondern als bewusstes Hören.

Ein gelungenes Zusammenspiel: William Hagen (Violine), Martina Consonni (Klavier), Bryan Cheng (Violoncello) inmitten der Musiker des Chamber Orchestras of Europe

Fotos: Glückert

Maria Włoszczowska (links vorne) und Sir András Schiff zusammen mit dem Chamber Orchestra of Europe

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